Freiheit und Sicherheit der Person. (8. 57.) 203
VIII. Unzulässigkeit der Auslieferung.
Kein Reichsangehöriger darf einer fremden Regierung zum Zwecke strafrechtlicher
Verfolgung ausgeliefert werden (R. Str. G. B., S. 97.1
IX. Freie Wahl von Beruf und Gewerbe.
Die Verfassungsurkunde hat zwar nicht ausdrücklich, wie viele neuere deutsche
Verfassungsgesetze 2, den Grundsatz aufgenommen, daß jeder Staatsbürger in der freien
Wahl des Beruféstandes und Gewerbes völlig unbeschränkt sein solle; indes hat es dessen
auch nicht bedurft, weil dies Recht nichts anderes als ein Ausfluß des im Art. 5 der
Verfassungsurkunde gewährleisteten Rechtes der Freiheit der Person ist. Das Prinzip
ist übrigens bereits in dem §. 2 des Edikte v. 9. Okt. 18073 ausgesprochen, welches
bestimmt, „daß jeder Edelmann, ohne allen Nachteil seines Standes, befugt ist, bürger-
liches Gewerbe zu treiben?, und jeder Bürger oder Bauer berechtigt ist, aus dem
Bauern= in den Bürger= und aus dem Bürger= in den Bauernstand zu treten“. Ins-
besondere war auch bereits durch das Edikt v. 27. Okt. 1810 über die Finanzen des
Staates und die neuen Einrichtungen wegen der Abgaben usw.7, und durch das Edikt
v. 2. Nov. 1810 über die Einführung einer allgemeinen Gewerbesteuer das Prinzip
der Gewerbefreiheit verkündigt, welches demnächst durch die hierüber erlassene Gesetzgebung,
insbesondere durch die allgemeine Gewerbeordnung v. 17. Jan. 18457 im wesentlichen
durchgeführt worden war. Der Art. 3 der Reichsverfassung hat demnächst allen Reichs-
angehörigen in jedem Bundesstaate das Recht zum freien Gewerbebetriebe gewährleistet,
und dieser Grundsatz hat durch die Reichsgewerbeordnung v. 21. Juni 186910 die reichs-
gesetzliche Ausführung erhalten, indem die letztere (in §. 1) vorgeschrieben hat, daß
der Betrieb eines Gewerbes jedermann gestattet ist, soweit nicht durch die Gewerbe-
ordnung selbst Ausnahmen oder Beschränlungen vorgeschrieben oder zugelassen sind.
Solche Ausnahmen aber hat die Reichsgewerbeordnung nur im öffentlichen Interesse in-
1 S. zu VII u. VIII des Tertes G. Mener= solche, einzeln betrachtet, gewisse Rechte und
Anschütz, Lehrb. (6, S. 795: Laband, Rd. 1, Pflichten". Als Geburtestände unterscheidet das
S. 141; Zorn, St. R., Bd. l, S. 396. In inter- A. L. N., in Ubereinstimmung mit dem damaligen
essantem grundsätzlichen Gegensatz hierzu liesern ###meinen demschen Rechte s. Hüllmann, Ge-
England und die Vereinigten Staaten von Nord schichte des Ursprungs der Stände in Deutschland,
amerika ihre eigenen Staatsangehörigen aus, vgl. Teil III , den Adelestand Teil II, Tit. 9., den
über die ganze Materie v. Liszt, Völkerrecht; §.32: Bürgerstand (Teil II, Tit. 8# und den Bauern-
Ullmann, Bölkerrecht, S. 272—282 und bes. stand (Teil II, Tit. 7. Der Unterschied dieser
das große und erschöpfende Werk von v. Mar= drer Stände zeigte sich hauptsächlich im öffent-
titz, Rechtshilse im internaticnalen Verkehr, I. Bd. lichen Recht, jedoch auch im Privatrecht wirksam.
(1888,, II. Bd. (1897) In bezug auf die Verussstände, auf welche der
: Vgl. würnemberguche Verf. Urk., §. 29, Auedruck: „Bestimmung oder Lauptbeschäftigung“
hessen-darmstädtische, §. 36, koburgische, 8. 24, sich bezieht, unterscheidet dar A. L. R. gleichfalls
meiningisch. Giunrgesel, §. 8, kurhessisch., §. 27, noch verschiedene Stände, so den Arbeiterstand,
altenburgisch., §§. 38. Ed, sächsisch., §. 28 und welcher für die physischen Mittel der menschlichen
andere. Lebens sorgt, und den Stand dersenigen, welche
Vgl. Zachariä, D. St. u. B. R., 3. Aufl., für die geistigen Bedürfnisse wirksam sund, nament-
Dd. I. S. 461, v. Mohl, Württembergisches lich den Beamten-, vehr und Wehrstand. Auf
St. R., Bd. I. S. 400 ff. leden dieser Stände bezirben sich eigentümliche
* Mylius, N. C. C. Tom. XII, p. 251, Rabe, Rechteinstitme und Rechtenormen, welche teils dem
- I. Bd- IJ. S. Priratrichte, keile dem öffentlichen Recht ange-
Samml., vX 5. hören „A. L. RN., Teil II, Tit. 10— 12 u. N. In
5 Dies hatten die &§. 7.—79, A. L. R., beieff der bürgerlichen Nahrung und Gewerbe
Teil 11, Tit. 9 verboten, und nur für einige Källe war der Adel durch die Vorschriften der A. L. R.,
Auenahmen davon nachgelassen. " Teil II, Tit. 9, S 76— 7) und der Bauern-
* Auch dies war nach s. 2—7, A. L. R., siand durch die Vorschriften der A. L. R., Teil II,
Teil II, Tit. 7 nur bedingt zulässig. — Das A. Tit. 7, 88.2— 7 beschränkt. Diese Einschränkungen
v. R. bestimmt in den Ks. 6 und 7, Tit. 1, hat aler der §. 3 des Edikte v. 0. O kt. 1907
Teil I: „Personen, welchen vermöge ihrer Geburt, für aufgehoben erklärt.
Bestimmung oder Hauptbeschäftigung gleiche Rechte *7 G. S. 1810, S. 25 ff.
in der bürgerlichen Gesellschaft beigelrgt sind, * Cbendas., S. 0 f.
machen zusammen einen Stand des Staates aus. & (KG. S. 15 2 S. 41 ff.
Die Mitglieder eines seden Standes haben als 1° B. G. Bl. 1869, S. 245 ff.