Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Freiheit und Sicherheit der Person. (8. 57.) 179 
seinem Geburts- oder Heimatsorte überzusiedeln und daselbst mit Genehmigung der 
städtischen Behörden oder der Obrigkeit auf dem Lande sich mederzulassen, in welcher 
Beziehung jedoch (§. 13) einige Einschränkungen vorgeschrieben sind. 
Für die vormals freie Stadt Frankfurt a. M. hatte das Gesetz v. 15. Sept. 1824 1 
den in der Stadt zur Zeit der Publikation desselben seßhaften israelitischen Familien und 
Individuen nebst deren ehelichen Nachkommen das Frankfurter Staatsbürgerrecht, jedoch 
nur unter Einschränkungen, erteilt und sie in allen privatrechtlichen Beziehungen, sowie 
in bezug auf bürgerliche Geschäfte und Gewerbe, den Christen im wesentlichen gleich- 
gestellt Art. 1 und 2); die Niederlassung von Juden, die nicht durch das erwähnte Ge- 
setz das Frankfurter Staatsbürgerrecht erlangt hatten, war aber an Einschränkungen ge- 
bunden (Art. 6 ff.). Das Gesetz v. 20. Febr. 181492 erklärte demnächst alle bisher 
bestandenen Beschränkungen der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte der israelitischen 
Bürger und Beisassen, auch in den Dorfschaften, für aufgehoben, und durch das Gesetz 
v. 5. Okt. 1852 3 wurde das Gesetz v. 20. Febr. 1849 zwar für aufgehoben erklärt, 
jedoch nur bezüglich der erfolgten Erweiterung der staatsbürgerlichen, nicht auch der 
bürgerlichen Rechte der Juden; auch bestimmte das Gesetz v. 12. Sept. 18534 die 
Rechtsgleichheit der Juden, welche das Frankfurter Staatsbürgerrecht besitzen, in privat- 
rechtlicher Hinsicht. 
Durch den Abs. 3 des §F. 1 des Freizligigkeitsgesetzes v. 1. Nov. 1867 sind jetzt 
bezüglich aller Juden, welche deutsche Reichsangehörige sind, die in den nach den vor- 
gedachten älteren Landesgesetzen noch bestehen gebliebenen Beschränkungen des Rechts zum 
Aufenthalte, zur Niederlassung und zum Ge verbebetriebe beseitigt, und dies ist demnächst 
auch durch das Reichsgesetz v. 3. Juli 1869, betreffend die Gleichberechtigung der Kon- 
fessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung wiederholt anerkannt worden, 
während es bezüglich der Juden, welche die deutsche Staatsangehörigkeit 
nicht besitzen, bei dem bestehenden Rechte verbleibt, dessen landesrechtliche 
Abänderung auch durch Reichsrecht in keiner Weise eingeschränkt ist. v. Rönne 
hatte bei seiner Darstellung in den früheren Auflagen übersehen, daß es sich bei diesen 
Vorschriften nicht um Einschränkung der Juden, sondern um Einschränkung der Aus- 
länder handelt; daß aber Ausländer, welche Juden sind, aus diesem letzteren Grunde 
besonderen Einschränkungen unterworfen werden können, ist durch keine Vorschrift des 
Reichsrechtes verboten. 
2. Wer die aus der Reichsangehörigkeit folgenden Befugnisse in Anspruch nimmt, 
hat auf Verlangen den Nachweis seiner Reichsangehorigkeit , und sofern er unselb- 
  
1 Ges. u. Stat. Samml. der freien Stadt Frank- 
furt, Bd. III, S. 223. 
* Ebendas., Bd. X, S. 211. 
2 Ebendas., Bd. IX, S. 197 ff. 
4 Ebendas., S. 221. 
5 B. G. Bl. 1869, S. 297. 
* Der Nachweis der Reichsangehörigkeit ist 
hiernach „auf Verlangen“ die Bedingung der 
Ausübung der Befugnisse aus dem Art. 3 der 
Reichsverfassung und aus dem Freizügigkeits-- 
gesene v. 1. Nov. 1867, und da dieser Nach- 
weis am kürzesten und einfach'ten durch Bei- 
bringung eines Heimatscheines, d. h. einer Be- 
scheinigung der kompetenten Behörde, daß derjenige, 
welcher die Reichsangehörigkeit zu besitzen behauptet, 
die Staatsangehörigkeit eines der Einzelst7raten be- 
sitzt, geführt werden kann, so ist das Verlangen der 
Beibringung, beziehungsweise der Erteilung einer 
solchen Bescheinigung zum Zwecke der Gewährung 
des Aufenthaltes oder der Niederlassung in einem 
der Staaten des Bundes weder gesetmwidrig, noch 
dem Nach'uchenden zu versagen. (Vgl. die Reskr. 
des Min. d. Inn. v. 29. Okt. 1367, M. B.l. d. i. 
Verw., S. 357, v. 27. Juni 1868, a. a. O., Z. 237, 
  
u. v. 31. Jan. 1869, a. a. O., S. 53). Dem tritt auch 
Riedel (Kommentar zur Reichsverf. Urk., S. 228, 
Anm. 2) mit dem Bemerken bei, daß übrigens 
jedes Beweismittel, durch welches der Besitz der 
Reichsangehörigkeit in glaubhafter Weise dargetan 
werden kann, zulässig sei. Dagegen darf das 
in §. 1 des Freizügigkeitsgesetzer gewährleistete 
Recht des Aufenthaltes und der Niederlassung für 
einen Noichsangehörigen nicht mehr von der Bei- 
bringung eines Rücknahmereverses abhängig ge 
macht werden (Reskr. desselben Min. v. 18. Nov. 
1867, a. a. O., S. 359, Nr. 2821. Der Nachweis 
der Reichsangehörigkeit genügt, um die aus der- 
selben folgenden Befugnisse in Ansoruch zu nehmen: 
es kann daher, wenn die Reichsangehörigkeit fest- 
steht, die Staatsangehörigkeit dagegen zweifelhaft 
oder streitig ist, nicht der Nachweis gefordert 
werden, daß der Betreffende einem bestimmten 
Bundesstaate angehöre (vgl. Hirths Ann., Jahrg. 
1863, S. 477, und übereinsimmend Scydel, 
a. a. O., Jahrg. 18706, S. 162, Note 5). Nur 
dirienigen Behörden sind berechtigt, das Ver- 
langen des Nachweises der Reichsangehörigkeit iu 
stellen, welchen in dem konkreten Falle das Recht 
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