296 Das Staatsbürgerrecht. (8. 60.)
rechte erteilt oder verweigert werden, in betreff der Religions- und geistlichen Gesellschaften
an dem Grundsatze des Art. 13 festhalten muß, so daß also diese Gattungen der Ge-
sellschaft niemals anders korporative Rechte erhalten können, als durch ein förmliches Ge-
setz.1 Dieser Satz des preußischen Verfassungsrechtes müßte den allgemeinen Vorschriften
des B. G. B. gegenüber als dahingefallen betrachtet werden, wenn nicht in Art. 84
des Einführungsgesetzes zum B. G. B. der ausdrückliche Vorbehalt gemacht wäre: „Un-
berührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen eine Religionsgesellschaft
oder eine geistliche Gesellschaft Rechtsfähigkeit nur im Wege der Gesetzgebung erlangen
kann.“ Durch diesen Vorbehalt ist die fortdauernde Geltung des Art. 13 Verf. Urk.
gedeckt. Was dagegen alle übrigen Gattungen der Gesellschaften betrifft, so ergibt der
Art. 31, daß es keineswegs die Absicht der Verfassung ist, der Regierung die Entscheidung
darüber zu entziehen, ob solchen Gesellschaften in den einzelnen Fällen Korporationsrechte
zu bewilligen oder zu versagen seien, dergestalt, daß diese Frage jedesmal von einem Zu-
sammenwirken der drei Faktoren der gesetzgebenden Gewalt abhängig zu machen wäre,
sondern daß vielmehr die Regierung allein hierüber zu bestimmen haben soll. Dagegen
ist es die Absicht der Verfassung, daß im Wege der ordentlichen Gesetzgebung die Prin-
zipien festgestellt werden sollen, nach welchen sich die Regierung bei der Beurteilung und
Entscheidung der einzelnen Fälle zu richten hat. Diese Absicht ist nunmehr durch die
Vorschriften des deutschen B. G. B. in vollem Umfange verwirklicht und damit der Ge-
danke des Art. 31 durch die Reichsgesetzgebung zur Ausführung gelangt. Allerdings
behält das Einführungsgesetz zum B. G. B. für verschiedene Arten der Gesellschafts-
bildung das Landesrecht vor, so flr die Waldgenossenschaften, die Deichgenossenschaften
u. a. m. (E. G., Art. 65, 67, 69, 82, 83).5
Die gesetzlichen Bestimmungen, welche in betreff der Verleihung von Korporations-
rechten", abgesehen von der Bewilligung solcher Rechte an Religionsgesellschaften und
geistliche Gesellschaften, in Geltung standen, waren die §§. 25, 26, A. L. R. II, S. 6.5
1 Bezüglich der Erteilung der Korporations-! Korporationsrechten in die Hand der Gesetzgebung
rechte an Mennonitengemeinden, bezw. an Bap= zu legen, daß es aber notwendig sei, die Erteilung
tistengemeinden, haben die G. v. 12. Juni 1874 oder Versagung dieser Rechte an gewisse Regeln
(G. S. 1874, S. 238) und v. 7. Juli 1875 zu binden, um dadurch der Willkür Schranken
(G. S. 1875, S. 374) die Normativbedingungen zu ziehen (Stenogr. Ber. der I. Kammer, 1849
aufgestellt und den Ministerien der Justiz, des —50, Bd. II, S. 773 und 776).
Innern und der geistl. usw. Ang. die Ermächtigung : Über die fast verzweifelte Schwierigkeit der Vor-
zur Erteilung der Korporationsrechte an die arbeiten für das jetzt geltende Reichsrecht s. die
einzelnen Gemeinden nach Maßgabe dicfer Be- Skizze bei Endemann, Bod. J, S. 179, Note 1.
dingungen übertragen. Vgl. dazu die Ubersicht 4 Die vermögensrechtliche Seite der Korporation
über diejenigen Religionegesellschaften, welche gehört lediglich dem Privatrechte an; im öffent-
kraft vorverfassungsmaßigen Rechtes „Korpo- lichen Rechte kann es sich nur darum handeln,
rationsrechte haben“, bei Arndt, Verf. Urk., ihre Entstehung und die Sicherung ihrer Existenz
S. 65 f. Über den Begriff „geistliche Gesell-F dem Staate gegenüber zu regeln, sowie die Art
schaften“ A. L. R., Teil II, Tit. 11, §.939 ff. und Weise ihrer Vertretung im Rechtsverkehr
Die Gesamtdarstellung dieser religionsrechtlichen, und der Verfolgung ihrer öffentlichen Zwecke zu
Verhöältnisse unten in dem Kapitel: Verhältnis bestimmen. — Das A. L. R. handelt von den
zwischen Staat und Kirche. Korporationen Üüberhaupt in Teil II, Tit. 6, und
* Der Zentralausschuß der I. Kammer er= dispeniert daselbst: a) über ihre Grundverfassung
kannte in seinem Berichte über den Art. 31 aus= sS8s. 27—41; b) ihre inneren Rechte 88. 42—80;
drücklich an, daß Schwierigkeiten daraus entstehen. c) ihre äußeren Rechte ö§s. 81—113; d) ihre
würden, wenn die Erteilung von Korporations= Nevpräsentation ss. 114— 136; e) ihre Vor-
rechten in jedem einzelnen Falle nur durch ein steher §#§. 137—146; f) ihre Beamten Ss. 147
Gesetz erfolgen könne, indem dabei die verschieden- —176; 8g) ihre Dauer SS. 177—181; h) den
artigsten sachlichen, örtlichen und persönlichen Austritt einzelner Mitglieder §§. 182 — 188;
Verhältnisse zur Sprache kommen würden, deren .) ihre Aufhebung §s. 189—202.
Erörterung den Kammern teils unmöglich, teils 5 Diese Paragraphen lauten: §. 25. „Die
der Erledigung ihrer wichtigeren Aufgaben hinder-= Rechte der Korporationen und Gemeinden kommen
lich sein und in oft dringenden Fallen vielleicht nur solchen vom Staate genehmigten Gesellschaften
wohlbegründete, im Interesse des Ganzen zu zu, die sich zu einem fortdauernden gemeinnützigen
fördernde Anträge auf Erteilung von Korporations= Zwecke verbunden haben.“ §. 26. „Die Ver-
rechten vereiteln würde. Deshalb war der Zen= hältnisse und Rechte der Korporationen und Ge-
tralausschuß der Ansicht, daß davon Abstand meinden sind hauptsächlich nach den bei ihrer Er-
genommen werden müsse, die Erteilung von richtung geschlossenen Verträgen oder ergangenen