12 Das Staatsbürgerrecht. (8. 50.)
Staatsanwaltschaft nicht verneint. Die Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche
Arbeiten und für landwirtschaftliche Angelegenheiten gestatteten in dem Zirkularrestkr. v.
6. Okt. 18522 zwar die Zulassung jüdischer Feldmessereleven zur Feldmesserprüfung
und nach bestandenem Examen zur Vereidigung als Feldmesser, ordneten indes gleich-
zeitig an, daß denselben vor Erteilung der Prüfungsarbeiten zu eröffnen sei, daß durch
diese Prüfung und Vereidigung ein Anspruch auf Anstellung und Beschäftigung im
Staatsdienste nicht begründet werde und daß namentlich die Ablegung der Feldmesser-
prüfung nicht den Anfang zur Baubeamtenlaufbahn mache. Dieser Erlaß ist indes
später zurückgenommen worden.3 Aus Veranlassung der über diese ministeriellen Erlasse
erhobenen Beschwerden haben demnächst mehrfache Beratungen darüber im Hause der
Abgeordneten stattgefunden. Als im Jahre 1859 die betreffenden Petitionen zum ersten-
mal zur Verhandlung gelangten, ging die Staatsregierung noch von dem bisher von
ihr verteidigten Grundsatze aus, „daß die sogenannten grundrechtlichen Bestimmungen
der Verfassungsurkunde spezielle Gesetze nicht hätten aufheben können, vielmehr nur an-
zeigen sollen, welchen Gang die Gesetzgebung zu nehmen habe; daß zu diesen allgemeinen
Bestimmungen auch die Art. 4 und 12 gehörten, und daß daher bis zum Erlaß von
Ausführungsgesetzen das Gesetz v. 23. Juni 1847 noch in Kraft bestehe“. Inzwischen
stellte aber doch die Staatsregierung, nach Maßgabe eines Beschlusses des Abgeordneten-
hauses auf Uberweisung der Petitionen zur Berücksichtigung, eine anderweitige Erwägung
der Frage in Aussicht", und als im Jahre 1860 erneuerte Beschwerden zur aber-
maligen Beratung darüber Veranlassung gaben, erkannte nunmehr die Staatsregierung
als richtig an, „daß die in dem Gesetze v. 23. Juli 1847 verordneten Beschränkungen
hinsichtlich der Zulassung jüdischer Staatsangehörigen zu öffentlichen Amtern, als den
Art. 4 und 12 der Verfassungsurkunde zuwiderlaufend, durch die letztere, gemäß Art. 109,
unmittelbar außer Kraft gesetzt seien, soweit sie nicht anderweitig, wie namentlich im
Art. 14, eine verfassungsmäßige Begründung fänden“. 3 Zugleich wurde hierbei erklärt,
„daß die Beurteilung, wie unter Festhaltung dieses Prinzips die Anstellungsfähigkeit der
Juden bezüglich der einzelnen Kategorien von Amtern sich gestalte, zunächst den betreffen-
den Ressortministern überlassen geblieben sei“. Von seiten des Ministers des Innern
23. Juli 1847 nicht beabsichtigt worden sei, die in den Zirk. Reskr. der Min. der Just., der
Juden von dem Justizkommissariate auszu= geistl. usw. Angel. u. des Inn. v. 13. Nov. 1860
schließen“ (vgl. die Mitteilung des Justizmin. (M. Bl. d. i. Verw. 1861, S. 106) bestätigt.
Simons in der Sitz. des Abg. H. v. 23. März “ Vgl. den Ber. der Petitionskomm. des Abg. H.
1859, Stenogr. Ber. 1859, Bd. I, S. 482). v. 25. Febr. 1859 (Drucks. des Abg. H. 1859,
1 Das Zirk. Reskr. des Justizmin. v. 10. Juli Bd. II, Nr. 68, S. 25—28, u. Stenogr. Ber.
den Appellationsgerichten die Anweisung, bis auf Verhandl. darüber in der Plenarsitz. v. 23. März
weiteres die jüdischen Aspiranten, insofern sie nicht 1859 (Stenogr. Ber. des Abg. H. 1859, Bd. 1,
der Vollendung ihres akademischen Trienniums S. 474—494).
nahe wären, nicht mehr zur Prüfung für die * Demgemäß hat denn auch das Restr. der
Auskultatur zu verstatten, weil, ungeachtet des Min, der Just., der geistl. usw. Ang. und des Inn.
Zirk. Restr. v. 9. Okt. 1851, ein solcher Andrang v. 13. Nov. 1860 (M. Bl. d. i. Verw. 1861,
derselben stattgefunden habe, daß die Möglichkeit S. 16) ausgesprochen, „daß die Staatsregierung
ihrer Anstellung als Rechtsanwälte in weite Ferne in betreff. der Zulassung der Juden zu den öffent-
gerückt sei. Durch das Zirk. Reskr. des Justizmin. v. lichen Amtern üÜberhaupt, insbesondere zu den
21. Mai 1861 (J. M. Bl. 1861, S. 104) richterlichen, administrativen und Lehrämtern, so-
wurde indes diese Anweisung wieder zurückge= wie zu denen im Baufache, von dem Grundsatze
nommen und die Zulassung von Rechtskandidaten ausgehe, daß die Zugänglichkeit öffentlicher Amter
iüdischer Religion zur Prüfung für die Auekul-für jüdische Staatsangehörige nicht mehr nach
tatur und zur demnächstigen Beschäftigung bei den durch die Verf. Urk. aufgehobenen Bestim-
den Gerichten wieder gestattet. mungen im §. 2 des CGes. v. 23. Juli 1847, son-
: M. . d. i. Verw. S. 269 dern nur nach der Verf. Urk. selbst, namentlich
M. Il. d. 1. Verw., S. 269. nach den Art. 4, 12 u. 14 derselben, zu beur-
Die betr. Verfügung ist zwar nicht amtlich teilen sei. Denselben Grundsatz hat auch bereits
veröffentlicht, allein die Tatfache der Zurücknahme der Allerh. Erlaß v. 23. Mai 1860 ausgesprochen
ist von dem Handelemin. in der Petitionekomm. und es ist dessen Richtigkeit in der dem gedachten
des Abg. H. erklärt worden (ugl. den Ber. der Erlasse beigefügten Denkschrift näher entwickelt
Petitionskomm. v. 24. Juni 1862 in den Stenogr. worden #gl. M. Bl. d. i. Verw. 186010, S. 142
Ber. 1862, Bd. V, S. 372); auch wird dies! —145).