Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Freiheit und Sicherheit des Eigentums. 
G. 58.) 241 
schon vor Erlaß der Verfassungsurkunde, teils auf Grund des Art. 42 erlassen, die in 
jenem Artikel garantierten Grundsätze in das Leben eingeführt und denselben im wesent- 
lichen Rechnung getragen haben, 
vor allem das Ablösungsgesetz v. 2. März 1850. 
Die hier in Betracht kommenden Prinzipien des (aufgehobenen) Art. 42 sind folgende: 
1. Das Recht der freien Verfügung über das Grundeigentum unterliegt keinen 
anderen Beschränkungen, als denen der allgemeinen Gesetzgebung. 
Die Teilbarkeit des 
Grundeigentums und die Ablösbarkeit der Grundlasten wird gewährleistet (Abs. 1 des 
Art. 42). 
a) Um sich die praktische Bedeutung des ersten Satzes dieses Absatzes zu vergegen- 
wärtigen, bedarf es nur des historischen Rückblickes auf diejenigen Beschränkungen des 
Rechtes der freien Verfügung über das Grundeigentum, welche in der früheren Landes- 
verfassung hinsichtlich des Grundeigentumes begründet waren.? Der in Rede stehende Satz 
  
Ber., Bd. III. S. 380 ff.) auf Ablehnung des 
Gesetzentwurfs an, welche denn auch von dem 
Plenum der II. Kammer in der 35. Sitzung v. 
27. März 1855 (Stenogr. Ber. a. a. O., Bd. II, 
S. 622.-—642) beschlossen wurde. e) Endlich hat 
die Sitzungsperiode von 1855—56 dahin geführt, 
die Art. 42 und 114 der Verf. Urk. im wesent- 
lichen zu beseitigen. Auf Grund der Allerhöchsten 
Ermächtigung v. 3. Dez. 1855 (Drucks. des H. H. 
Nr. 70 und des Abg. H. Nr. 24) legte nämlich 
jetzt der Min. d. Inn. einen Gesetzentwurf vor, 
welcher die Aufhebung jener Artikel und zugleich 
die Annahme desjenigen Beschlusses beantragte, 
welcher von der I. Kammer bereits in den früheren 
Sitzungsperioden (s. S. 240) gefaßt worden war. 
Die Kommission des Hauses der Abgeordneten 
trug in ihrem Bericht v. 25. Jan. 1856 (Drucks. 
Nr. 59) statt dessen auf einfache Aufhebung der 
Art. 42 und 114 an. Diese wurde auch von 
dem Plenum des Hauses beschlossen, zugleich aber 
an die Stelle des Art. 42 folgende Bestimmungen 
gesetzt: „Ohne Entschädigung bleiben aufge- 
hoben, nach Maßgabe der ergangenen besonderen 
Gesetze: 1. das mit dem Besitze gewisser Grund- 
stücke verbundene Recht der Ausübung oder Uber- 
nagung der richterlichen Gewalt (Tit. IV der 
Verf. Urk.) und die aus diesem Rechte fließenden 
Exemtionen und Abgaben; 2. die aus dem ge- 
richts= und schutzherrlichen Verbande, der früheren 
Erbuntertänigkeit, der früheren Steuer= und Ge- 
werbeverfassung herstammenden Verpflichtungen. 
Mit den aufgehobenen Rechten fallen auch die 
Gegenleistungen und Lasten weg, welche den bis- 
her Berechtigten dafür oblagen.“ (Vgl. die Stenogr. 
Ber. des Abg. H., 18., 19. und 31. Sitzung, 
S. 239 ff., 257 f. und 525 ff., desgleichen Anl. 
Bd., S. 48—52.) Diesem Beschlusse ist das 
Herrenhaus beigetreten (vgl. Stenogr. Ber. des- 
selben S. 133 ff. und 220, desgleichen den Kom- 
missionsbericht v. 26. Febr. 1856, Drucks. Nr. 88). 
