Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Freiheit und Sicherheit des Eigentums. (§. 58.) 225 
Regierungspräsident zu geben. 1 Gegen den Beschluß des Bezirksausschusses steht jedem 
Beteiligten binnen 2 Wochen die Beschwerde an den Minister der öffentlichen Arbeiten 
zu. Für Berlin entscheidet in erster Instanz die I. Abteilung des Polizeipräsidiums.? 
2. Unzweifelhaft hat nur der Staat die Befugnis zur Erteilung des Enteignungs- 
rechtes; es kann aber sowohl der Staat, als eine Körperschaft im Staate (Provinz, 
Kreis, Gemeinde), als auch eine Privatkorporation, beziehungsweise eine einzelne Privat- 
person der „Unternehmer“ (Expropriant) sein. Nach der Auffassung des Gesetzes vom 
11. Juni 1874 ist in denjenigen Fällen, wo eine Körperschaft oder eine Privatperson 
als Unternehmer auftritt, diese als Inhaber des Enteignungsrechtes anzusehen. Das 
Enteignungsrecht ist aber seiner Natur nach immer ein vom Staat kraft 
seiner Staatshoheit verliehenes Privileg, das als solches streng an die Person 
gebunden ist.* Die Motive zum §. 2 des Entwurfes des Gesetzes" bemerken in dieser 
Beziehung, daß das Recht, Zwangsabtretungen zum allgemeinen Wohle zu fordern, zwar 
nach §§. 74 und 75 der Einleitung zum Allgem. Landrechte, §. 4, Tit. 11, Teil I, u. 
§. 29, Tit. 8, Teil I des Allgem. Landrechtes ein Vorrecht des Staates sei, jedoch nach 
§. 30, Tit. 8, Teil I a. a. O. und der Entscheidung des Obertribunals v. 7. Jan. 18315 
auch an Privatpersonen abgetreten werden könne; dieser Grundsatz habe seine Anerkennung 
durch das Eisenbahngesetz v. 3. Nov. 1838 gefunden und ebenso in dem, in dem 
Bezirke des Appellationsgerichtshofes zu Cöln geltenden Gesetze v. 16. Sept. 1807, be- 
treffend die Austrocknung der Sümpfe; da mithin der Staat nicht immer als der Unter- 
nehmer erscheine, der Umfang, in welchem das Recht ausgeübt werden kann, aber von der 
Art des Unternehmens abhänge, und da es für die beteiligten Grundbesitzer wichtig sei, 
sowohl den Unternehmer, als den Zweck zu kennen, zu welchem das Privateigentum in 
Anspruch genommen wird, so sei es notwendig, sowohl den Unternehmer, als das Unter- 
nehmen in der Expropriationsverordnung zu bezeichnen. Dies ist daher in §. 2, Abs. 1 
des Gesetzes vorgeschrieben worden. Demzufolge bestimmt denn auch §. 44, daß mit 
Zustellung des Enteignungsbeschlusses an Eigentümer und Unternehmer das Eigentum des 
enteigneten Grundstückes auf den Unternehmer übergeht.“ 
3. Einen besonderen Vorbehalt grundsätzlicher Art machen die §§. 16 u. 17 des 
Gesetzes. Danach kann nach Maßgabe der vorläufigen Planfeststellung gemäß §. 15 
(s. S. 227 f.) eine Einigung zwischen den Beteiligten, sei es zu Überlassung 
des Besitzes, sei es zu sofortiger Abtretung des Eigentumes, stattfinden, die die formelle 
Enteignung ganz überflüssig, oder nur für Feststellung der Entschädigung oder Regelung 
der Rechte Dritter erforderlich macht; die freiwillige Abtretung geschieht in diesen Fällen 
nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften über Veräußerung von Grundeigentum; die 
Wirkungen sind auch in diesem Falle die vollen, in §. 45 — s. S. 229 a. E. — fest- 
gestellten Wirkungen der Enteignung, nur mit eventuellem Vorbehalt des Rechtsweges für 
Hypotheken= und Grundschuldgläubiger sowie Realberechtigte (§. 46).7 
4. Was die Entschädigung des Expropriaten betrifft, so liegt dieselbe lediglich 
dem Unternehmer, d. i. der mit dem Enteignungsrecht auegestatteten Person ob und ist 
in Geld zu gewähren, sofern nicht in Spezialgesetzen eine Entschädigung in Grund 
  
1 Vgl. v. Brauchitsch, Verw. G., IV, S. 384, 1 Staat Subjekt des Enteignungsrechtes sein könne 
Nr. 12; Eger, I, 43 f., 57 ff. voder auch Korporationen, ja Privatpersonen, ist 
: Z. G. §§. 150, 157; L. V. G. §. 51. ein Wortstreit: grundsätzlich kann zweifellos nur 
* Eger, I. S. 51; F. Endemann, Bürg. der Staat den verfassungsmäßigen Grundsatz der 
R., II, §S. 75. Über den Staat, die Selbstver- Unverletzlichkeit des Eigentums durchbrechen; aber 
waltungskörper als Exproprianten sehr gut ebenso zweifellos kann er dies zugunsten von 
Layer a. a. O., S. 307—318; Otto Mayer,] Korporationen und Privaten tun, vgl. zu der 
Berw. R., II, 16. Frage G. Meyer, Verw. N., 1, S. 284, N. 9 
4 Vgl. Stenogr. Ber. des H. H. 1868—69, und die dort zitierte Literatur; auch Eger, 
Bd. II, Aktenst. Nr. 10, S. 70, und Stenogr., S. 4 ff., 49 ff. in zutreffender Kritik der Motive 
Ber. des Abg. H. 1871—72, Anl. Bd. I, Aktenst. zum Enteignungsgesetz. 
Nr. 6, S. 58. » Vgl. Eger, II, S. 31 f., 235 f., 493 ff. 
* Vgl. in Simons und v. Strampffs *Dies ist durch einzelne partikuläre Wege- 
Rechtesfpr., Bd. III, S. 224 ff. bangesene geschehen, vgl. v. Brauchitsch, IV, 
  
* Der Streit über die Frage, ob nur der S. 386, N. 19; Eger, I, S. 120 f. 
v. Rönne-Zorn, Preuß. Staatsrecht. 5. Aufl. II. 15
	        
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