Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

184 Das Staatsbürgerrecht. (8. 57.) 
treten sind, ersetzt, mithin die im 8. 2, Nr. 2 des Heimatsgesetzes der Landespolizei— 
behörde erteilte Befugnis, insofern sie weiter reichte, als der 8. 27 des Strafgesetzbuches 
(jetzt 8. 39, Nr. 1 des Reichsstrafgesetzbuches) gestattet, für aufgehoben zu erachten sei.! 
Nach den Bestimmungen des §. 8 des Gesetzes v. 12. Febr. 1850 und des §F. 39, Nr. 1 
des Strafgesetzbuches kann nämlich einem „Verurteilten“ der Aufenthalt an bestimmten 
Orten von der Landespolizeibehörde, auch von derjenigen eines anderen Einzelstaates, 
als in dem die Verurteilung erfolgte ?, untersagt werden. „Wenn nun aber“, so führte 
v. Rönne in der 4. Aufl., Bd. II, S. 66 aus, „die Staatsregierung annimmt, die Ver- 
waltungsbehörden hätten nicht bloß durch die neue Gesetzgebung das Recht erhalten, jeden, 
der unter Polizeiaufsicht steht, in der Wahl seines Aufenthaltes zu beschränken, sondern 
auch aus der älteren Gesetzgebung das Recht behalten, jeden, der einmal bestraft worden 
ist, für einen #entlassenen Sträfling, welcher der öffentlichen Sicherheit und Moralität 
gefährlich zu erachten und ihn dann der Freizügigkeit für verlustig zu erklären, so ist 
dies mit dem Art. 5 der Verfassungsurkunde unvereinbar, weil danach Freiheitsbeschrän- 
kungen nur an objektive, von keinem administrativen Belieben abhängige Bedingungen 
geknüpft sind. Eben weil alle derartigen polizeilichen Befugnisse, gegen welche es keinen 
wirksamen Rechtsschutz gibt, durch die Verfassung aufgehoben worden sind, wurde unter 
anderem das Gesetz v. 12. Febr. 1850 erlassen, dessen Vorschriften demnächst wieder 
durch die §§. 26—28 des Strafgesetzbuches v. 14. April 1851, beziehungsweise des 
§. 39 des Reichsstrafgesetzbuches ersetzt worden sind. Danach kann aber nur einem durch 
gerichtliches Urteil rechtskräftig zur Stellung unter Polizeiaufsicht Verurteilten der Auf- 
enthalt an bestimmten Orten von der Landespolizeibehörde untersagt werden, so daß also 
jede andere polizeiliche Beschränkung der Wahl des Aufenthaltsortes gesetzlich unstatthaft 
ist und insbesondere auch aus dem §. 2, Nr. 2 des Gesetzes nicht mehr hergeleitet wer- 
den darf.“ Dieser Ansicht kann nicht beigestimmt, vielmehr muß mit dem Ober- 
verwaltungsgerichtt die Fortdauer des zitierten §. 2, Nr. 2 angenommen 
werden, mit der Maßgabe nur, daß gegen derartige landespolizeiliche Ver- 
fügungen des Regierungspräsidenten, beziehungsweise Polizeipräsidenten 
von Berlin die Klage im Verwaltungsstreitverfahren eröffnet ist (Landesver- 
waltungsgesetz §§. 127 ff.).3 Die landespolizeiliche Verfügung ist zeitlich un- 
  
1 Diese Ansicht vertreten F. C. Oppenhoff #des Heimatsgesetzes enthalte aber keine Strafvor- 
(Strafgesetzbuch, §. 27, Note 9) u. Th. F. schrift, sondern nur eine auf dem polizeilichen 
Oppenhoff (Die preuß. Ressortgesetze, S. 364,Gebiete liegende, den Schutz und die Sicherheit 
Note 10). S. dagegen Gneist i. Arch. . öff. der einzelnen Orte bezweckende Anordnung“. Im 
Recht, Bd. I, S. 245 ff.; ferner die sehr richtigen Nordd. Reichstage ist in der Sitz. v. 19. Juni 1869 
Bemerkungen desselben bei Stengel, Bd. I, die Frage gleichfalls zur Sprache gekommen, ins- 
S. 455; Bornhak, Pr. St. R., Bd. III, besondere auch aus dem Standpunkte, ob die 
S. 185 f.; G. Meyer, Verw. R., Bd. I, S. 167; Vorschrift des §. 2, Nr. 2 des preuß. Heimats- 
Arndt, R. St. R., S. 213, Note 1, sowie in gesetzes v. 31. Dez. 1842 noch neben den Vor- 
ausführlicher Begründung O. V. G., Bd. IX, S. schriften der §§. 1—3 und 12 des Freizügigkeits- 
419 ff., ebenso H. Seuffert in Stengels gesetzes v. 1. Nov. 1867 für fortbestehend oder 
Wörterb., Bd. II, S. 259. durch dieselben für beseitigt zu crachten sei. Zu 
: Beschl. d. B. R. v. 10. Juni 1872, ab= einer direkten Entscheidung hierüber hat die Be- 
gedruckt bei Cahn, Komm., S. 58. ratung im Reichstage nicht geführt, sondern nur 
# Dieser Ansicht ist auch das Abg. H. in der dahin, die Beschwerde, welche Veranlassung zu 
Sitz. v. 4. Okt. 1862 (vgl. Stenogr. Ber. des der Beratung gegeben hat, dem Bundeskanzler 
Abg. H. 1362, Bd. IV, S. 2067—72) auf den „Zur Prüfung und event. zur Abhilfe“ zu über- 
Ber. der Kommission für Handel u. Gewerbe v. weisen. Vgl. Stenogr. Ber. des Reichstages 
30. Aug. 1862 (vgl. Drucks. des Abg. H. 1862, 1869, S. 1332 34 und den Ber. der Petitions-= 
VII. Legisl. Per., 1. Session, Bd. V. Nr. 139, kommission des Reichstages v. 3. Juni 1869 in 
sub A., und Stenogr. Ber. desselben 1862, den Stenogr. Ber. desselben 1869, Aktenst. Nr. 
Bd. VII. Nr. 130, S. 1378 ff.) beigetreten, obt 259, S. 789—791. Durch die Rechtsprechung 
gleich die Staatsregierung (vgl. die Erklärung des O. V. G. (s. die folgende Note) ist die Frage 
des Reg. Komm. in den Stenogr. Ber. a. a. O., jetzt definitiv erledigt. 
Bd. IV, S. 2071) auch bei dieser Beratung bei O. die eingehende durchschlagende Begründung 
der Behauptung verblieb, daß der S. 2,. Nr. 2 Entsch. d. O. V. G., Bd. IX, S. 416, Bd. T, 
des Heimatsgesetzes nicht aufgehoben sei, „denn das S. 336, Bd. XlII, S. 105 * dazu Cahn, 
Strafgesetzbuch habe nur die im Art. lII des Ein= Komm., S. 60 f. 6 
führungsgesetzes zu demselben näher bezeichneten 5* Uber die materiellen Gründe der Aus- 
früheren Strafgesetze aufgehoben; der §. 2, Nr. 2 weisung bemerkt O. V. G., IX, S. 431 zutreffend: 
 
	        
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