Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetze. (8. 50.) 13
wurde außerdem die Zusicherung erteilt, daß fortan in dessen Ressort aus dem Religions-
bekenntnisse kein Grund mehr entnommen werden solle, Juden von der Anstellung aus-
zuschließen." Dagegen hielt der Justizminister an dem Grundsatze fest, daß Juden zu
Richterämtern nicht zuzulassen, „weil sie nicht imstande seien, alle ihnen als Richter
obliegenden Pflichten zu erfüllen, namentlich christliche Eide abzunehmen und an Sab-
baten und Feiertagen Arbeiten vorzunehmen“. Im Jahre 1861 erklärte der Justizminister
in der Kommission, „daß die Staatsregierung erneuerte Beratungen über die Frage habe
eintreten lassen, ob die Zulassung der Juden zum Richteramte mit der bestehenden Ge-
setzgebung vereinbar sei, welche indes noch nicht zum Abschluß gediehen seien“. 3 Im
Jahre 1862 hat der Gegenstand das Haus der Abgeordneten abermals beschäftigt. Was
das Ressort des Justizministers betrifft, so wurde nunmehr von diesem erklärt, „daß
jüdische Staatsbürger lediglich deshalb von den Richterämtern auszuschließen seien, weil
fie als Richter in die Lage kommen könnten, christliche Eide abzunehmen, zu welcher
Funktion sie nicht befähigt seien, aus welchem Grunde sie daher zum Richteramte über-
haupt nicht befähigt seien, weshalb ihnen der Art. 4 der Verfassungsurkunde entgegen-
stehe“. ' Somit war nunmehr die Frage, ob Juden zu richterlichen Amtern zuzulassen
find, auf die Frage zurückgeführt, ob sie für befähigt zu erachten sind, christliche Eide
abzunehmen. Das Haus der Abgeordneten schloß sich der von dem Justizminister aus-
gesprochenen Ansicht, welche den Juden diese Befähigung abspricht, nicht an, sondern be-
schloß wiederholt, „die Staatsregierung zur Abhülfe der verfassungswidrigen Beschrän-
kung der Anstellungsfähigkeit der Juden im Ressort der Justiz aufzufordern“.3 Das-
selbe machte gegen die Ansicht des Justizministers geltend, daß der Eid keine mit der
Religionsübung im Zusammenhange stehende Einrichtung des Staates, auf welche der
Art. 14 der Verfassungsurkunde bezogen werden könnte, sei; denn wäre er dies, so
1 Das Zirk. Reskr. der Min. des Inn. und
der Finanz. v. 6. Okt. 1851 hatte die Behörden
angewiesen, Juden niemals ohne Genehmigung
der Min. anzustellen, und das Zirk. Reskr. der-
selben Min. v. 4. Febr. 1856 (M. Bl. d. i. Verw.
1856, S. 57) hatte, unter Bezugnahme hierauf,
bestimmt, daß bei Juden zwar die Religion
kein Hindernis zur Aufnahme als Zidvilsuper-
numerarien bei den Verwaltungsbehörden sein,
daß ihre Anstellung als solche indes nicht ohne
Genehmigung der Min. solle erfolgen dürfen.
Das Haus der Abgeordneten hat demnächst, in-
folge der im Texte gedachten Erklärung des Min.
des Inn., angenommen, daß dadurch auch das
Zirk. Reskr. v. G. Okt. 1851 für beseitigt zu erachten
sei ogl. den Ber. der Petitionskomm. des Abg. H.
v. 24. Juni 1862, in den Stenogr. Ber. 1862,
Bd. V. S. 372).
: Vgl. den Ber. der Petitionskomm. des Abg. H.
v. 22. März 1860 (Drucks. des Abg. H. 1860,
Bd. IV, Nr. 160, S. 1—5, und Stenogr. Ber.
1860, Bd. IV, S. 729—/730) und die Verhandl.
darüber in den Plenarsitz. v. 24. u. 25. April
1860 (Stenogr. Ber. des Abg. H. 1860, Bd. II,
S. 851—865, 867—893), welche abermals zu
dem Beschlusse führten, die Petitionen der Staats-
regierung zur Berücksichtigung zu überweisen.
* VUgl. den Ber. der Petitionskomm. des Abg. H.
v. 17. Mai 1861 (Drucks. des Abg. H. 1861, Bd.
VII. Nr. 219, S. 1—8, u. Stenogr. Ber. 1861,
Bd. VII, S. 1577—80). Der Justizmin, sicherte
hierbei zugleich die Aufhebung des Zirk. Restkr. v.
10. Juni 1857 zu, welche demnächst auch durch
das Zirk. Reskr. v. 21. Mai 1861 erfolgte.
in der Plenarsitz. des Abg. H. v. 1. Juli 1862
abgegebene Erklärung in den Stenogr. Ber. 1862,
Bd. I, S. 450—451, und die Erklärung des
Kommissarius des Justizmin. in der Petitions-
komm. des Abg. H. (vgl. den Ber. v. 24. Juni 1862,
in den Stenogr. Ber. 1862, Bd. V, S. 373),
daß die Zirk. Verf. des Justizmin. v. 9. Okt.
1851 aufrecht erhalten und eine Verfassungs-
widrigkeit derselben nicht anerkannt werde und
namentlich nicht aus dem Art. 12 der Verf. Urk.
efolgert werden könne. — Die früher (von dem
Fustmin. Simonsy) außerdem noch aus dem
Art. 14 der Verf. Urk. und aus der Verhinde-
rung der Juden an Sabbat= und Feiertagen
entnommenen Gründe wurden jetzt nicht weiter
aufrecht erhalten.
5 Vgl. die Stenogr. Ber. über die Sitz. v.
1. Juli 1862, Bd. I, S. 442—454, und den
Ber. der Petitionskomm. v. 24. Juni 1862 in den
Drucks. des Abg. H. 1862, VI. Legisl. Per., Bd.
II, Nr. 57, S. 17—28, und in den Stenogr.
Ber. 1862, Bd. V, S. 371—375; vgl. ferner
den Ber. der Petitionskomm. v. 22. Mai 1865 in
den Drucks. des Abg. H. 1865, Bd. V, Nr. 210,
S. 38—41 u. Stenogr. Ber. 1865, Bd. VIII,
Aktenst. Nr. 167, suh H, S. 1838, und die
Verhandl. in der Plenarsitz. v. 17. Juni 1865
in den Stenogr. Ber. 1865, Bd. III, S. 2242
—2243; den Ber. der Petitionskomm. v. 21. Dez.
1866 in den Drucks. des Abg. H. 1866—67, Nr.
143, sub A und in den Stenogr. Ber. 1866, Anl.
Bd. II, Aktenst. Nr. 143, S. 681—694, und die
Verhandl. darüber in der Plenarsitz. v. 12. Jan.
1867, in den Stenogr. Ber. 1866—67, Bd. III,
* Vgl. die von dem Justizmin. Gr. zur LVippe S. 1449—65.