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Das Staatsbürgerrecht.
G. 58.)
2. Eine zweite Beschränkung bezog sich auf die Erwerbsfähigkeit solcher Einwohner,
welche den ganzen Umfang ihrer Bürgerpflichten zu erfüllen, durch ihre Zugehörigkeit zu
bestimmten Religionsgemeinschaften, verhindert waren.
Der §. 1 (Abs. 2) des Edikts
v. 9. Okt. 1809 bestimmte, daß es in dieser Beziehung bei den betreffenden besonderen
Gesetzen sein Bewenden behalten solle.
Die gedachten Gesetze verordneten aber Be-
schränkungen in bezug auf den Erwerb unbeweglichen Eigentums seitens der Juden,
Mennoniten und Quäker.
a) Die Juden betreffend, so sind, was die vor Erlaß der Verfassungsurkunde
v. 31. Jan. 1850 das preußische Staatsgebiet bildenden Landesteile betrifft, die hin-
sichtlich derselben nach der früheren Gesetzgebung teilweise bestandenen Beschränkungen im
Erwerbe unbeweglichen Eigentums! schon durch den §. 1 des (für den ganzen damaligen
Umfang der Monarchie ergangenen! Gesetzes v. 23. Juli 1847 über die Verhältnisse
der Juden? aufgehoben worden.?
Die Verfassungsurkunde hat dies staatsgrundgesetzlich
1 Die Erwerbsfähigkeit der Juden war in dieser
Beziehung früher nach der Verschiedenheit ihrer
sonstigen bürgerlichen Stellung und ihres Wohn-
sitzes verschieden bestimmt. Rechtshistorisches für
die ältere Zeit s. in den Werken über deutsches
Privatr. von Gerber-Cosack, Stobbe, Gierke.
Die Entwicklung in Preußen im 19. Jahrhundert,
die, wenn auch heute im Sinne völliger Rechts-
gleichheit abgeschlossen, doch des rechts= und kultur-
geschichtlichen Interesses auch heute nicht ermangelt,
ist folgende: Nach dem Edikt v. 11. März 1812,
über die bürgerlichen Verhältnisse der Juden (G.
S. 1812, S. 17), welches indes nur in den zur Zeit
der Emanation desselben zum Preußischen Staate
gehörigen Territorien Gesetzeskraft erlangt hat, sind
die Juden, welche demzufolge das Staatsbürger-
recht erworben haben, gleich den christlichen Ein-
wohnern zum Ecwerbe von Grundstücken jeder
Art, welche in jenen Landesteilen belegen sind,
für befugt erklärt; wogegen sich diese Berechtigung
auf Grundstücke in den später hinzugekommenen
Territorien nicht erstrecken sollte (§§. 7 u. 11
a. a. O., Reskr. v. 31. Juli 1821, v. Kamptz,
Ann., Bd. V. S. 590, Reskr. v. 24. Aug., 3.
und 10. Nov. 1826, a. a. O., Bd. X, S. 1033,
Kab. O. v. 3. Aug. 1830, G. S. 1830,
S. 116). Im Großbher ogtum Posen sollten nach
der Verordnung v. 11. Juni 1333, 88. 20 und
25 (G. S. 1333, S. 66) nur dieienigen Juden
die unbedingte Befähigung zum Erwerb von un-
beweglichem Eigentum haben, welche von der
Staatsregierung mit einem Naturalisation spatente
versehen sind. In der Rheinprovinz und in
denjenigen Landesteilen, welche früher zum
Königreich Westfalen gehört haben, hatne die
französische Gesetzgebung jede Beschränkung der
Erwerbofähigkeit der Juden aufgehoben. Im
übrigen war durch die Kab. J. v. S. Aug.
1830, G. S., S. 116, angeordnet worden, daß
es in den neu= und wiedererworbenen Landes-
teiten bei den bioherigen über den (Gegenstand
dort geltenden Gesetzen bewenden solle. Demzu-
folge aber waren die IJuden 1. im Kul ner und
Michelauer Kreise und in der Stadt Thorn nebst
deren Gebiete, welche vormails zum Herzogium
Wurschau gehörten, zum Erwerbe von Landjitern
gänzlich untähig, zun Erwerbe städtischer Gennd-
stücke aber nur dann berech'inst, wenn sie den Bei-
sitz von 1000)) polnischen Gulden nuch veisen, der
deutschen, volnischen oder französischen S drach-
mächtig sind, ihre Kinder vom siebenten Jahre
ab zur Schule halten, sich keiner äußeren unter-
scheidenden Abzeichen bedienen und zu dem
Grundstücke sich ein christlicher Käufer nicht finder
(Dekrete v. 19. Nov. 1808 und 23. Febr. 1810
lin Laube, Gesetzessammlungs und Reskr. d. Min.
d. Inn. d. d. Warschau, den 13. April 1813).
2. Diejenigen Juden, welche vor Erlaß des G. v.
8. Aug. 1830 sich in der Stadt Danzig nieder-
gelassen haben oder ansässig gewesen, und für sich
und ihre Familien als mit dem Staatsbürger-
rechte versehen behandelt worden waren, sollten zum
Grunderwerb in Danzig befugt und berechtigt
sein, auch in die anderen Provinzen, in welchen
das Edikt v. 11. März 1812 gilt, überzusiedeln:
dagegen sollten die städtischen Behörden daselbst
befugt sein, anderen Juden, sie mögen das Staats-
bürgerrecht besitzen oder nicht, die Aufnahme zu
verweigern; Juden, die dasselbe nicht besaßen,
durften sie nur mit Einwilligung der Staatsbe-
hörde aufnehmen (Kab. O. v. 25. April 1332,
v. Kamptz, Jahrbuch, Bd. XIIV, S. 65).
3. In den vormals sächsischen Provinzen, sowie
in der Lausitz waren die Juden zum Erwerb von
Grundeigentum unfähig (uogl. v. Rönne und
Simon, Die Verhältnisse der Juden, S. 344,
351). 4. In den von Hessen -Darmstadt und
Nassau erworbenen Landesteilen, sowie in Neu-
Vorpommern und Rügen durften sie Grundeigen-
tum mit Genehmigung der Regierung, städtische
Grundstücke in den gedachten Ländern schon mit
Genehmigung der städtischen Verwaltungsbehörden
erwerben (a. a. O., S. 355, 353, 362). 5. Iu
betreff der Kreise Paderborn, Büren, Warburg
und Hörter hatte die Kab. O. v. 20. Sept.
1336 (G. S., S. 2481 bestimmt, daß Fuden
zum Erwerbe bäuerlicher Grundstücke nur unter
der Bedingung zuzulassen seien, daß sie diese
selbst und mit jüdischem Gesinde bewirtschusten.
Vll. die diesen Grundsatz modifizierende Kab. O.
v. 5. Jun. 1830 G. S., S. 73), desgl. v. Rönne
und Simon, a. a. O., S. 338 —389.
* (G. S. 1317, S. 263.
* Der §. I des Gesetzes bestimmt nämlich, daß
die Juden. vorausgesetzt, daß sie die Staatsan=
gehörigkeit besitzen, im ganzen Staate den christ-
lich'n Untertanen gleich gestellt sein sollen, inso-
weit nicht dies Gesetz selbst ausdrükkliche Aus-
nihnen muc#t, welch'es bezüglich des Erwerbes
von Grundeigentum nicht der Fal ist.