256 Das Staatsbürgerrecht. (8. 59.)
Verfassung des Norddeutschen Bundes enthielt keine Bestimmungen über den Gegenstand!;
dagegen wurde in die Verfassung des Deutschen Reiches im Art. 4, Nr. 16 die Be-
stimmung aufgenommen, daß der Beaufsichtigung seitens des Reiches und der Gesetzgebung
desselben auch die Bestimmungen über die Presse unterliegen 2, wodurch die Herstellung
eines einheitlichen dentschen Rechtes in betreff der Verhältnisse der Presse ermöglicht
wurde. Das Reichsgesetz über die Presse v. 7. Mai 1874)½/ hat demnächst ein
einheitliches Recht in betreff des Zustandes der Presse für das ganze Deutsche Reich
geschaffen, jedoch ist vorläufig das Reichsland Elsaß-Lothringen hiervon noch ausgeschlossen
worden, indem der §. 31 des Gesetzes bestimmt hat, daß seine Einführung daselbst einem
besonderen Gesetze vorbehalten bleibe; ein solches erging als Landesgesetz v. 8. Aug. 1898,
nur wenige Sonderbestimmungen dem gemeinen deutschen Recht beifügend. In Helgoland
erfolgte die Einführung durch die kaiserliche Verordnung v. 22. März 1891, Art. I.
III. Das Reichspreßgesetz v. 7. Mai 1874 hat das sogenannte Repressivsystem
zur Grundlage und stellt den Grundsatz der Freiheit der Presse an seine Spitze, in-
dem §. 1 ausspricht, daß diese Freiheit nur denjenigen Beschränkungen unter-
liegt, welche durch das Preßgesetz selbst vorgeschrieben oder zugelassen sind.=
1 Die einzige in das Preßrecht gehörige Be-
stimmung, welche schon die Verfassung des Nordd.
Bundes enthielt, ist die auch in die Reichsver-
fassung ausgenommene Bestimmung des Abf. 2
des Art. 22, wonach wahrheitsgetreue Berichte
über Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen
des Reichstages von jeder Verantwortlichkeit frei
bleiben, welche Bestimmung durch den §. 12 des
Strafgesetbuches auch auf die Kammern der zum
Reiche gehörigen Einzel-Staaten ausgedehnt wurde.
Dagegen fanden sich schon vor dem Erlaß des Reichs-
preßgesetzes in einzelnen Reichsgesetzen zerstreute
gesetzliche Bestimmungen bezüglich der Presse.
Hierher gehören die Bestimmungen der Gewerbe-
ordnung v. 21. Juni 1369, §§. 14, 43 u. 101
über die Preßgewerbe, und des §. 4 des Post-
gesetzes v. 2. Nov. 1867 (jetzt des §. 3 des Post-
gesetzes v. 28. Okt. 1871) über den Postdebit der
Zeitungen.
Diese in der Verfassung des Nordd. Bundes
sehlende Bestimmung findet sich zuerst in der mit
den Großherzogtümern Baden und Hessen verein-
barten Verfassung des Deutschen Bundes (B. G. Bl.
1870, S. 629).
: Eine Ubersicht der Presgesetzgebung in den
deutschen Einzelstaaten zur Zeit der Einbringung
des Entwurfes des gegenwärtig geltenden Reichs-
preßgesetzes vgl. in den Motiven zu dem Entwurfe
des letzteren Stenogr. Ber. des Neichstages 1871,
I. Session, Bd. III, Aktenst. Nr. 23, S. 137).
4* R. G. Bl. 1874, S. 65 ff., und Ent-
wurf des Gesetzes nebst Motiven in den Stenogr.
Ber. des Reichstages 1874, I. Session, Bd. III,
Aktenst. Nr. 23, S. 135 ff.; Kommissionsbericht
darüber v. 10. März 1874 ebendas., Aktenst.
Nr. 67, S. 250 ff., und Verhandlungen im
Plenum in den Stenogr. Ber. a. a. O., Bd. I,
S. 148—161, 371—389, 301—415, 455—483,
187—527. 533—3535, u. Bd. II. S. 1083—1107,
1109—25 und 11415. Schriften über das
Reichospresigesez v. Schwarze, Das Reichs-
vresigese v. 7. Mai 1874 (Erlangen, 1874):
Thilo, Das Presigesetz für das Deutsche Reich
v. 7. Mai 1874, erläntert aus den Materialien,
der Rechtslehre und den Entscheidungen höherer
Gerichtohöfe (Berlin, 18741;„ Marquardsen,
Das Reichspreßgesetz v. 7. Mai 1874, mit Ein-
leitung und Kommentar (Berlin, 1875); Ber-
ner, Lehrbuch des deutschen Preßrechtes (Leipzig
1876); v. Liszt, Das deutsche Reichepreßtrecht,
unter Berücksichtigung der Literatur und der Recht-
sprechung, insbesondere des Berliner Obertribunals
und des Reichsgerichtes, systematisch dargestellt
(Berlin und Leipzig, 1880); Kayser, in v. Holtzen-
dorffs Handbuch des deutschen Strafrechtes, Bd. IV,
S. 540 ff. Vgl. auch die Literaturangaben S. 255,
Note 5.
5 Demzufolge ist das Reichspreßgesetz an Stelle
aller bisherigen Landespreßgesetze, insbesondere
also des preußischen Gesetzes über die Presse v.
12. Mai 1851, getreten, und es ist zufolge des
Grundsatzes des ersten Satzes des Art. 2 der
Reichsverfassung, wonach die Reichsgesetze den
Landesgesetzen vorgehen, da das ReichspreWgesetz
die Materie erschöpfend geordnet hat, jede fernere
Tätigkeit der Landesgesetzgebung auf dem Gebiete
des Preßrechtes ausgeschlossen. Indes wird an
dem Bestande anderer Reichsgesetze, welche auf
die Presse sich mitbeziehen, z. B. des Reichsstraf-
gesetzbuches oder der Reichsgesetze über den Schutz
des Urheberrechtes, durch das Preßgesetz nichts ver-
ändert. (Vgl. die Motive in den Stenogr. Ber. des
Reichstages 1874, I. Session, Bd. III, Aktenst.
Nr. 23, S. 139). v. Liszt, S. 22, nimmt an,
daß dieienigen Vorschriften der Landespreßgesetze,
welche im Interesse des internen Dienstes die freie
Meinungsänserung in Druckschriften weiteren Ein-
schränkungen als das Reichspreßgesetz unterwerfen,
mögen diese in Gesetzen oder Verordnungen, in
Partikularpreßgesetzen oder in Disziplinarstatuten
enthalten sein, von dem Reichspreßgesetze unbe-
rührt bleiben, daß jedoch diese Anordnungen nur
noch als isziplinarvorschriften in Betracht kommen,
folglich Übertretungen derselben stets nur im Dis-
ziplinarwege geahndet und nie als kriminelle
Delikte (Strafsachen im eigentlichen Sinne des
Wortes) betrachtet werden. Hierher sei nament-
lich die Bestimmung des F§. 22, Abs. 3 und 4
des preußischen Preßgesetzes v. 12. Mai 1851
zu rechnen, wodurch die Ubernahme von Redak-
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