Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Freiheit und Sicherheit des Eigentums. (§. 58.) 239 
Eigentümer zur willkürlichen Vergrößerung oder Verkleinerung seines Grundeigentums 
berechtigt sein solle (F§. 1). Das gleichzeitig erlassene Edikt, betreffend die Regu- 
lierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse!, gewährte den lassitischen 
bäuerlichen Wirten, d. i. denjenigen, die nicht Eigentum, sondern nur dauerndes Nutzungs- 
recht hatten, einen Rechtsanspruch auf Verleihung des Eigentums der in ihrem Besitze 
befindlichen Grundstücke gegen Entschädigung an die Gutsherren. Später folgende Gesetze 
gestatteten die Ablösung der Dienste, grundherrlichen Abgaben und anderer Prästationen 
auch von den bereits zu Eigentum, Erbpacht und Erbzins besessenen Grundstücken, und 
eröffneten den Weg zur Aufhebung der landeskulturschädlichen Servituten und Gemein- 
heiten. Allein die spätere Gesetzgebung verließ mehrfach diese Bahn konsequenten Fort- 
schrittes. Die Deklaration v. 29. Mai 18162 und spätere Verordnungen modifizierten 
in vielen Beziehungen das Regulierungsedikt v. 14. Sept. 1811, und namentlich wurde 
der Anspruch auf Verleihung des Eigentums an lassitischen Grundstücken auf größere 
bäuerliche Stellen, die ihren Inhaber selbständig ernähren konnten, beschränkt. Auch die 
Ablösung der Dienste von kleinen eigentümlich besessenen Stellen blieb in den meisten 
Landesteilen ausgeschlossen und ward erst in neuerer Zeit in einigen Provinzen (Sachsen, 
Schlesien) zugelassen. Ebenso blieben noch manche Abgaben und Leistungen, welche den 
freien Verkehr mit dem Grundeigentume beschränkten, unablöslich.) Das Gesetz vom 
31. Jan. 1845 (G. S. 93) gestattete sogar die vertragsmäßige Ausschließung der Ab- 
lösung. Die Gesetzgebung über diesen Gegenstand seit 1848, besonders auch infolge 
der in den Grundrechten der Frankfurter Reichsverfassung §§. 166—168 enthaltenen 
Bestimmungen, hat indes dahin geführt, die noch übrig gebliebenen, der freien Entwicklung 
der Landwirtschaft schädlichen Uberreste des gutsherrlich -bäuerlichen Verhältnisses zu be- 
seitigen, und die Verfassungsurkunde hatte im Art. 42 in dessen ursprünglicher Fassung 
staatsgrundgesetzlich das Recht der freien Verfügung über das Grundeigentum festgestellt, 
die Teilbarkeit dieses Eigentums und die Ablösbarkeit der Grundlasten gewährleistet, zu- 
gleich aber auch die unentgeltliche Aufhebung der gutsherrlichen Gerichtsbarkeit und Polizei, 
überhaupt der obrigkeitlichen Gewalt der Gutsherren und der aus der Schutzherrlichkeit, der 
früheren Erbuntertänigkeit, der früheren Steuer= und Gewerbeverfassung herstammenden 
Verpflichtungen ausdrücklich ausgesprochen.“ In denjenigen Landesteilen, welche in der 
Revolutionsperiode unter französische Herrschaft gelangt waren, waren, wie in Frankreich 
selbst, alle Feudalrechte ohne Entschädigung kraft der französischen Gesetzgebung aufgehoben 
worden. Der Art. 42 der Verfassungsurkunde hat eine doppelte Bedeutung. Erstlich 
hat er die Prinzipien, welche die preußische Gesetzgebung seit einem halben Jahrhundert 
im Bereiche der Agrar-, Kultur= und Gewerbeverhältnisse verfolgt hat, bezeugt und fixiert; 
er bildete dafür den Schlußstein und gewährte eine sichere, weil verfassungsmäßige, Bürg- 
schaft für die dadurch begründeten neuen Rechtszustände, wie gegen fernere Angriffe und 
Maßregeln gegen sie. Zweitens enthielt der Art. 42 die aus jener Gesetzgebung mit 
unausweichlicher Notwendigkeit sich ergebenden Folgerungen und bildete die verfassungs- 
  
1 G. S. 1811, S. 281 ff., dazu G. v. 8. April!Art. 114 enthaltene Vorschrift unter die Ubergangs- 
1823 (G. S. 49) für Posen und angrenzende bestimmungen verwiesen, ferner im Art. 42 der 
Teile von Westpreußen; vgl. über diese Gesetz= Zusatz, „daß für die tote Hand Beschränkungen 
gebung Glatzel bei Stengel Wörterb., Bd. I, des Rechts, Liegenschaften zu erwerben und über 
S. 10. sie zu verfügen, zulässig seien", und außerdem der 
2 G. S. 1816, S. 154 ff. Schlußsatz: „die weitere Ausführung dieser Be- 
* Bgl. die geschichtliche Darstellung der agrarischen stimmungen bleibt besonderen Gesetzen vorbehalten“, 
Gesetzgebung in Preußen seit dem Jahre 1807 in bei der Roevision der oktrovierten Verfassung auf- 
Lette und v. Rönne, Landeskulturgesengebung genommen ist ##gl. das Nähere in v. Rönnes 
des Preußischen Staates, Bd. 1, Einlenung, inn Wearbeitung der Verf. Urk., S. 90 —95)1. 
besondere S. LXXNII ff. i VWicdergleichenbekanntlichtvgthirrüber 
* Der Art. 42 der Verf. Urk. v. 31. Jan. Lette und v. Rönne, Landeskulturgesengebung 
1850, welcher im wesentlichen gleichlautend ist a. a. O.,; während einer Reihe von Jahren vor 
mit dem Art. 40 der Verf. Urk. v. 5. Dez. 1848, 18|18 wiederholt hervorgetreten sind und vielfach 
ist dem Art. 37 des Entwurfs der Verfassungs= zur Bennruhigung, besonders des Bauernstandes, 
kommission der Nationalversammlung entnommen. beigetragen haben, sedoch bei dessen Widerstand 
Er unterscheidet sich von diesen beiden Grund= auf den Provinziallandtagen meistens unwirksam 
lagen nur dadurch, das die gegenwärtig im geblieben sind. 
 
	        
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