Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

246 
Das Staatsbürgerrecht. (S. 58.) 
3. Das gesamte Ablösungsverfahren ist in Preußen gesetzlich geordnet und zu diesem 
Zwecke ein besonderer Behördenorganismus geschaffen, dessen Mittelpunkt die General- 
kommissionen, dessen Spitze das Oberlandeskulturgericht bilden; behufs leichterer 
finanzieller Abwicklung sind die Rentenbanken geschaffen worden (G. v. 2. März 1850, 
G. S. 112).2 
Der dermalige Rechtszustand ist entsprechend der historischen Entwicklung 
im einzelnen noch sehr verschieden und zwar nach folgender Gruppierung: 
1. die alten 
Provinzen, ausgenommen das linke Rheinufer; 2. der linksrheinische Teil der Rheinprovinz; 
3. der Regierungsbezirk Kassel; 4. der Regierungsbezirk Wiesbaden; 5. Schleswig-Holstein: 
6. Hannover; 
7. die Hohenzollernschen Lande.? 
4. Einen merkwürdigen Rückbildungsprozeß in dieser ganzen Frage, die ehedem all- 
gemein als eine Kulturfrage ersten Ranges betrachtet wurde, stellen die modernen Renten- 
güter dar, 
zu deren Bildung auch unter Auflegung unablöslicher Renten die Gesetz- 
gebung neuerdings mit steigender Energie hilfreiche Hand bietet. 
Eine zusammenhängende Darstellung der ganzen schwierigen und verwickelten Materie 
kann nur im Zusammenhange des Landwirtschaftsrechtes gegeben werden." 
II. Indem der Art. 42 der Verfassungsurkunde den Grundsatz aussprach, welcher, 
wie oben gezeigt worden, durch den §. 91 des Ablösungsgesetzes v. 2. März 1850 seine 
  
vererben berechtigt wird, die Uberlassung zu vollem 
Eigentume geschehen muß, und b) daß bei der 
Veräußerung eines Grundstücks Lasten, welche das 
Ablösungsgesetz für ablösbar erklärt — und alle 
Reallasten (mit den S. 244, Note 5 gedachten Be- 
schränkungen) sind ablösbar —, niemals mehr 
vorbedungen und dem veräußerten Grundstücke 
auferlegt werden dürfen, wovon nur hinsichtlich 
fester Geldrenten die im 8. 91 des Ablösungs- 
gesetzes nachgelassene, oben im Texte gedachte 
Ausnahme stattfindet. Damit steht dann ferner 
die Bestimmung des §. 92 a. a. O. in Verbin- 
dung, nach welcher „alle bereits auf einem Grund- 
stücke oder einer Gerechtigkeit angelegte und bis- 
her seitens des Grundbesitzers unkündbare Kapi- 
talien nach dreißig Jahren von der Verkündun 
des Ablösungsgesetzes kündbar werden“, und da 
bei den von da ab einem Grundstücke oder einer 
Gerechtigkeit neu aufzuerlegenden Kapitalien nie- 
mals eine längere als höchstens dreißigjährige 
Unkündbarkeit vorbedungen werden kann“ (voal. 
Lette und v. Rönne, Landeskulturgesetzebung, 
Bd. II, Abt. 1, S. 705 ff.). — Nach Beseitigung 
des Art. 42 der Verf. Urk. besteht nun zwar keine 
verfassungsmäßige Garantie mehr zum Schutze 
des in dem §. 91 des Ablösungsgesetzes ausge- 
sprochenen Grundsatzes; es ist indes darauf hin- 
zuweisen, daß die Stipulation unablöslicher Erb- 
pachtsgelder schon durch die vor dem Jahre 1850 
ergangene Gesetzgebung für unstatthaft erachtet 
worden war. Denn das nur kurze Zeit in Kraft 
gestandene G. v. 31. Jan. 1845 (G. S., S. 93), 
wodurch Verträge über Konstituierung unablös- 
licher Geld= und Getreideabgaben für zulässig 
erklärt wurden, ist durch den §. 1, Nr. 28 des 
Ablösungsgesetzes v. 2. März 1850 aufgehoben 
worden, dagegen die Ablöebarkeit auch eines Erb- 
pachtskanons, nebst der Dismembrationsbefugnis 
der Erbpächter, bereits in §. 2 des Landee kultur- 
edikts v. 14. Sept. 1811 und im §. 26 der Ab- 
lösungsordnung v. 7. Juni 1821 gestattet. Dabei 
ist schon im ß. 7 des Landeskulturedikts der Vor- 
behalt von Diensten oder anderen als bestimmten 
Geld= oder Körnerabgaben bei Abveräusterungen 
für unzulässig erklärt. Ubereinstimmend mit diesen 
  
Grundsätzen ist auch die Konstituierung neuer 
Gemeinheiten und Grundgerechtigkeiten, welche der 
Gemeinheitsteilungsordnung unterliegen, durch 
Verjährung bereits durch den §F. 164 der Gemein- 
heitsteilungsordnung v. 7. Juni 1821 und die 
Deklaration v. 31. März 1841 (G. S. 1821, 
S. 53 und 1841, S. 75), und die Konstituierung 
von Jagdgerechtigkeiten durch G. v. 31. Okt. 
1848 (G. S., S. 343) untersagt. In der Tat 
aber würde es allen Prinzipien einer gesunden 
Gesetzgebung widerstreiten, die neue Begründung 
kulturschädlicher Beschränkungen des Grundeigen- 
tums gesetzlich zu ermöglichen, deren gänzliche 
Aufhebung eben die Landeskulturgesetzgebung sich 
zur Aufgabe gestellt hat. 
1 S. Glatzel bei Stengel, Bd. J, S. 93 f 
über die Behörden, S. 96 ff. über das Verfahren, 
insbesondere auch das Streirverfahren auf Grund 
des G. v. 8. Febr. 1880 (G. S. 59), revidierter 
Text G. S. 1899, S. 404 ff. 
über die Rentenbanken erging weiter G. v. 
26. April 1858 (G. S. 273), dem gegenüber das 
G. v. 17. Jan. 1881 (G. S. 5) wieder den alten 
Rechtszustand herstellte, s. Glatel bei Stengel, 
Bd. I. S. 12 f. 14; über die Sicherstellung der 
Rechte dritter Personen bei Ablösungen s. die An- 
gaben ebenda §. 14. 
3 S. die Darstellung von Glatzel bei Stengel, 
. a. C. 
— 
4 S. vorläufig die Darstellung bei G. Meyer, 
Verw. R., Bd. I, S. 299 ff.; Glatzel in Stengels 
Wörterb., Bd. 1, S. 8 ff. (Ablösung), Bd. I. 
S. 90 ff. (Auseinandersetzung), Bd. I, S. 548 ff. 
(Gemeinheitsteilung); Andresen, Die preußischen 
Rentengütergesetze v. 27. Juni 1890 und 7. Juli 
1891 (Berlin 1892); v. Kaull, Die preußische 
Rentengutsgesetzgebung und das Heimstättenrecht, 
1895; Waldhecker, Die preußischen Rentengute- 
gesette nach Theorie und Praxis, 1894; Stier- 
Somlo, Zur Geschichte und rechtlichen Natur 
der Rentengüter, 1896; Chüden, Die Renten: 
gutsbildung in Preußen, 1896; Petersen, Die 
preußischen Auseinandersetzungs= und Renten- 
gutsgesete, 1899. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.