Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetze. (8. 50.) 11
und diese Bestimmung ist demnächst in den Art. 11 der Verfassungsurkunde vom 5. Dez.
1848, aus dieser aber in den Art. 12 der Verfassungsurkunde v. 31. Jan. 1850
übergegangen. Wenn nun der letzterwähnte Artikel den Genuß der staatsbürgerlichen
Rechte ausdrücklich für nnabhängig von dem religiösen Bekenntnisse erklärt, und wenn
nicht bestritten werden kann, daß der Anspruch auf Erlangung von öffentlichen Amtern
in den Kreis der staatsbürgerlichen Rechte gehört, so kann auch nicht in Zweifel ge-
zogen werden, daß die Juden durch den- Art. 12 der Verfassungsurkunde in betreff des
Anspruches auf Zulassung zu den öffentlichen Amtern gleiche Rechte mit den Christen
erlangt haben, nämlich das durch den Art. 4 der Verfässungsurkunde allen Preußen
(also auch den Preußen jüdischer Religion) zugesicherte Recht der gleichmäßigen Zugäng-
lichkeit der öffentlichen Amter, insofern sie dazu sonst befähigt sind, und lediglich unter
Einhaltung der von den Gesetzen für alle Preußen festgestellten Bedingungen. Nur die
eine Beschränkung tritt in betreff der Juden ein, welche aus dem Art. 14 der Ver-
fassungsurkunde folgt, daß sie nicht zu Amtern zugelassen werden dürfen, welche „mit
der christlichen Religionsübung im Zusammenhange stehen“. 1 Die Richtigkeit dieser
Argumentation ist kordnetenhaufe ehrfach änerkannt und näher dargelegt
worden.? Ihre praktische Durchfürung hat indes doch mehrfach zu Schwierigkeiten und
Streitfragen und bis in die neueste Zeit zu lebhaften parlamentarischen Erörterungen
Anlaß gegeben.?
Die bald nach Emanation der Verfassungsurkunde über den Gegenstand statt-
gefundenen Beratungen im Staatsministerium führten zu dem Beschlusse v. 9. Sept.
1851“, „daß den Bekennern der jüdischen Religion nicht verschränkt werden könne, sich
die Qualifikation zu Staatsämtern jeder Art zu erwerben, daß aber die Erlangung
dieser Qualifikation noch kein Recht auf Verleihung eines bestimmten Staatsamtes be-
gründe, vielmehr der Beurteilung des bekreffenden- Departementschefs vorbehalten bleiben
müsse, ob der Bewerber, ganz abgesehen von seinem religiösen Bekenntnisse, sich seiner
Persönlichkeit und seinen Fähigkeiten nach für dieses Amt eigne“. Durch diesen Be-
schluß erachteten sich einzelne Ressortminister berechtigt, für ihr Ressort generelle, die An-
stellungsfähigkeit der Juden normierende Vorschriften zu erlassen. Der Justizminister
sprach in dem Zirkularreskr. v. 9. Okt. 18515 den Grundsatz aus, „daß die Bekenner
der jüdischen Religion im Justizdienste von allen ÄAmtern ausgeschlossen bleiben sollten,
bei deren Verwaltung sie in die Lage kommen könnten, christliche Eide abzunehmen“.
Hierdurch war mithin festgesetzt, daß Juden niemals als Richter angestellt werden
könnten; dagegen ihre Zulassung zu der Stellung eines Rechtsanwaltes" oder bei der
1848 (M. Bl. d. i. Verw. 1848, S. 198) an,
„daß auch jüdische Gelehrte zu allen Lehrämtern
an den Landesuniversitäten zuzulassen, sofern nicht
die Natur eines solchen Lehramtes das christliche
Bekenntnis notwendig voraussetze.“
1 Dafß dieser aus der wörtlichen Auslegung sich
klar ergebende Sinn der Art. 4 u. 12 der Verf.
Urk. der richtige ist, bestätigen auch die Ver-
handlungen der Revisionskammern. Der Ber.
der Rev. Komm der II. K. bemerkt nämlich: „Der
wirkliche Sinn des dritten Satzes des Art. 4
ist der, daß kein Standes-, Glaubens-, noch
sonstiger Unterschied den Befähigten von der Be-
werbung um die öffentlichen Amter und von
deren Erlangung ausschließen soll, — die Ein-
haltung der durch das Gesetz geordneten Be-
dingungen (namentlich in betreff der Prüfungen
und der beizubehaltenden Bestimmungen bezüg-
lich der Zivilversorgungsansprüche von Militär-
personen) vorausgesetzt“ (vgl. Stenogr. Ber. der II. K.
1849—50, Bod. I, S. 491).
: Vgl. darüber: Die Rechte der Juden in
Preußen, (Preuß. Jahrbücher, Bd. V (1860),
S. 105 ff.) und: Die Judenfrage noch einmal
vor beiden Häusern des Landtages (ebendas.,
Bd. VII (1861), S. 11 ff.). Vielfache mehr
oder minder wertvolle neuere Literatur ist ange-
geben bei Hubrich, Konfessioneller Eid oder
religionskose Beteuerung (1900). Vgl. ferner
Hirzel, Der Eid (1902), und Kulemann, Die
Eidesfrage (1904). Letzterer wendet sich gegen
den religiösen Eid und seine Anwendung im
modernen Staate. —
3 Stenogr. Ber. d. Abg. H. 1901, S. 928, 122öff.
* Dieser Beschluß ist nicht amtlich veröffent-
licht worden, wird jedoch mitgeteilt in dem Ber.
der Petitionskomm. des Abg. H. v. 24. Juni 1862
(Drucks. des (neugewählten] Abg. H. 1862, Bd. II,
Nr. 57, S. 17 ff., u. Stenogr. Ber. 1862, Bd.
öV, S. 371 ff.).
5 Dies Zirk. Restr. ist gleichfalls nicht amtlich
veröffentlicht worden. Vgl. dasselbe in Koch,
Landrecht, zum Art. 14 der Verf. Urk.
* In einer nicht publizierten Kab. O. v. 25.
Febr. 1848 hat der König sich dahin ausge-
sprochen, „daß es bei Vollziehung des Ges. v.