Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

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Das Staatsbürgerrecht. 
(S. 60.) 
über einige Grundlagen der künftigen preußischen Verfassung beseitigt worden, durch 
welchen alle das freie Vereinigungsrecht beschränkenden, bis dahin ergangenen gesetzlichen 
Bestimmungen für aufgehoben erklärt wurden. 
Die auf Vereins= und Versammlungsfrei- 
  
nung zuwiderlaufen, sind unzulässig und sollen 
im Staate nicht geduldet werden. §. 4. Auch 
an sich nicht unzulässige Gesellschaften kann der 
Staat verbieten, sobald sich findet, daß dieselben 
anderen gemeinnützigen Absichten oder Anstalten 
hinderlich oder nachteilig sind. §. 5. Dergleichen 
ausdrücklich verbotene Gesellschaften sind von 
Zeit des ergangenen Verbotes den an sich un- 
zulässigen gleich zu achten. §. 6. Unzulässige 
und verbotene Gesellschaften haben als solche 
gar keine Rechte, weder gegen ihre Mitglieder, 
noch gegen andere. §S. 7. Die Mitglieder der- 
selben sind wegen unerlaubter Handlungen, die 
von ihnen gemeinschaftlich, oder auch von Ein- 
zelnen nach dem Zwecke der Gesellschaft vorge- 
nommen worden, zum Schadenersatze und zur 
Strafe ebenso verhaftet, wie andere Mitgenossen 
eines Verbrechens. §. 8. Doch sind diesenigen 
Mitglieder davon befreit, welche weder von dem 
gemeinschädlichen Zwecke der Gesellschaft gewußt, 
noch an der unerlaubten Handlung der übrigen 
teilgenommen haben. F. 9. Dergleichen Mit- 
glieder können vielmehr, wenn ihnen aus einer 
solchen Verbindung Schaden entsteht, den Ersatz 
desselben von denjenigen, durch welche sie zum 
Beitritt verleitet worden, sowic von den Vor- 
stehern der Gesellschaft fordern. §. 10. Wer 
einer vom Staate ausdrücklich verbotenen Ge- 
sellschaft beitritt, kann gegen die in dem Ver- 
botsgesetze bestimmte Strafe durch Vorschützung 
der Unwissenheit des unerlaubten Zweckes sich 
nicht entschuldigen. — Ferner die §5. 184 und 
185 A. L. R., Teil II, Tit. 20: §. 184. Die Mit- 
glieder aller Gesellschaften im Staate sind ver- 
pflichtet, sich über den Gegenstand und die Ab- 
sicht ihrer Zusammenkünfte gegen die Obrigkeit 
auf Erfordern auszuweisen. 5. 185. Heimliche 
Verbindungen mehrerer Mitglieder des Staates 
müssen, wenn sie auf den Staat selbst und 
dessen Sicherheit Einfluß haben könnten, von 
den Verbundenen, bei Vermeidung nachdrück- 
licher Geld= oder Leibesstrafe, der Obrigkeit zur 
Prüfung und Genehmigung angezeigt werden. 
— UAgl. Art. 1833 des rhein. Zivilgesetzbuches. 
b) Das Edikt v. 20. Okt. 1798 (Mylius. X. 
C. C. Tom. X, p. 1775; Rabe, Sammlung, 
Bd. V, S. 226) erklärte hiernächst für unzulässig 
und verboten alle Gesellschaften und Verbin- 
dungen a) deren Zweck, Haupt= oder Neben- 
geschäft darin besteht, über gewünschte oder zu 
bewirkende Veränderungen in der Verfassung oder 
Verwaltung des Staates, oder über die Mittel, 
wie solche Veränderungen bewirkt werden könnten, 
oder über die zu diesem Zwecke zu ergreifenden 
Maßregeln, Beratschlagungen, in welcher Absicht 
es sei, anzustellen; 8# worin unbekannten Oberen 
in irgend einer Weise Gehorsam versprochen wird; 
worin bekannten O beren auf irgend eine Art 
ein so unbedingter Gehorsam versprochen wird, 
daß man dabei nicht ausdrücklich alles dassenige 
ausnimmt, was sich auf den Staat, auf dessen 
Verfassung und Verwaltung, oder auf den vom 
Staate bestimmten Religionezustand bezieht, oder 
  
