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gebung ihrer dienstlichen Eigenschaft! erscheinen. Sind sie nicht Polizeibeamte, so müssen
sie durch besondere Abzeichen erkennbar sein. Den Abgeordneten muß ein angemessener
Platz eingeräumt, ihnen auch auf Erfordern durch den Vorsitzenden Auskunft über Name,
Stand und Wohnort jedes Redners, selbst wenn es sich nur um einen Zwischenruf
handelt, gegeben (§. 4) und sie so in die Lage gesetzt werden, „über alle Vorgänge in
der Versammlung Aufklärung zu erhalten“. „Zur Angemessenheit des Platzes wird
in erster Reihe gehören, daß er dem Abgeordneten die Möglichkeit bietet, seines Amtes
zu walten. Der Abgeordnete wird also einen Platz beanspruchen dürfen, von dem aus
er die Vorgänge in der Versammlung verfolgen kann, der so gelegen ist, daß er ohne
Belästigung von dem Vorsitzenden Erkundigungen einziehen kann und von dem aus er
endlich sich allen Versammelten bemerklich machen kann, wenn er eine amtliche Mit-
teilung an die Versammelten richten will. Es wird zur Angemessenheit ferner erforder-
lich sein, daß der Platz nicht durch irgend welche besondere Umstände geeignet sei, die
Anweisung dieses Platzes als unvereinbar mit der Würde der vertretenen Behörde er-
scheinen zu lassen.“3
Die Strafen der Zuwiderhandlung hiergegen bestimmt der §. 14 der Verord-
nung.“
5. Die Abgeordneten der Polizeibehörde sind, vorbehaltlich des gegen die Beteiligten
gesetzlich einzuleitenden Strafverfahrens, befugt, sofort jede Versammlung aufzulösens,
a) wenn die Bescheinigung der erfolgten Anzeige (§§. 1 und 3) nicht vorgelegt werden
kann; b) wenn in der Versammlung Anträge oder Vorschläge erörtert werden, die eine
Aufforderung oder Anreizung zu strafbaren Handlungen enthalten; der strafbare Inhalt
einer Rede kann eine solche enthalten, doch ist dies nicht an sich notwendig der Fall";
c) wenn in der Versammlung Bewaffnete, auch nur ein Einziger, erscheinen, die, der
Aufforderung des Abgeordneten der Obrigkeit entgegen, nicht entfernt werden (§. 5).
Die Auflösung einer Versammlung durch den dieselbe überwachenden Beamten ist aber
auch in anderen, als in den in §. 5 ausdrücklich bezeichneten Fällen zulässig, da den
Versammlungen gegenüber die allgemeinen Gesetze in Kraft bleiben; alle allgemein
polizeilichen Gesichtspunkte der Ruhe, Sicherheit und Ordnung, nicht aller-
dings die bloße Möglichkeit von Störungen oder unlautere Motive des Unternehmers,
können somit dem Polizeivertreter als berechtigter Grund der Auflösung
zur Seite stehen.' Über die Auflösung von Versammlungen, die in nichtdeutscher
Sprache abgehalten werden, s. unten S. 293f.
6. Sobald ein Abgeordneter der Polizeibehörde die Versammlung für aufgelöst er-
klärt hat, sind alle Anwesenden verpflichtet, sich sofort, auf Verlangen des Polizeivertreters
Versammlungs= und Vereinsrecht.
1 Diese Kundgebung kann sowohl durch eine
den Versammelten in ausdrücklichen Worten ab-
gegebene Erklärung, als auch durch konkludente
Handlungen erfolgen, die das Erscheinen des Ab-
geordneten in dienstlicher Eigenschaft unzweifelhaft
kundmachen (Erk. des Ob. Trib. v. 24. Jan.
1877, Oppenhoffs Rechtspr., Bd. XVIII, S. 61,
Goltdammers Archiv, Bd. XXV, S. 83).
: Caspar, So. 77 f., bes. auch über die Be-
deutung des „angemessenen“ Platzes. Die An-
sicht des O. V. G., die Anwesenheit der Polizeiver-
treter sei eine „bloß passive“, ist schon dem Wortlaut
des Gesetzes gegenüber ein kaum begreiflicher Irr-
tum; die Anwesenheit des Polizeivertreters kann
jeden Augenblick während der Versammlung sehr
„aktiv“ werden, sei es aus Gründen der allgemeinen
Polizei, sei es der besonderen Versammlungspolizei.
7 Caspar, S. 78.
* Nämlich Geldbuße von 30—300 Mark oder
Gefängnisstrafe von 14 Tagen bis zu 6 Monaten
gegen jeden Vorsteher, Ordner oder Leiter.
* Uber die Voraussetzungen der Auflösung der
Versammlung „wegen Erörterung von Anträgen
und Vorschlägen, die eine Aufforderung oder An-
reizung zu strafbaren Handlungen enthalten“,
vgl. die Aufsätze in der Deutschen Gerichtszeitung
1862, S. 260 und 264; Delius, S. 24;
Thilo, S. 47; Caspar, S. 81; Schwartz,
Verf. Urk., S. 395, im übrigen die strafrechtliche
Literatur zu R. St. G. B., §§. 85, 110—112.
* O. V. G., Entsch. v. 3. Juni 1902, Zeit-
schrift „Selbstverwaltung“ 1902, S. 615 und
Deutsche Jur. Ztg. 1903, S. 84e, die nicht un-
bedenklich sein dürfte.
* Ebenso Caspar, S. 79; Schwartz, Verf.
Urk., S. 394 (Uberfüllung, Feuersgefahr und
dergleichen). Mit Recht bezeichnet Caspar
die Aufgabe der Polizeivertreter als „ein
zwiefaches Aufsichtsrecht", einmal gemäß
den „allgemeinen Aufgaben der Polizei-
behörde“, sodann gemäß den Spezialvor-
schriftendes Vereinsgesetzes. Vgl. auch Entsch.
d. O. V. G., Bd. I, S. 347, XI, S. 382, XlIII,
S. 102, VI, S.371, XXIII, S. 413, XNXXI, S. 410.