Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Freiheit und Sicherheit der Persou. (8. 57.) 199 
oder ähnlicher Grundlage zu erzielen, nahm indes an, daß es nicht zweckmäßig sei, den 
Gegenstand im Wege der Vertragsschließung zu regeln, sondern daß er im Wege der 
Reichsgesetzgebung geordnet werden müsse, und faßte wiederholt den Beschluß, den Reichs- 
kanzler zur Vorlegung eines solchen Gesetzentwurfes aufzufordern.! Infolgedessen ist dann 
zunächst für den vormaligen Norddeutschen Bund das Gesetz v. 13. Mai 1870 wegen 
Beseitigung der Doppelbesteuerung: ergangen, welches demnächst für das ganze 
Reich in Rraft getreten ist. ? 
Die Bestimmungen des Gesetzes v. 13. Mai 1870“" sind folgende ? 
1. Ein Reichsangehöriger darf, vorbehaltlich der Bestimmungen in §§. 3 und 4 
des Gesetzes, zu den direkten Staatssteuern nur in demjenigen Bundesstaate herangezogen 
werden, in welchem er seinen Wohnsitz hat, d. h. an dem Orte, an welchem er eine 
Wohnung unter Umständen inne hat, welche auf die Absicht der dauernden Beibehaltung 
einer solchen schließen lassen (§. 1).5 Auf die Gemeindebesteuerung findet das Gesetz 
v. 13. Mai 13870 keine Anwendung.7 
2. Ein Reichsangehöriger, welcher in keinem Bundesstaate einen Wohnsitz hat, darf 
nur in demjenigen Staate, in welchem er sich aufhält, zu den direkten Staatssteuern 
herangezogen werden. Hat ein Reichsangehöriger in seinem Heimatsstaate und außerdem 
in anderen Bundesstaaten einen Wohnsitz, so darf er nur in dem ersteren zu den direkten 
Staatssteuern herangezogen werden. Im Reichs= oder Staatsdienst stehende Reichsan- 
gehörige dürfen nur in demienigen Bundesstaate besteuert werden, in welchem sie ihren 
dienstlichen Wohnsitz haben (F. 2).3 
3. Der Grundbesitz und der Betrieb eines Gewerbes, sowie das aus diesen Quellen 
herrührende Einkommen darf nur von demjenigen Bundesstaate besteuert werden, in welchem 
der Grundbesitz liegt oder das Gewerbe betrieben wird (§. 37. 
1. Gehalt, Pension oder Wartegeld, welche deutsche Militärpersonen oder Zidil- 
beamte, sowie deren Hinterbliebene aus der Kasse eines Bundesstaates beziehen, sind nur 
in demjenigen Staate zu besteuern, welcher die Zahlung zu leisten hat (§. 4); da die 
Militärpersonen des Reichsheeres ihr Gehalt aus der Reichskasse beziehen, kommt für 
sie lediglich, die allgemeine Vorschrift unter Ziffer 1 zur Anwendung. 
  
1 Vgl. den Bericht der Petitionskommission 
des Reichstages v. 17. April 1869 in den Stenogr. 
Ber. des Reichstages 1869, Bd. II, Aktenst. 
Nr. 107 zu A, welcher Übergang zur Tages- 
ordnung beantragt hatte, und den Beschluß des 
Reichstages v. 5. Mai 1869 in den Stenogr. 
Ber. 1869, Bd. 1. S. 331—833. 
2 B. G. Bl. 1870, S. 119 ff., und den Ent- 
wurf dieses Gesenes nebst Motiven in den Stenogr. 
Ber. des Reichetages 1870, Bd. IV, Aktenst. 
Nr. 103, S. 311 ff., und die Verhandlungen 
darüber in den Sitzungen v. 4. u. 8. April 1870, 
u. den Stenogr. Ber. des Reichstages 1870. 
Bd. II, S. 637, 638, 750—754 u. 831—832. 
Vgl. auch in Kollers Archiv des Nordd. Bundes, 
Bd. IV, S. 949 ff. 
Das Gesetz hat für Baden und Sübdbessen 
Geltung erlangt zuf. des Art. 80, Ziff. I, Nr. 22, 
der mit Baden und Hessen vereinbarten Ver- 
fassung (B. G. Bl. 1870, S. 647), für Württem- 
berg zuf. des Art. 2, Nr. 6 des Vertrages vom 
25. Nov. 1870 (a. a. O., S. 656), für Bayern 
zuf. des Reichsgesetzes v. 22. April 1871, §. 2, 
Ziff. II (R. G. Bl. 1871, S. 38), und für 
Elsaß- Lothringen durch das G. v. 14. Jan. 1872 
(G. Bl. für Elsaß Lothringen 1872, S.61). Durch 
den Erlaß des G. v. 13. Mai 1870 ist die ber. 
Übereinkunft zwischen Preußen und Sachsen v. 
16. April 1869, zuf. des Schlußprotok. zu dieser 
Übereinkunft wieder außer Wirksamkeit getreten. 
  
* VDgl. 
gaben. 
5 Zur Ausführung dieses Gesetzes hat der 
Finanzminister in dem Zirk. Reskr. v. Z. Okt. 
1870 (M. Bl. d. i. Verw. 1870, S. 287 ff.) 
nähere Instruktion erteilt. Über die Anwendung 
dieser Instruktionen in Beziehung auf Württem- 
berg, Baden und Südhessen vgl. das Zirk. Reskr. 
des Finan ministers v. 8. Febr. 1871 (M. 
Bl. d. i. Verw. 1871, S. 125), in Beziehung 
auf Bayern das Zirk. Reskr. des Finanzministers 
v. 6. Mai 1871 a. a. O., S. 224) und in 
Beziehung auf Elsaß-Lothringen das Zirk. Restr. 
des Finanzministers v. 24. Jan. 1872 laü. a. O., 
auch S. 143, dort auch Literaturan- 
1872, S. 120 ff.). Vgl. diese Ministerialerlasse 
auch in Kollers Archiv des Nordd. Bundes, 
Bd. IV, S. 954## ff. 
(4 Zum Begriffe » Wohnsi“ s. die S 171, N. 3 
zit. Entsch. d. O. V. G., ferner Bd. XV, S. 367, 
61, (mehrere Wohnsitzgemeinden) Bd. XXVI, 
S. 75. Die im Doppelbesteuerungsgesetz gegebene 
Tefinition von Wohnsitz ist für die preußische 
Kommnnalbesteuerung allgemein maßgebend ge- 
worden durch §. 33 des Kommunalabgabengesetzes 
v. 14. Juli 1893. 
Entsch. d. O. V. G., Bd. II., S. 185, 
Vd. XV, S. 101, Bd. XVIII, S. 85, Bd. XVII, 
S. 145, Bd. XXXVII. S. 78, Bd. XXI, S. 170. 
liver dae -m der Kilhubtpersonen 
vgl. Entsch. d. O. V. G., Md. XXIX, S. 152.
	        
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