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nehmigung ist der beabsichtigte Weg anzugeben.
Das Staatsbürgerrecht.
G. 60.)
Gewöhnliche Leichenbegängnisse, sowie
Züge der Hochzeitsversammlungen, wo diese hergebracht sind, kirchliche Prozessionen, Wall-
fahrten und Bittgänge, wenn sie in der hergebrachten Art!½ stattfinden, bedürfen einer
vorgüngigen Genehmigung und selbst einer Anzeige nicht (§. 10)2,
das Wasffenverbot,
24.Mai 1866, Oppenhoffs Rechtsprechung, Bd. VII,
S. 310, Goltdammers Archiv, Bd. XIV, S. 494).
— Vgl. den auf den hierdurch (gegen die An-
sicht des Staatsministeriums) entschiedenen Rechts-
fall bezüglichen Bericht der Justizkommission des
Abg. H. v. 7. Febr. 1866 (Stenogr. Ber. des
Abg. H. 1866, Anl. Bd., S. 130, Aktenst.
Nr. 38) betr. das sogen. Cölner Abgeordnetenfest,
und die Verhandlungen darüber in der Plenar-
sitzung des Abg. H. v. 16. Febr. 1866 (a. a.
O., Bd. I, S. 222—250). Vgl. Caspar, S.
91 ff.; bes. über „Aufzug“ („daß die Menschen-
menge als ein geschlossenes Ganze sich darstellen
soll“). Schwartz, Verf. Urk., S. 406; Entsch.
des Reichsgerichts i. Strafs. XXI, S. 13, 370.
(Freier Verkehr des Publikums, auch wenn der
Boden Privateigentum ist.)
1 a) Diese Worte beziehen sich auf das Her-
kommen an dem bestimmten in Rede stehenden
Orte (Erk. des Ob. Trib. v. 14. April 1853,
Entsch., Bd. XXIV, S. 497, desgl. Erk. des
Ob. Trib. v. 28. Febr. 1861, Entsch., Bd. XLVI,
S. 437°, und Oppenhoffs Rechtsprechung, Bd. I,
S. 287 v. 1. März 1861, Goltdammers Archiv,
Bd. IX, S. 355, v. 17. Sept. 1862, J. M.
Bl. 1862, S. 297, Goltdammers Archiv, Bd. X,
S. 770, Oppenhoffs Rechtsprechung, Bd. III,
S. 5, v. 3. Okt. 1862, Entsch., Bd. XLIX,
S. 197, Oppenhoffs Rechtsprechung, Bd. III,
S. 48, J. M. Bl. 1862, S. 314 und v. 19.
Juni 1863, J. M. Bl. 1863, S. 199, Golt-
dammers Archiv, Bd. XI, S. 623, Oppen-
hoffs Rechtspr., Bd. III, S. 513). Über die ab-
weichende Ansicht des Kammergerichts vgl. Som-
mers Arnsbergisches Archiv, Bd. XVI, S. 242 ff.
b) Derjenige, welcher angeklagt ist, eine Pro-
zession ohne die erforderliche polizeiliche Geneh-
migung geleitet zu haben, hat den Beweis des
Einwandes der Herkömmlichkeit zu führen (Erk.
des Ob. Trib. v. 17. Sept. 1862, J. M. Bl.
1862, S. 297, Goltdammers Archiv, Bd. X,
S. 770, Oppenhoffs Rechtspr., Bd. III, S. 5).
: a) Über das polizeiliche Einschreiten gegen
Hemmungen des Straßenverkehrs, gegen Be-
lästigungen des Publikums usw. bei Prozessionen,
Wallfahrten usw., hat das Zirk. Reskr. des
Ministeriums der geistl. usw. Ang. und des
Inn. v. 26. Aug. 1874 (M. Bl. d. i. Verw.
S. 201) ausführliche Anordnungen erlassen.
b) Aufzüge, welche lediglich zum Zwecke einer
hergebrachten kirchlichen Zeremonie in der Kirche
vorgenommen werden und einen Teil dieser
kirchlichen Zeremonie selbst bilden, bedürfen, selbst
wenn sie unter freiem Himmel stattfinden, nicht
der vorgängigen polizeilichen Genehmigung (Erk.
des Ob. Trib. v. 1. April 1870, Oppenhoffs Rechtspr.,
Bd. XI, S. 221). c) Kirchliche Prozessionen usw.,
welche in einer bestimmten Gegend beim Ein-
tritte gewisser Ereignisse herkömmlich stattzufinden
pflegen, bedürfen — wenn sie in hergebrachter
Weise stattfinden — nicht der vorgängigen Ge-
nehmigung der Ortspolizeibehörde, sollte auch an
dem betr. Einzelorte seit längerer Zeit eine solche
nicht stattgefunden haben (Erk. des Ob. Trib. v.
