232 Das Staatsbürgerrecht. (8. 58.)
IV. Die Vorschriften des Gesetzes v. 11. Juni 1874 finden übrigens nicht auf
alle Fälle der Enteignung von Grundeigentum Anwendung; vielmehr bestimmt der 8. 54
des Gesetzes, daß dasselbe keine Anwendung findet:! a) „auf die in besonderen Gesetzen
oder im Gewohnheitsrechte? begründete Entziehung oder Beschränkung des Grundeigen-
tums im Interesse der Landeskultur, als: bei Regulierung gutsherrlicher und bäuerlicher
Verhältnisse, bei Ablösung von Reallasten, Gemeinheitsteilungen 2, Vorflutsangelegenheiten,
Entwässerungs= und Bewässerungsangelegenheiten, Benutzung von Privatflüssen, Deich-
angelegenheiten, Wiesen= und Waldgenoss enschaftsangelegenheiten und b) auf die Ent-
ziehung und Beschränkung des Grundeigentums im Interesse des Bergbaues und der
Landestriangulation“.
Was die hiernach den Bestimmungen des Gesetzes v. 11. Juni 1874 nicht unter-
liegenden Enteignungen betrifft, so bestehen teils Vorschriften für den ganzen Umfang der
Monarchie, teils solche für die einzelnen Landesteile.
1. Die Vorfluts= und die Entwässerungsangelegenheiten betreffend, so sind
für diejenigen Landesteile, in welchen das allgemeine Landrecht Geltung hat, die in dem
Gesetze wegen des Wasserstauens bei Mühlen und Verschaffung der Vorflut v. 15. Nov.
1811“ und in dem Gesetze v. 23. Jan. 1846, betreffend das für Entwässerungsanlagen
einzuführende Aufgebots= und Präklusionsverfahren enthaltenen Vorschriften maßgebend.
Für den Bezirk des Appellationsgerichtshofes (jetzt Oberlandesgerichts zu Cöln und des
vormaligen Justizsenats zu Ehrenbreitstein (Ostrhein), sowie für die Hohenzollernschen
Lande kommen die Vorschriften des Gesetzes v. 14. Juni 1859 wegen Verschaffung der
Vorflut“, sowie des durch dies Gesetz auch auf die gedachten Landesteile für anwendbar
erklärten Gesetzes v. 23. Jan. 1846 zur Anwendung, und für Neuvorpommern und
Rügen die Vorschriften des Vorflutsgesetzes v. 9. Febr. 1867.7 Bezüglich der Be-
wässerungsangelegenheiten sind die zur Anwendung kommenden Vorschriften in dem für
den ganzen damaligen Umfang der Monarchie, mit Ausnahme des Bezirkes des Ober-
landesgerichtes zu Cöln, erlassenen Gesetze v. 28. Febr. 1843 über die Benuuung der
Privatflüsse, welches durch die Verordnung v. J. Jan. 18457 auch in dem letztgedachten
Bezirke eingeführt worden ist, enthalten; 10 dazu ferner das Gesetz v. 1. April 1879
über die Bildung von Wassergenossenschaften.! Für die Provinz Hannover sind die
Bestimmungen des Gesetzes v. 22. Aug. 1847 über Ent= und Bewässerung der Grund-
stücke, sowie über Stauanlagen!2, und für das vormalige Kurfürstentum Hessen die-
jenigen des Gesetzes v. 28. Okt. 1834, betreffend die Beseitigung mehrerer der Ver-
besserung des Acker= und Wiesenbaues entgegenstehenden Hindernisse 13, und des Gesetzes
v. 17. Dez. 1857, betreffend die Ausführung von Entwässerungsanlagen mittels unter-
irdischer Röhren (Drains) 1 maßgebend. Im Kreise Herzogtum Lauenburg behält es,
Eger, -d. II, S. 465 ff. Das Stempel St. 5 G. S. 1846, S. 26.
G. v. 31. Juli 186 hat hieran nichtd geändert. * G. S. 1859, S. 325.
1 Vgl. Eger. Bd. 1. S. 9 ff.; Bd. lII, S. 556 ff. 7 G. S. 1867, S. 220.
* Uber den Grund, werhalb hier außer auf * G. S. 1343, S. 41.
S. 1845, S. 35.
die in besonderen Gesetzen auch auf die „im Ge- ?* G.
wohnheitsrechte“ begründeten Beschränkungen des 10 DTurch das G. v. 11. Mai 1853 G. S.
Grundeigentums im Interesse der Landeskultur 1853, S. 182, ist der Abschnitt III des G. v.
Bezug genommen ist, bemertie der Kommissar des 28. Febr. 1843 auch auf die Hohenzolleruschen
Justizministers, „daß dieser Zusatnz mit spezieller] Landesteile ausgedehnt und zugleich bestimmt wor-
Rücksicht auf die Provinz Schleswig Holstein habe den, daß die Vorschriften des G. v. 23. Febr.
gemacht werden müssen, woselbst allein derartige 183, welche die Bildung von Genossenschaften
Gewohnheitsrechte noch in Kraft seien". Vgl. den zu Bewässerungeoanlagen betreffen, auch auf Ge-
Kommissiondbericht des Abg. H. v. 29. Jan. 1870 in nossenschaften zu Entwässerungsanlagen auege-
den Stenogr. Ber. 1869 —70, Anl. Bd. 11I. Aktenst. d hut werden, sowie daß die Vorschriften über
Nr. 304, S. 1353, zum §. 44 des Eutwurfs. Anlegung von Emwässerungskanälen durch fremde
Die Regulierungen der gutsberrlich bäuer= Grunostücte auch auf unterirdische Wasserablei-
lichen Verhältmsse, die Ablofungen. Gemein= tungen Anwendung finden.
heitstellungen und Verkopvelungen sind überhaupt 6 11 G. S. 1379, S. 279.
keine Frnteiguhugen im techuuchen Sinne, vgl. 12 (S. S. für Hannover 1847, Abt. I, S. 263.
Eger, Bd. II, 5% s 13(K.Z.fiirKnrliesscnle4,S.156.
G. S. 1811, S. 352. # 1 Ebendas. 1357, S. 51.