266 Das Staatsbürgerrecht. (8. 59.)
strafbaren Handlung erkannten Geldstrafen und Kosten, sowie öffentliche Bescheinigungen
mittels der Presse über den Empfang der zu solchen Zwecken gezahlten Beiträge sind ver—
boten. Das zufolge solcher Aufforderungen Empfangene oder der Wert desselben ist der
Armenkasse des Orts der Sammlung für verfallen zu erklären (F. 16).
d) Die Anklageschrift oder amtliche Schriftstücke eines Strafprozesses? dürfen durch
die Presse nicht eher veröffentlicht werden, als bis dieselben in öffentlicher Verhandlung
kund gegeben worden sind oder das Verfahren sein Ende erreicht hat (§. 170.3 Im
militärgerichtlichen Verfahren ditrfen Berichte über die Verhandlung, ferner nach Be-
endigung des Verfahrens die Anklageschrift sowie andere amtliche Aktenstücke des Ver-
fahrens durch die Presse nicht veröffentlicht werden, falls die Offentlichkeit der Verhandlung
wegen Gefährdung der Staatssicherheit oder der militärdienstlichen Interessen ausgeschlossen
war; Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis 1000 Mark oder mit Haft oder
Gefängnis bis zu 6 Monaten, bei Personen des aktiven Dienststandes mit Freiheitsstrafe
bis zu 6 Monaten, in leichteren Fällen auf dem Disziplinarwege, bestraft.?
e) Zuwiderhandlungen gegen die in den §§. 14, 15, 16 und 17 enthaltenen Ver-
bote werden mit Geldstrafe bis zu 1000 Mark oder mit Haft oder mit Gefängnis bis
zu sechs Monaten bestraft (§. 18, Ziff. 1); die Preßdelikte der §§. 15, 16, 17 stehen
übrigens in jeder Beziehung unter den allgemeinen strafrechtlichen Gesichtspunkten.“
B. Betreffend die Verantwortlichkeit für die durch die Presse begangenen
strafbaren Handlungen (Abschn. III). 7
1. Die Verantwortlichkeit für Handlungen, deren Strafbarkeit durch den Inhalt
einer Druckschrift, also durch öffentliche rechtswidrige, mittels Verbreitung von Druck-
1 Unter „Ort der Sammlung“ ist jeder welche der Ausdruck in den Entscheidungen des
Sammelort zu verstehen, so daß unter Umständen Ob. Trib. gefunden hat. (Vgl. die Erk. des
mehrere Sammelorte an dem Verfallenen teil= Ob. Trib. v. 8. März 1852, Entsch., Bd. XXIV,
nehmen können. (Vgl. Stenogr. Ber. des Reichss S. 203, v. 24. Ou. 1860 u. 20. Juni 1861,
tages 1874, 1. Session, Bd. 1, S. 439.) Samm- J. M. Bl. 1860. S. 427, Goltdammers Arch.,
lungen zur Errichtung eines allgemeinen Fonds Bd. VIII, S. 816: Oppenhoffs Rechtsprechung,
mit der zu §. 16 bezeichneten Tendenz müssen Zd. I, S. 456; v. 5. Okt. 1866: J. M. Bl.
gleichfalls unter die Strafvorschrift des Gesetzes 1866, S. 322; Goltdammers Arch., Bd. XIV,
gestellt werden, da sie den Tatbestand des Sö. 16 S. 837; Oppenhoffs Rechtsprechung, Bd. VII:
in potenzierter Weise enthalten. S. 510 und v. 13. März 1867; Goltdammers
Der im 6. 17 gebrauchte Ansdruck: „eines Arch., Bd. XV, S.334; Oppenhoffs Rechtsprechung,
Strafprozesses“ ist hier im weiteren Sinne zu BRd. VIII, S. 167.) Die Bestimmung des §. 48 des
verstehen, so daß er auch die Handlungen der preußischen Preßgesetzes v. 12. Mai 1851, daß die
Voruntersuchung, welche selbst schon ein Teil des Namen der Geschworenen in Zeitungen nur bei
Strafprozesses ist, umfaßt. (Vgl. Marquardsen, Mitteilung über die Bildung des Schwurgerichtes
S. 102, Note 4, desgl. Erk. des Ob. Trib. genannt werden dürfen, welche in dem Entwurfe
v. 15. Nov. 1855 in Goltdammers Arch., Bd. III, des Preßgesetzes enthalten war, ist vom Reichs-
S. 827.) tage abgelehnt und daher für aufgehoben zu er-
3 Vgl. zu diesem §. 17 Deutsche Juristenzeiuung achten. (Marquardsen, S. 99, Note 1.)
1902, S. 265 f., ferner Entsch. des Reichsgerichts 4 Einführungsgeses zur Militärstrafgerichts-
in Straff., Bd. IX, S. 193 ff., Bd. XIV, S.340 ff. ordnung v. 1. Dez. 1898 (R. G. B. 1289), S. 18.
Auf das ehrengerichtliche Verfahren gegen Rechts- . 5 v. Liszt, S. 167.
anwälte ist die Vorschrift des §. 17 nicht zu be- s über das dem Reichspreßgesetze zugrunde
ziehen. (Entsch. des Reichsgerichts in Straff., Bd. LIII, liegende (von dem Regierungsentwurfeabweichende)
S. 42.) Aus dem §. 17 kann nicht gefolgert werden, System der Verantwortlichkeit vgl. den Kom-
daß die an sich begründete Strafbarkeit der Ver= missionsbericht v. 10. März 1874 in den Stenogr.
öffentlichung von Schriftstücken dadurch beseitigt Ber. des Reichstages 1874, I. Session, Bd. III,
worden sei, daß diese Schriftstücke nur in wahr= Aktenst. Nr. 67, 253—255. — Vgl. Mar-
heitogetreuen Berichten über öffentliche Gerichtss quardsen, S. 11# ff.; v. Liszt, S. 136 ff.
verhandlungen und in dem Abdrucke von bereits bes. auch über die Unterscheidung von Preßpolizei-
in öffentlicher Sitzung kundgegebenen Anklage= recht und Preßstrafrecht, S. 173 ff. über die Ver-
schriften bestechen. „Erk. des Ob. Trib. v. 27. Sept. antwortlichkeit.
1876, Oppenhoffs Rechtspr., Bd. X VII, S. 598.) Die Aburteilung der durch die Presse be-
lber die Bedeutung der lauch im §. 48 des gangenen strafbaren Handlungen steht reichs-
Ppreußischen Preßgesetzes v. 12. Mai 1851 ge= gesetzlich den gewöhnlichen Gerichten zu. Die
brauchten, Worte: „oder das Verfahren sein Ende Bestimmung des §. 29 des Reichspreßgesetzes,
erreicht“, vgl. die Erörterung von Marquardsen,! daß zur Entscheidung über die durch die Presse
S. 103, Note J, gegen die zu vage Auslegung, begangenen Ubertretungen die Gerichte auch in