Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

G. 58.) 
schränkungen sich als rechtliche Folge der bundesgesetzlichen Aufhebung der Exemtion von 
selbst ergebe, ohne daß es dazu eines besonderen Gesetzes bedürfe; es sei daher sowohl 
die sogen. Mennonitensteuer, beziehungsweise die besondere Einkommensteuer der Mennoniten, 
als wegfallend zu erachten, als auch jede Beschränkung der Mennoniten in Ansehung des 
Erwerbes von Grundstücken und der Zulassung zu Staatsämtern für beseitigt anzusehen. 1 
Diese Ansicht muß auch, nachdem nunmehr die Befreiung der Mennoniten von der Wehr- 
pflicht definitiv aufgehoben worden ist, für richtig erachtet werden; denn die ausnahmsweise 
Besteuerung der Mennoniten, wie die Beschränkungen derselben im Erwerbe von Grund- 
eigentum, waren unzweifelhaft lediglich Korrelate der ihnen zugestandenen Befreiung von 
der Militärdienstpflicht, und mit der im Wege der Gesetzgebung erfolgten Aufhebung der 
letzteren müssen auch die dem beseitigten Rechte entsprechenden Lasten und Einschränkungen 
für beseitigt erachtet werden.? Dementsprechend hat demnächst auch das Gesetz v. 12. Juni 
1874, betreffend die Verhältnisse der Mennoniten 9, (in §. 2) die Vorschriften, nach 
welchen die Mennoniten zu persönlichen Abgaben oder Leistungen an evangelische oder 
katholische Kirchensysteme verpflichtet sind, beseitigt, und insbesondere das Edikt v. 30. Juli 
212 (Das Staatsbürgerrecht. 
1789, betreffend die Einrichtung des Mennonitenrechtes, ausdrücklich aufgehoben. 
3. Die Beschränkungen, welche in Beziehung auf Erwerb von Grundeigentum hin- 
sichtlich gewisser Beamtenklassen noch fortbestehen, sind folgende": 
  
1 Bei der Beratung des Staatshauzshaltsetats 
für 1868 hatte der Abgeordnete v. Hennig den 
Antrag gestellt, die Staatsregierung aufzufordern, 
die Mennonitensteuer außer Hebung zu lassen 
und einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen 
diese Steuer gesetzlich aufgehoben wird (Drucks. 
des Abg. H. 1867—68, Nr. 221, u. Stenogr. 
Ber. desselben 1867—68, Anl. Bd., Aktenst. Nr. 
221, S. 445). Als Motiv führte der Antrag- 
steller die Einführung der Militärdienstpflicht der 
Mennoniten durch das Bundesgesetz v. 9. Nov. 
1867 an, und die Staatsregierung, welche sich 
mit dem Wegfall der Steuer einverstanden er- 
klärte, sprach zugleich die Ansicht aus, daß es dazu 
eines besonderen Gesetzes nicht bedürfe, worauf 
bei der Vorberatung des Etats die einfache Ab- 
setzung in der Einnahme des Staatshaushalts- 
etats beschlossen wurde (Stenogr. Ber. des Abg. 
H. 1867—68, Bd. II, S. 1238—39, Sitzung v. 
28. Jan. 1868). Bei der Schlußberatung wurde 
von dem Abgeordneten v. Brauchitsch u. Gen. 
der Antrag gestellt, die Steuer nicht abensetzen, 
sondern nur als künftig wegfallend zu bezeichnen 
(Drucks. a. a. O., Nr. 245, u. Stenogr. Ber. 
a. a. O., Aktenst. Nr. 215, S. 490). Das Abg. 
H. verwarf indes diesen Antrag und hielt den 
Beschluß der Vorberatung aufrecht (Stenogr. Ber. 
a. a. O., Bd. III, S. 1580—84, Sitzung v. 
13. Febr. 1868). Auf diesen Beschluß nehmen die 
oben im Texte erwähnten min. Neskripte v. 5. Mai 
1868 Bezug. In der Sitzungsperiode 1868—69 
sind demnächst die Rechtsverhältnisse der Mennoni- 
tengemeinden in der Provinz Preußen anderweitig 
infolge einer Petition im Abg. H. zur Erörterung 
gelangt (vgl. den Bericht der Petitionskommission 
v. 28. Nov. 1868 in den Stenogr. Ber. des 
Abg. H. 1868—69, Anl. Bd. II, Aktenst. Nr. 66 
zu B, S. 620 ff.). Bei dieser Veranlassung 
wurde von dem Abg. H. anerkannt, daß die An- 
träge der Peienten auf Revision der betr. Gesetz- 
gebung zur Berücksichtigung geeignet und daher 
zu diesem Zwecke der Slaatsregierung zu über- 
weisen seien. insbesondere auch zu dem Zwecke, 
  
um eine anderweitige Regelung der kirchlichen 
und Schulabgaben und Lasten bezüglich der Men- 
noniten herbeizuführen (vgl. Sitzung v. 1. Febr. 
1869 in den Stenogr. Ber. des Abg. H. 1868 
—69, Bd. II, S. 1384—96). Dieser Beschluß 
wurde in der Sitzung des Abg. H. v. 22. Okt. 
1872 (Stenogr. Ber. 1871—172, Bd. III, S. 1601) 
auf den Antrag der Petitionskommission in deren 
Bericht v. 12. Febr. 1872 (Stenogr. Ber. a. a. O., 
Anl. Bd. II, Aktenst. Nr. 179 zu B, S. 1060) 
wiederholt. 
* Die Behauptung, daß die bisherige Be- 
freiung der Mennoniten auf „Spezialprivilegium“ 
beruhe (vgl. Reskr. des Min. d. Inn. v. 11. Juni 
1852, M. Bl. d. i. Verw. 1852, S. 16) ist nicht 
für begründet zu erachten (vgl. die überzeugende 
Ausführung in dem Bericht der Justizkommission 
des Abg. H. v. 10. Mai 1861 in den Stenogr. 
Ber. desselben 1861, Bd. VII, Anl. Nr. 194, 
S. 1512 ff., u. Drucks. 1861, Bd. VII, Nr. 215). 
Es ist aber auch auf die Frage kein Gewicht 
mehr zu legen, nachdem die gedachte Befreiung 
im Wege der Gesetzgebung aufgehoben worden 
ist, und zwar umsomehr, weil jene Befreiung 
im Widerspruche stand mit dem Grundgsatze des 
Art. 4 der Verf. Urk. von der Gleichheit aller 
Staatsbürger vor dem Gesetze, wie mit dem 
Grundsatze des Art. 34 a. a. O. von der allge- 
meinen Wehrpflichtigkeit aller Preußen. Auch 
kann der Ausführung jener Verfassungsbestim- 
mungen, welche die Gleichstellung der Mennoni- 
ten mit den übrigen Staatsbürgern in allen 
Rechten und Pflichten, namentlich auch hinsicht- 
lich der Wehrpflicht, erfordern, keineswegs das 
im Art. 12 der Verf. Urk. ausgesprochene Prinzip 
der Toleranz entgegengesetzt werden, zumal der 
dritte Satz dieses Artikels dies Prinzip selbst da- 
hin beschränkt, daß den bürgerlichen und staate. 
bürgerlichen Pflichten durch die Religionsübung 
kein Abbruch geschehen dürfe. 
* G. S. 1874, S. 238. 
“ Val. hierüber den Abschnitt von den Ver- 
pflichtungen der Staatsbeamten, Bd. 1I, S. 447 ff.
	        
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