Das Verfassungsabänderungsgesetz v. 14. April 
1856 (G. S., S. 353) hat sodann unter 
Aufhebung der bisherigen Art. 42 und 114 
der Verf. Urk. v. 31. Jan. 1850 den von 
beiden Häusern in vorstehender Fassung ge- 
nehmigten neuen Art. 42 an Stelle des aufge- 
hobenen gesetzt. 
1 G. S. 77. Bei den Verhandlungen über 
die Aufhebung des Art. 42 ist für diese besonders 
geltend gemacht worden, „daß der Artikel teils 
unklare und zweideutige, teils unausführbare und 
v. Rönne Zorn, Preuß- Staatsrecht. 
  
5. Aufl. II. 
über sein Ziel hinausgreifende Bestimmungen 
enthalte, daß überdies die in demselben nieder- 
gelegten allgemeinen Grundsätze, soweit sie von 
praktischer Bedeutung und ausführbar, durch be- 
sondere Gesetze bereits ins Leben getreten und 
deshalb unnötig und überfllssig geworden seien, 
und daß endlich, so lange jene allgemeinen Grund- 
sätze nicht aus der Verfassung entfernt worden, 
durch sie die freie Entwicklung der Gesetzgebung 
auf eine nachteilige Weise gehemmt werde“. S. 
hierüber Bericht der Verfassungskommission der 
II. Kammer v. 14. März 1855 (Drucks. der 
II. Kammer 1854—55, Nr. 162 und Stenogr. 
Ber. der II. Kammer 1854—55, Bd. III, S. 380ff.). 
Der Gang der Gesetzgebung bis 1893, der in 
den verschiedenen Teilen der Monarchie sehr ver- 
schieden war, ist dargelegt bei G. Meyer, Verw. 
R., Bd. I, S. 294 f. Eine Reihe weiterer Ge- 
sebe sind inzwischen noch hinzugetreten, zuletzt 
das G. v. 29. Mai 1903 (G. S. 189) über Aus- 
dehnung des Reallasten= Ablösungsgesetzes für 
Schleswig-Holstein v. 3. Jan. 1873 (G. S. 3) 
auf Lauenburg. Die systematische Verarbeitung 
dieses Gesetzgebungsmateriales ist dem Verwal- 
tungsrechte, speziell dem Landwirtschaftsrechte vor- 
zubehalten. — Andererseits schafft die moderne 
Verkehrsentwicklung neue notwendige Beschrän- 
kungen des Grundeigentums im Interesse der 
Gesamtheit, s. z. B. Allerh. Erl. v. 2. Mai 1902 
(Querdrähte für elektrische Straßenbahnen), G. S. 
1902, S. 213, besonders aber die überaus weit- 
reichenden und von diesem Gesichtspunkt aus 
hochinteressanten Vorschriften des Telegraphenwege- 
gesetzes v. 18. Dez. 1899 (R. G. B., S. 705), 
§. 4 (Ausästungen von Baumpflanzungen), §. 12 
(Luftraum und Dächer), vgl. dazu Schelcher in 
Fischers Zeitschrift für Praxis und Gesetzgebung 
der Verwaltung, Ergänzungsheft zu Bd. 21, bes. 
S. 61 ff. In den parlamentarischen Beratungen 
wurde das grundsätzlich Neue des Gesetzes gegen- 
über dem bisherigen deutschen Recht scharf her- 
vorgehoben. 
* Z. B. auf die Geschlossenheit der Güter und 
die verschiedenen abweichenden Sukzessionsord- 
nungen bei Vererbung von Grundstücken, auf die 
Heimfallsrechte bäuerlicher Güter, wie auf die 
Notwendigkeit guts= oder lehnsherrlicher Konsense 
zu Veräußerungen unter Lebendigen oder zu Uber- 
tragungen von Todes wegen (vgl. §§. 22 ff. und 
40 des G. v. 21. April 1825 über die den Grund- 
besitz betreffenden Rechtsverhältnisse in den Landes- 
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