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Das Staatsbürgerrecht. (S. 58.)
3. Das gesamte Ablösungsverfahren ist in Preußen gesetzlich geordnet und zu diesem
Zwecke ein besonderer Behördenorganismus geschaffen, dessen Mittelpunkt die General-
kommissionen, dessen Spitze das Oberlandeskulturgericht bilden; behufs leichterer
finanzieller Abwicklung sind die Rentenbanken geschaffen worden (G. v. 2. März 1850,
G. S. 112).2
Der dermalige Rechtszustand ist entsprechend der historischen Entwicklung
im einzelnen noch sehr verschieden und zwar nach folgender Gruppierung:
1. die alten
Provinzen, ausgenommen das linke Rheinufer; 2. der linksrheinische Teil der Rheinprovinz;
3. der Regierungsbezirk Kassel; 4. der Regierungsbezirk Wiesbaden; 5. Schleswig-Holstein:
6. Hannover;
7. die Hohenzollernschen Lande.?
4. Einen merkwürdigen Rückbildungsprozeß in dieser ganzen Frage, die ehedem all-
gemein als eine Kulturfrage ersten Ranges betrachtet wurde, stellen die modernen Renten-
güter dar,
zu deren Bildung auch unter Auflegung unablöslicher Renten die Gesetz-
gebung neuerdings mit steigender Energie hilfreiche Hand bietet.
Eine zusammenhängende Darstellung der ganzen schwierigen und verwickelten Materie
kann nur im Zusammenhange des Landwirtschaftsrechtes gegeben werden."
II. Indem der Art. 42 der Verfassungsurkunde den Grundsatz aussprach, welcher,
wie oben gezeigt worden, durch den §. 91 des Ablösungsgesetzes v. 2. März 1850 seine
vererben berechtigt wird, die Uberlassung zu vollem
Eigentume geschehen muß, und b) daß bei der
Veräußerung eines Grundstücks Lasten, welche das
Ablösungsgesetz für ablösbar erklärt — und alle
Reallasten (mit den S. 244, Note 5 gedachten Be-
schränkungen) sind ablösbar —, niemals mehr
vorbedungen und dem veräußerten Grundstücke
auferlegt werden dürfen, wovon nur hinsichtlich
fester Geldrenten die im 8. 91 des Ablösungs-
gesetzes nachgelassene, oben im Texte gedachte
Ausnahme stattfindet. Damit steht dann ferner
die Bestimmung des §. 92 a. a. O. in Verbin-
dung, nach welcher „alle bereits auf einem Grund-
stücke oder einer Gerechtigkeit angelegte und bis-
her seitens des Grundbesitzers unkündbare Kapi-
talien nach dreißig Jahren von der Verkündun
des Ablösungsgesetzes kündbar werden“, und da
bei den von da ab einem Grundstücke oder einer
Gerechtigkeit neu aufzuerlegenden Kapitalien nie-
mals eine längere als höchstens dreißigjährige
Unkündbarkeit vorbedungen werden kann“ (voal.
Lette und v. Rönne, Landeskulturgesetzebung,
Bd. II, Abt. 1, S. 705 ff.). — Nach Beseitigung
des Art. 42 der Verf. Urk. besteht nun zwar keine
verfassungsmäßige Garantie mehr zum Schutze
des in dem §. 91 des Ablösungsgesetzes ausge-
sprochenen Grundsatzes; es ist indes darauf hin-
zuweisen, daß die Stipulation unablöslicher Erb-
pachtsgelder schon durch die vor dem Jahre 1850
ergangene Gesetzgebung für unstatthaft erachtet
worden war. Denn das nur kurze Zeit in Kraft
gestandene G. v. 31. Jan. 1845 (G. S., S. 93),
wodurch Verträge über Konstituierung unablös-
licher Geld= und Getreideabgaben für zulässig
erklärt wurden, ist durch den §. 1, Nr. 28 des
Ablösungsgesetzes v. 2. März 1850 aufgehoben
worden, dagegen die Ablöebarkeit auch eines Erb-
pachtskanons, nebst der Dismembrationsbefugnis
der Erbpächter, bereits in §. 2 des Landee kultur-
edikts v. 14. Sept. 1811 und im §. 26 der Ab-
lösungsordnung v. 7. Juni 1821 gestattet. Dabei
ist schon im ß. 7 des Landeskulturedikts der Vor-
behalt von Diensten oder anderen als bestimmten
Geld= oder Körnerabgaben bei Abveräusterungen
für unzulässig erklärt. Ubereinstimmend mit diesen
Grundsätzen ist auch die Konstituierung neuer
Gemeinheiten und Grundgerechtigkeiten, welche der
Gemeinheitsteilungsordnung unterliegen, durch
Verjährung bereits durch den §F. 164 der Gemein-
heitsteilungsordnung v. 7. Juni 1821 und die
Deklaration v. 31. März 1841 (G. S. 1821,
S. 53 und 1841, S. 75), und die Konstituierung
von Jagdgerechtigkeiten durch G. v. 31. Okt.
1848 (G. S., S. 343) untersagt. In der Tat
aber würde es allen Prinzipien einer gesunden
Gesetzgebung widerstreiten, die neue Begründung
kulturschädlicher Beschränkungen des Grundeigen-
tums gesetzlich zu ermöglichen, deren gänzliche
Aufhebung eben die Landeskulturgesetzgebung sich
zur Aufgabe gestellt hat.
1 S. Glatzel bei Stengel, Bd. J, S. 93 f
über die Behörden, S. 96 ff. über das Verfahren,
insbesondere auch das Streirverfahren auf Grund
des G. v. 8. Febr. 1880 (G. S. 59), revidierter
Text G. S. 1899, S. 404 ff.
über die Rentenbanken erging weiter G. v.
26. April 1858 (G. S. 273), dem gegenüber das
G. v. 17. Jan. 1881 (G. S. 5) wieder den alten
Rechtszustand herstellte, s. Glatel bei Stengel,
Bd. I. S. 12 f. 14; über die Sicherstellung der
Rechte dritter Personen bei Ablösungen s. die An-
gaben ebenda §. 14.
3 S. die Darstellung von Glatzel bei Stengel,
. a. C.
—
4 S. vorläufig die Darstellung bei G. Meyer,
Verw. R., Bd. I, S. 299 ff.; Glatzel in Stengels
Wörterb., Bd. 1, S. 8 ff. (Ablösung), Bd. I.
S. 90 ff. (Auseinandersetzung), Bd. I, S. 548 ff.
(Gemeinheitsteilung); Andresen, Die preußischen
Rentengütergesetze v. 27. Juni 1890 und 7. Juli
1891 (Berlin 1892); v. Kaull, Die preußische
Rentengutsgesetzgebung und das Heimstättenrecht,
1895; Waldhecker, Die preußischen Rentengute-
gesette nach Theorie und Praxis, 1894; Stier-
Somlo, Zur Geschichte und rechtlichen Natur
der Rentengüter, 1896; Chüden, Die Renten:
gutsbildung in Preußen, 1896; Petersen, Die
preußischen Auseinandersetzungs= und Renten-
gutsgesete, 1899.