Freiheit und Sicherheit des Eigentums. (8. 58.)
Auch dritte Personen, denen Rechte an der enteigneten Sache zustehen, sind entschädigungs-
berechtigt für den ihnen durch die Enteignung zugefügten Schaden, sei es selbständig, sei
es aus der dem Eigentiümer zugesprochenen Entschädigungssumme (§. 10).1 Die Fest-
stellung des zu leistenden Ersatzes hat jedenfalls für diese dritten Personen gesondert zu
erfolgen (§. 11 am Schlusse).
5. Was das Verfahren in Enteignungsangelegenheiten betrifft, so erteilt der
Bezirksausschuß die Erlaubnis zur Vornahme von Vorarbeiten. Der dem Eigentümer
dadurch erwachsende Schaden ist ihm zu vergüten, und es kann der Bezirksausschuß
nach Ermessen, und muß auf Verlangen eines Beteiligten den Unternehmer zu diesem
Zwecke zur Bestellung einer Kaution anhalten. Die Gestattung der Vorarbeiten wird
im Amtsblatte bekannt gemacht; der Unternehmer hat außerdem den betreffenden Orts
vorstand davon in Kenntnis zu setzen, welcher seinerseits wieder die beteiligten Grund-
besitzer speziell oder in ortsüblicher Weise generell benachrichtigt. Der Ortsvorstand kann
dem Unternehmer einen Taxator zur Seite stellen, welcher vorkommende Beschädigungen
sogleich feststellt und abschätzt. Der abgeschätzte Schaden ist, vorbehaltlich dessen ander-
weiter Feststellung im Rechtswege, den Beteiligten sofort auszuzahlen, widrigenfalls der
Ortsvorstand auf den Antrag des Beteiligten die Fortsetzung der Vorarbeiten zu hindern
verpflichtet ist. Zum Betreten von Gebäuden und eingefriedigten Hof= und Garten-
räumen bedarf der Unternehmer, insoweit dazu der Grundbesitzer seine Einwilligung nicht
ausdrücklich erteilt, einer besonderen Erlaubnis der Ortspolizeibehörde. Eine Zerstörung von
Baulichkeiten jeder Art, sowie ein Fällen von Bäumen ist nur mit besonderer Gestattung
des Bezirksausschusses zulässig (§. 5 des Enteignungsgesetzes m. §§. 150, 157 d. Z. G.).5
Das eigentliche Enteignungsverfahren", von welchem der dritte Titel des Gesetzes
(§§. 15—43) handelt, zerfällt in drei Teile, nämlich die Bestimmung der Gegenstände
der Enteignung (Planfeststellung), die Feststellung der Entschädigung und die Vollziehung
der Enteignung.
a) Das BVerfahren beginnt mit der Aufstellung eines vorläufigen Planes, welcher
von derjenigen Behörde zu prüfen und festzustellen ist, welche dazu nach den für die
verschiedenen Arten der Unternehmungen bestehenden Gesetzen berufen ist. Die berufenen
Behörden sind hierfür nach näherer Maßgabe des Enteignungsgesetzes die Regierungs-
präsidenten; für Eisenbahnunternehmungen (Haupt= und Nebeneisenbahnen: erfolgt die
vorläufige Feststellung durch den Minister der öffentlichen Arbeiten? (§. 15). Erfolgt hierauf
nicht eine gütliche Einigung der Beteiligten gemäß §§. 16, 177, so beginnt das Ver-
fahren zur definitiven Planfeststellung auf Antrag des Unternehmers, welcher eventuell
zur Stellung des Antrages sowohl vom Expropriaten als vom Staate, sei es im Ver-
waltungs-, sei es im Rechtswege, gezwungen werden kanns (§F. 18, Abs. 1); das Ver-
fahren ist vom Regierungspräsidenten — für Berlin vom Polizeipräsidenten — einzuleiten
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O. V. G.; die Zuständigkeit des letzteren ergibt
sich aus dem öffentlich -rechtlichen — polizei-
lichen — Charakter der Vorschrift; übereinstim-
mend über die Unzulässigkeit des Rechtsweges
R. G., O. V. G. und Ger. H. z. Entsch. d. Komp.
Konfl.; vgl. jedoch bezüglich des letzteren Eger,
I. S. 504X f.
1 Vgl. Eger, 1I, S. 355 ff.:; II, 271 ff.; G.
Meyer bei Stengel, l, S. 357 (Lehns= und
Fideikommißanwärter, Pfandgläubiger, Servitut-
besitzer, Pächter, Mieter).
2 Eger, 1, S. 355 ff. in sehr ausführlicher
Darstellung: die Rechte der Realberechtigten sind
dem Eigentum gegenüber selbständige Nechte und
als solche auch für die Entschadigung selbständig
zu behandeln; darüber herrscht heute Ubereinstim-
mung in Theorie und Rechtsprechung, s. Eger,
I. S. 368; II, 272 ff.
: Eger, I, S. 82 ff. Für Berlin ist die
I. Abt. d. Polizeipräs. zuständig.
* Uber die Enrwicklung der Grundgedanken
des Gesetzes inbetreff des Verfahrens, insbeson-
dere die Verbindung von richterlicher und Ver-
waltungstätigkeit vgl. Eger, II, S.1 ff. Gierke,
D. Priv. R. II, S. 472 rechtfertigt den Stand-
punkt des preuß. Gesetzes aus der „Verbindung
öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Bestand-
teile“ bei der Enteignung. Über das Verfahren
S. 492 ff.
5 Mit dem Vorbehalt von §. 15, Abs. 2 nach
Z. G. §. 150, für Berlin der Polizeipräsident,
L. V. G. §. 42; vgl. auch die Ministerialerlasse v.
8. Jan. und 2. Nov. 1878 (M. Bl. d. i. Verw.
1878, 19; 1879, 38):; Eger, I, S. 30.
*G. v. 3. Nov. 1838, 8§. 4, 14; Eger, U,
Z. 21.
* Vgl. zu diesen Paragraphen Eger, U,
S. 31 ff., 58 ff., 75.
* Vgl. Eger, II, S. 73 ff. über diese teil-
weise sehr bestrittene Materie.
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