Das Recht der freien Meinungsäußerung. (§. 59.) 267
schriften erfolgte Gedankenäußerung!, begründet wird, bestimmt sich nach den bestehenden
allgemeinen Strafgesetzen (§. 20, Abs. 1). Ist die Druckschrift eine periodische, so ist
der verantwortliché Redakteur als Täter zu bestrafen, wenn nicht durch besondere Um-
stände, sei es daß solche vom Redakteur nachgewiesen, sei es daß sie sonst amtlich fest-
gestellt werden, die Annahme seiner Täterschaft ausgeschlossen wird (§. 20, Abs. 2). Auf
Herausgeber und Verfasser beziehen sich diese Vorschriften, ebenso wie die unter 2 folgen-
den, nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht. Preßdelikte werden begangen durch
den Akt der Verbreitung; Versuch einer solchen und damit überhaupt eines Preßdeliktes
ist nicht denkbar.
2. Begründet der Inhalt einer Druckschrift den Tatbestand einer strafbaren Hand-
lung, so sind der verantwortliche Redakteur, der Verleger, der Drucker, derjenige, welcher
die Druckschrift gewerbsmäßig vertrieben oder sonst öffentlich verbreitet hat (Verbreiter),
soweit sie nicht nach 8. 20 als Täter oder Teilnehmer zu bestrafen sind, wegen Fahr-
lässigkeit mit Geldstrafe bis zu 1000 Mark oder mit Festungshaft oder Gefängnis bis
zu einem Jahre zu belegen, wenn sie nicht die Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt
oder Umstände nachweisen, welche diese Anwendung unmöglich gemacht haben (§. 21,
Abs. 10. Die Bestrafung bleibt jedoch für jede der benannten Personen ausgeschlossen,
wenn sie als den Verfasser oder den Einsender, mit dessen Einwilligung die Veröffent-
lichung geschehen ist, oder, wenn es sich um eine nicht periodische Druckschrift handelt,
als den Herausgeber derselben, oder als einen der in obiger Reihenfolge vor ihr Benannten
eine Person bis zur Verkündigung des ersten Urteils nachweist, welche in dem Bereich
der richterlichen Gewalt eines deutschen Einzelstaates sich befindet oder, falls sie ver-
storben ist, sich zur Zeit der Veröffentlichung befunden hat; hinsichtlich des Verbreiters aus-
ländischer Druckschriften außerdem, wenn ihm dieselben im Wege des Buchhandels zu-
gekommen sind (§. 21, Abs. 2).1
3. Zuständig zur Aburteilung derjeuigen strafbaren Handlungen, deren Tatbestand
durch den Inhalt einer im Inland erschienenen Druckschrift begründet ist, ist nur das-
jenige Gericht, in dessen Bezirk die Druckschrift erschienen ist.5 Nur in Fällen von
Beleidigung durch die Presse, falls die Verfolgung im Weg der Privatklage stattfindet,
ist auch das Gericht desjenigen Bezirkes zuständig, wo der Beleidigte Wohnsitz oder ge-
wöhnlichen Aufenthalt hat, falls die Druckschrift in diesem Bezirk verbreitet worden
ist." (R. G. v. 13. Juni 1902, R. G. B. 227).
4. Die Strafverfolgung derjenigen Verbrechen und Vergehen, welche durch die Ver-
breitung von Druckschriften strafbaren Inhalts begangen werden, sowie derjenigen sonstigen
Vergehen, welche in diesem Gesetze mit Strafe bedroht sind, verjährt in sechs Monaten?
(§. 22); für die Strafvollstreckung gelten die allgemeinen Vorschriften, ebenso für das
Antragsrecht und für Ubertretungen.
5. Die in dem Art. 22 der Reichsverfassung enthaltene Bestimmung, daß wahr-
heitsgetreue Berichte über Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Reichstages
von jeder Verantwortlichkeit frei bleiben, welche Bestimmung der §. 12 des Reichsstraf-
gesetzbuches auch auf wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen eines Landtages oder
einer Kammer eines zum Reiche gehörigen Staates ausgedehnt hat, ist in dem Reichs-
preßgesetze nicht besonders wiederholt worden?, da dies üÜberflüssig war. Für öffentliche
denjenigen Bundesstaaten ausschließlich zuständig 5 S. dazu oben S. 262, N. 1.
sind, wo bisher deren Aburteilung den Verwal- 4 S. über „Verbreitung“ oben S. 262, N. 3.
tungsbehörden zustand, hat für Preußen keine * Soweit nach allgemeinen Strafrechtsgrund-
Bedeutung, weil hier schon durch die frühere Ge= sätzen kürzere Verjährungofristen laufen, treten
setzgebung die Preßübertretungen der Aburteilung diese an die Sielle der sechs Monate. (Vgl. den
durch die Gerichte unterstellt waren. Uber die Kommissionsbericht zum §. 26 des Entwurfs in
Zuständigkeit der Schwurgerichte s. E. G.z. G. V.G. den Stenogr. Ber. des Reichstages 1874, I. Session,
v. 27. Jan. 1877 „R. G. B. 77) SKS. 6. Bd. III, Aktenst. Nr. 67, S. 255.)
1 v. Liszt, S. 138 ff. * Nur von der „Verantwortlichkeit“: die „Rechts-
: v. Liszt, S. 34. widrigkeit“ ist straflos; a. A. v. Liszt, S. 164.
: v. Liszt, S. 146 f., 149 ff. DH In bezug auf den 6. 38 des preußischen
* Uber die Schwierigkeiten der strafrechtlichen Prestgesetzes v. 12. Mai 1851, welcher denselben
Konstruktion s. v. Liszt, S. 174 ff. Grundsatz ausspricht, hatte das Ob. Trib. folgende
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