  
was für die guten Sitten nachteilige Folgen 
haben könnte; 3) welche Verschwiegenheit in An- 
sehung der den Mitgliedern zu offenbarenden Ge- 
heimnisse fordern oder sich angeloben lassen; 
endlich e) welche eine geheim gehaltene Absicht 
haben oder vorgeben, oder zur Erreichung einer 
namhaft gemachten Absicht sich geheim gehaltener 
Mittel oder verborgener mystischer, hieroglyphi- 
scher Formen bedienen. — Dagegen sollten (nach 
S. 3 a. a. O.) von dem Freimaurerorden die drei 
Mutterlogen zu den drei Weltkugeln, die große 
Landesloge, die Loge Royal Tork de I’Amitie 
und deren Tochterlogen geduldet und die Ber- 
bote auf sie nicht angewendet werden, wogegen 
auch in betreff ihrer (in §§. 9—13) Beschrän- 
kungen festgesetzt und (im §.4) alle übrigen Logen 
verboten wurden. Vgl. über die Stellung der 
Freimaurerlogen im heutigen preußischen Recht, 
insbesondere über die „Tochterlogen“, Entsch. des 
O. V. G., Bd. XIX, S. 29 ff., Reskr. des M. d. 
Inn. v. 7. Dez. 1893 (Ver. B. 1894, S. 120). 
Jc) Die Verordnung v. 6. Jan. 1816 (G. S., 
S. 5) erneuerte die Vorschriften des Edikts v. 
20. Okt. 1798 und des A. L. R., Teil II, Tit. 20, 
§#§. 184, 185 und erklärte dieselben für den 
ganzen Umfang der Monarchie (einschließlich der 
Rheinprovinz, vgl. Kab. O. v. 30. Dez. 1832, 
v. Kamptz, Annalen, Bd. XVII, S. 140) für 
gültig. d) Insbesondere sind demnächst Studenten- 
verbindungen Gegenstand einer großen Anzahl von 
Verordnungen geworden (vgl. v. Rönne, Unter- 
richtswesen des Preuß. Staates, Bd. II, S.572 f..), 
welche sämtlich aufgehoben worden sind durch das 
G. v. 7. Jan. 1838 über die Bestrafungen der 
Studentenverbindungen (G. S., S. 13), durch 
welches alle Smdentenverbindungen ohne Aus- 
nahme verboten und mit Strafen und Verlust 
der Anstellungefähigkeit bedroht wurden. — Uber 
die gegenwärtig bezüglich des Verbindungswesens 
auf den Universitäten zur Anwendung zu brin- 
genden Grundsätze, die denen des G. v. 7. Jan. 
1838 genau entgegengesetzt sind, vgl. das Restkr. 
des M. der geistl. usw. Ang. v. 1. Febr. 1870 
(M. Bl. d. i. Verw., S. 73). e) Der Beschluß 
der deutschen Bundesversammlung v. 5. Juli 1832 
sprach ein fast unbdedingtes Verbot aller Volks- 
versammlungen und politischen Vereine aus. 
Dieser Bundeobeschluß ist mittels Patents v. 
25. Sept. 1832 (G. S., S. 216) für die zum 
Deutschen Bunde gehörigen Provinzen des Pren- 
ßischen Staates publiziert, und durch die Ver- 
ordnung v. 5. Dez. 1845 (G. S., S. 131) auch 
auf die Provinzen Preußen und Posen ausge- 
dehnt worden. Uber die Anwendung desselben 
auf die kommunistischen Vereine vgl. den Bundes- 
beschluß v. 6. Aug. 1846 nebst Publikationspatent 
v. 1. März 1847 (G. S., S. 111). 
1 G. S. 1848, S. 87. 
2 Der §. 4 a. a. O. lautet: „Alle Preußen find 
berechtigt, sich friedlich und ohne Waffen in ge- 
schlossenen Räumen zu versammeln, ohne daß die 
Ausübung dieses Rechtes einer vorgängigen polizei- 
lichen Erlaubnis unterworfen wäre. Auch Ver-
	        
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