226 Das Staatsbürgerrecht. (8. 58.)
und Boden vorgeschrieben ist (8. 7).1 Eine subsidiäre Entschädigungspflicht des Staates,
die früher vielfach angenommen wurde, besteht nicht.? Die Entschädigung für die Ab-
tretung des Grundeigentums besteht in dem vollen Werte des abzutretenden Grundstückes,
einschließlich der enteigneten Zubehörungen und Früchte; wenn aber nur ein Teil des
Grundbesitzes desselben Eigentltmers in Anspruch genommen wird, so umfaßt die Ent-
schädigung zugleich den Mehrwert, welchen der abzutretende Teil durch seinen örtlichen
oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Ganzen hat, sowie den Minderwert, welcher
für den übrigen Grundbesitz durch die Abtretung entsteht (§. 8).3 Wenn nur ein Teil
eines Grundstückes in Anspruch genommen wird, kann der Eigentimer verlangen, daß
der Unternehmer das Ganze gegen Entschüdigung übernimmt, sobald das Grundstück
durch die Abtretung so zerstückelt werden würde, daß das Restgrundstück nach seiner bis-
herigen Bestimmung nicht mehr zweckmäßig benutzt werden könnte. Trifft die geminderte
Benutzbarkeit nur bestimmte Teile des Restgrundstückes, so beschränkt sich die Pflicht zur
Mitübernahme auch nur auf diese Teile, wogegen diese Pflicht bei Gebänden, welche
teilweise in Anspruch genommen werden, jedenfalls das ganze Gebäude umfaßt (§. 9).“
Bei der Abschätzung des Wertes des abzutretenden Grundstückes soll im allgemeinen ein
objektiver Maßstab zugrunde gelegt werden. Die bisherige Benutzungsart kann daher
hierbei nur bis zu demjenigen Geldbetrage Berücksichtigung finden, welcher erforderlich ist,
damit der Eigentümer ein anderes Grundstück in derselben Weise und mit gleichem Er-
trage benutzen kann, und eine Werterhöhung, welche das abzutretende Grundstück erst in-
folge der neuen Anlage erhält, kommt bei der Bemessung der Entschädigung nicht in An-
schlag (§. 100.5 Andererseits ist aber für die Entschädigungspflicht grundsätzlich anzu-
erkennen, daß dem Expropriaten derjenige Wert zu ersetzen ist, den das
Grundstück gerade für ihn hat.“ Für Beschränkungen (88. 2, 4) ist die Ent-
schädigung nach denselben Grundsätzen zu bestimmen, wie für die Entziehung des
Grundeigentums (§. 12).* Für solche Anlagen, welche lediglich in der Absicht ge-
macht werden, eine höhere Entschädigung zu erzielen, braucht der Unternehmer keinen
Ersatz zu leisten (§. 13).7
Neben der Entschädigungspflicht wird dem Unternehmer durch §. 14 des Ge-
setzes noch eine weitere Verbindlichkeit auferlegt. Er ist nämlich zur Einrichtung der-
jenigen Anlagen an Wegen, Überfahrten, Triften, Einfriedigungen, Bewässerungs= und
Vorflutsanstalten usw. verpflichtet, welche für die benachbarten Grundstücke oder im
öffentlichen Interesse zur Sicherung gegen Gefahren und Nachteile notwendig werden,
und auch die Unterhaltung dieser Anlagen liegt ihm ob, insoweit dieselbe über den Um-
fang der bestehenden Verpflichtungen zur Unterhaltung vorhandener, demselben Zwecke
dienender Anlagen hinausgeht. Die Entscheidung über derartige besondere Obliegenheiten
des Unternehmers hat der Bezirksausschuß i im Beschlußverfahren zu treffen (§. 14, Abs. 2),
sei es auf Antrag, sei es aus eigenem Ermessen von Amts wegen; der S. 14 trägt
durchaus polizeilichen Charakter, demgemäß sind die Gerichte an seiner Durchführung in
keiner Weise beteiligt; die Beschwerde geht an den Minister der öffentlichen Arbeiten. 1
1 Eger, 1, S. 110 ff. Anderer Ansicht besonders Eger, I, S. 139 f.
*Eger, I. S. 112 ff., bes. auch über die in aneführlicher Darstellung (S. 121—2731.
konsequente Judikatur des Reichsgerichts in diesem Ubereinstimmend G. Meyer, Verw. R., I, S. 284,
Punkte. Über Wesen und jur. Natur, Mastab und bei Stengel, Wörterb., I. S. 357. Anderer An-
Umfang der Entschadigung Layer, S.449—521. sicht ferner das Reichsgrricht in mehrfachen, bei
3 Eger, I1, S. 121 ff. v. Brauchitsch, IV, S. 387 unter d zitierten
Eger, I, S. 273 ff. Entscheidungen, sowie die meisten Kommentatoren,
* Eger, 1, S. 316 ff. s. Eger, I, S. 123 ff.; vgl. auch B. G. B., §.249 ff.
*S. auch die Betrachtungen von Selbach Neuerdings nähert sich das Reichsgericht dem Stand.
über die Entschädigungen, die auf Grund des punkt des Textes; vgl. dazu Eger, l, 135 ff.
heutigen Standes der Gesetzgebung und Recht- »Eger, l, S S. 410 ff.
sprechung für zu Straßen oder Pläuen enteignetes ° Eger, I, S. 163 ff.
Land gewährt werden und einige Vorschläge auf 1° Vgl. hierzu Näheres bei v. Brauchitsch,
Ergänzung der Bestimmungen „Von der Ent= V, S. 391 ff., sowie die Kommentare, besonders
schädigung" im Enteignungagesetze v. 11. Juni Eger, I, 178 ff.; II, 149 ff. und die hier
1874, Pr. Verw. Bl., Bd. XXV (1904), S. 263 ff. Fzitierten zahlreichen Entsch. des R. G. und des