298 Das Staatsbürgerrecht. (S. 60.)
2. Vorausgesetzt wird vom B. G. B. die Rechtsfähigkeit der kraft älterer
Rechtsentwicklung bestehenden sog. Korporationen des öffentlichen Rechtes: Staat
(Fiskus), Gemeinden, Landeskirchen. Für sie gelten grundsätzlich die Vorschriften des
B. G. B. nebst dem für diese Korporationen etwa vorhandenen Spezialrecht; B. G. B.
§. 89 enthült dazu eine Sondervorschrift zwingender Art, die dem Spezialrecht ent-
zogen ist.1
3. Alle übrigen Vereine unterstehen dem B. G. B. auf Grund ihrer
Errichtung bezw. sind in das System des B. G. B. überzuführen, wenn sie
die „Rechtsfähigkeit“:, die Rechte der juristischen Person, haben wollen.
4. Rechtliche Notwendigkeit aber ist die Rechtsfähigkeit für einen
Verein nicht; Vereinen ohne „Rechtsfähigkeit“ steht an sich kein Hindernis entgegen;
es gibt auch „nichtrechtsfähige“ Vereine; außerdem können in Betracht kommen die Vor-
schriften des B. G. B. über die Gesellschaft (§. 705 ff.).7
5. Die „Rechtsfähigkeit“ kann nach B. G. B. nur durch einen staat-
lichen Akt erworben werden":; sie tritt nach dem geltenden deutschen Reichsrecht
niemals ipso jure ein; der staatliche Akt ist für verschiedene Kategorien von Vereinen
juristisch verschieden gestaltet.
Landesrechtliche Einschränkungen der Rechtsfähigkeit behält das B. G. B. bezüglich
der ihm angehörenden Vereine nur insoweit vor, als für die einzelnen Fälle von Ver-
mögenserwerb über 5000 Mark landesrechtlich noch besondere Staatsgenehmigung ge-
fordert werden kann.? Für Preußen gilt in dieser Beziehung das Gesetz v. 23. Febr.
1870.“
6. Vereine, die ihren Sitz nicht in einem deutschen Einzelstaate bezw. in Elsaß-
Lothringen haben, also im Auslande, aber auch in den Kolonien, können nur durch
Beschluß des obersten Reichsorganes, des Bundesrates, die Rechtsfähigkeit erlangen; der
Bundesrat ist demnach bezüglich solcher Vereine unumschränkt in der Lage, diejenigen
Garantien, insbesondere hinsichtlich der Aufsicht, vorzuschreiben, die ihm erforderlich scheinen.
Veränderung der — durch das Gesetz vorgeschriebenen — Satzungen sind nur mit Ge-
nehmigung des Bundesrates zulässig.7
7. Vereine, deren Zweck ein „wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb“ ist, erhalten die
Rechtsfähigkeit durch die Staatsgenehmigung des Einzelstaates, in dem sie ihren
Sitz haben s; auch hier können bei der Genehmigung von Staats wegen alle erforderlich
erscheinenden Auflagen besonders in bezug auf Staatsaufsicht gemacht werden und die
Abänderung der Satzungen bedarf gleichfalls der Staatsgenehmigung?; diese zu erteilen
ist in Preußen der betr. Ressortminister zuständig. (Konzessionssystem.) 10
Landesgesetzliche Vorschriften über die Verfassung solcher Vereine bleiben vorbe-
halten. 11
8. Vereine endlich, die keinen wirtschaftlichen Vereinszweck haben, er-
halten die Rechtsfähigkeit durch Eintrag in das amtsgerichtlich zu führende und jeder-
1 Crome, Rd. I, §. 57; Cosack, BZ-d. I,
5s. 37;) Endemann, Zd. 1. §. 49. Die Be-
deutung, die Crome dem B. G. B. für diese
Gruppe juristischer Personen beimißt, ist zu ge-
ring; der „Grundsatz“ ist das B. G. B., dazu
kommt das Spezialrecht.
1 S. über die Schranken dieser Rechtsfähig-
keit Crome, Bd. 1, S. 227.
* Endemann, Bd. L, S. 176 und §. 46;
Crome, Bd. l, . 55; Gierke, Vereine ohne Rechts-
sähigkeit; weitere Monographien von Schlegel,
Smart, ferner Staudinger, D. Jur. Z. V,
nB7öff., Hatschek, ebda., S. 492 ff., A. L. R., II, 6,
§. 11 ff. kommen dadurch in Wegfall.
4 Vgl. hierher Crome, Bd. 1, S. 230 f.
5s Einführungsgesetz, Art. 86 — der Gedanke
der alten Amortisationsgesetze; vgl. Cosack,
Bd. I, S. 108; Endemann, 8. Aufl., Bd. I,
S. 173; Crome, Bd. I, S. 229.
" Preußisches Ausführungsgesetz, Art. 6, 7.
Über den dem preußischen Gesetz zugrunde liegen-
den interessanten Gedanken s. die Schrift von
Kahl, Amortisationsgesetzgebung 1879, und des-
selben Artikel „Amortisationsgesetze"“ im Hand-
wörterb. der Staatswissenschaften, 2. Aufl., Bd. 1
(1898), S. 384 ff.
7 B. G. B., §§. 23, 33, Abs. 2 mit Ein-
führungsgesetz, Art. 10; Crome, Bd. I, S. 247.
s Cosack, Bd. I. S. 99; Endemann, Pd. 1,
S. 193.
* B. G. B., 8§§. 22, 33, Abs. 2.
10 Allerh. Verordn. v. 16. Nov. 1899, Art. 1.
11 Einführungsgesetz, Art. 82.