Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

10 Das Staatsbürgerrecht. (8. 50.) 
der Juden von praktischem Interesse. 1 Die letzte gesetzliche Bestimmung, welche vor 
Erlaß der Verfassungsurkunde die Zulassung der Juden zu den öffentlichen Amtern regelte, 
war der §. 2 des für den ganzen damaligen Umfang der Monarchie ergangenen Gesetzes 
v. 23. Juli 1847 über die Verhältnisse der Juden?, welcher bestimmte, daß Juden 
zu einem unmittelbaren oder mittelbaren Staatsamte, sowie zu einem Kommunalamte 
nur dann zuzulassen seien, wenn mit einem solchen Amte die Ausübung einer 
richterlichen, polizeilichen oder exekutiven Gewalt nicht verbunden ist, zu- 
gleich aber festsetzte, daß sie außerdem von der Leitung und Beaufsichtigung christlicher 
Kultus= und Unterrichtsangelegenheiten ausgeschlossen bleiben sollten, an Universitäten aber, 
soweit nicht die Statuten entgegenstehen, als Privatdozenten, außerordentliche und ordent- 
liche Professoren der medizinischen, mathematischen, naturwissenschaftlichen, geographischen 
und sprachwissenschaftlichen Lehrfächer zugelassen werden könnten, dagegen von allen übrigen 
Lehrfächern an Universitäten, sowie von dem akademischen Senate und von den Amtern 
eines Dekans, Prorektors und Rektors ausgeschlossen bleiben sollten. An Kunst-, 
Gewerbe-, Handels= und Navigationsschulen sollten sie als Lehrer zugelassen werden; 
außerdem aber sollte ihre Anstellung als Lehrer nur auf jüdische Unterrichtsanstalten 
beschränkt bleiben. Der §. 5 des Gesetzes v. 6. April 1848 über einige Grund- 
lagen der preuß. Verfassung" bestimmte sodann, „daß die Ausübung staatsbürger- 
licher Rechte fortan von dem religiösen Glaubensbekenntnisse unabhängig sein solle“ , 
  
christl. Kirchenämtern und als Lehrer der christl. 
Religion. — In dem vormaligen Herzogtume 
Nassau waren die Juden gesetzlich vollständig 
emanzipiert, namentlich konnten sie Gemeinde- 
ämter bekleiden und Geschworene werden. B9gl. 
den Ber. der Petitionskomm. des Abg. H. v. 21. 
Dez. 1866 in den Stenogr. Ber. desselben 1866 
—67, Aktenst. Nr. 143, S. 691. — In dem Her- 
zogtume Holstein sind die Verhältnisse der Juden 
durch das G. v. 14. Juli 1863 (Gesetz= u. M. 
Bl. für Holstein und Lauenburg 1863, S. 167) 
geordnet, welches sie in allen nicht ausdrücklich 
ausgenommenen Beziehungen den Christen gleich- 
stellt. Sie sind nur von der Teilnahme an den 
Angelegenheiten der christl. Kirche und Schule 
ausgeschlossen; auch dürfen sie nicht an christl. 
Volksschulen angestellt werden und in geistl. 
Sachen nicht als Richter und Sachwalter fun- 
gieren. Für das Herzogtum Schleswig sind 
ihre Verhältmisse durch die Verordn. v. S. Febr. 1854 
(Chronolog. Samml. der Verordn. für Schles- 
wig, Jahrg. 1854, S. 124) geregelt, welche sie 
im wesentlichen den christl. Bürgern gleichstellt, 
jedoch von der Teilnahme an allen Sachen, die 
Kirche und Schule betreffen, ausschließt. — In 
Frankfurt a. M. hat das G. v. 1. Sept. 1824 
(Gesetz= u. Stat.-Samml. für Frankf. a. M., 
Bd. III, S. 223) die Rechtsverhältnisse der Is- 
raeliten (unter Aufhebung aller früheren betr. 
Gesetze) geordnet. Das G. v. 20. Febr. 1849 
(a. a. O., Bd. X, S. 214) hat hiernächst alle 
noch bestandenen Beschränkungen der bürgerlichen 
und staatsbürgerlichen Rechte der Juden für auf- 
gehoben, auch die öffentlichen Amter für alle 
Staatsbürger gleich zugänglich erklärt. Diese 
letztere Verordn. wurde zwar auf Grund des Beschl. 
der deutschen Bundesversammlung v. 23. Aug. 
1851 durch die Bekanntmach. des Senats v. 5. Okt. 
1852 (a. a. O., Bd. IX, S. 197), was die 
staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden an- 
betrifft, wieder außer Kraft gesetzt; allein das 
  
weiterung der staatsbürgerlichen Rechte der Land- 
bewohner (!) und Israeliten (a. a. O., Bd. IX, 
S. 221) stellt auch in bezug auf die staatsbürgerl. 
Rechte die Juden den Christen grundsätzlich 
gleich, schloß dieselben aber dennoch von den 
wichtigsten Rechten, nämlich von der Wählbarkeit 
in den Senat und die ständische Bürger- 
repräsentation, von den Richterämtern und 
von der Anstellung bei Behörden, deren Wirkungs- 
kreis christl. Kirchen, Schulen und Stiftungen 
betrifft, aus. — 
1 Uber die rechtliche Stellung der Juden 
im Rahmen des preußischen Kirchenstaatsrechtes 
s. Bd. III. Die nachfolgende allgemeine Er- 
örterung über die Rechtsstellung der Juden im 
Rahmen der Verfassung habe ich im wesent- 
lichen in dem v. Rönneschen Tert belassen; 
nur bezüglich der Eidesfrage waren wesent- 
liche Zusätze und Einschränkungen erforderlich, 
ogl. auch Gierke, D. Priv. R., Bd I, §. 55 u. 
die dort. S. 137, Nr. 1, zit. Lit. 
2„2 G. S. 1847, S. 263. 
à Diese Bestimmungen gingen teilweise 
hinter diejenigen des Ed. v. 11. März 1812, 
betr. die bürgerl. Verh. der Juden (G. S. 
S. 17) zurülck, dessen §. 8 festgesetzt hatte: „Juden 
(welche das Staatsbürgerrecht erlangt haben) 
können akademische Lehr= und Schul-, auch 
Kommunalämter, zu welchen sie sich geschickt ge- 
macht haben, verwalten“, und dessen §. 9 hinzu- 
fügte: „Inwiefern die Juden zu anderen öffent- 
lichen Bedienungen und Staatsämtern zugelassen 
werden können, behalten wir uns vor, in der 
Folge der Zeit gesetzlich zu bestimmen.“ Hier- 
nach waren also die für Inländer zu erachtenden 
Juden (§. 7 a. a. O.) in bezug auf akademische 
Lehr= und Schul-, auch Gemeindeämter den Christen 
gleichgestellt, wogegen der §. 2 des G. v. 23. Juli 
1847 sie in dieser Beziehung wieder beschränkte. 
* G. S. 1848, S. 88. 
5 Auf Grund dieser Bestimmung erkannte das 
organische G. v. 12. Sept. 1853, betr. die Er= Zirk. Reskr. des Min. der geistl. usw. Ang. v. 14. Juli
	        
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