18. März 1875, Oppenhoffs Rechtsprechung, Bo
XVI, S. 234, Goltdammers Archiv, Bd. XXIII,
S. 376). d) Es stellt einen öffentlichen Aufzug
dar, wenn eine vereinigte Menschenmenge in einer
Weise sich über öffentliche Straßen hinbewegt,
welche die Aufmerksamkeit des Publikums zu er-
regen und die öffentliche Ordnung, insbesondere
den Verkehr, zu gefährden geeignet ist. Der Nach-
weisung, daß dadurch ein Versammlungs= oder
Vereinigungsrecht habe ausgeübt oder in An-
spruch genommen werden sollen, bedarf es nicht.
Eine Ausdehnung der gesetzlichen Ausnahmen
von dem Erfordernis schriftlicher polizeilicher Ge-
nehmigung öffentlicher Aufzüge ist nicht statthaft.
Für die Annahme des Dolus der Leiter und
Ordner genügt es, wenn sie gewußt haben, daß
eine schriftliche Genehmigung nicht nachgesucht
und erteilt war (Erk. des Ob. Trib. v. 12. Sept.
1877, Oppenhoffs Rechtsprechung, Bd. XVIII, S.
553, Goltdammers Archiv, Bd. XXV, S. 640).
e) Bei der Beurteilung, ob ein Leichenbegäng-
nis im Sinne des §. 10 ein gewöhnliches sei,
kommt es nicht darauf an, ob der Beerdigungs-
akt in seiner äußeren Form und Einrichtung
von dem seither Gewöhnlichen und Hergebrachten
abweicht; vielmehr entscheidet die Rücksicht, ob
bei dem betreffenden Aufzuge die Absicht zu-
grunde lag, über die Zwecke eines Leichenbe-
gängnisses hinauszugehen und ob dadurch die ge-
setzliche Freiheit und Ordnung gefährdet werden
sollte (Erk. des Ob. Trib. v. 22. Juni 1877,
Oppenhoffs Rechtspr., Bd. XVIII, S. 468, Golt-
dammers Archiv, Bd. XXV, S. 475). Von dieser
Auffassung geht auch bereits das Erk. des Ob. Trib.
v. 14. Okt. 1858 (Goltdammers Archiv, Bd. VII,
S. 90 ff.) aus. UVgl. auch Caspar, S. 96:;
Delius, S.337; Schwarsz, Verf. Urk., S.407.
f) Ein Leichenbegängnis hört deshalb nicht auf,
ein „gewöhnliches“ im Sinne des Vereinsgesetzes
zu sein, weil dem Gebrauche zuwider die Geist-
lichkeit nicht zugezogen worden ist (Erk. des
Ob. Trib. v. 27. Febr. 1879, Oppenhoffs Recht-
sprechung, Bd. XX, S. 106); wohl aber wenn
ein Laie als Redner auftritt: Entsch. d. O. V. G.,
Bd. XVI, S. 386, übereinst. das Kammergericht:
Johow, Jahrb. Bd. X. S. 253. Vgl. ferner
Entsch. d. O. V. G., Bd. XXXI, S. 418.
g6) Der §. 10 findet auch auf Wallfahrten An-
wendung, deren Endziel im Auslande ist. Provin-
zielle Gesetze über Wallfahrten (insbesondere das
schlesische Zirk. Reskr. v. 28. Juni 1764, welches
Wallfahrten außer Landes bei Strafe verbietet)
sind außer Kraft getreten (Erk. des Ob. Trib.
v. 8. Nov. 1877, Oppenhoffs Rechtspr., Bd.
XVIII, S. 696, Goltdammers Archiv, Bd. XXV,
S. 639. h) Die Bestimmung des §.10, daß kirch-
liche Prozessionen, wenn sie in hergebrachter Art
stattfinden, einer Anzeige und Genchmigung nicht
bedürfen, bezieht sich nur auf die bereits zur Zeit
des Erlasses des Vereinsgesetzes hergebrachten