Allgemeines. 301
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und materieller Schranken übertragen ist, der Behörden. Die Rechtsgrundsätze, welche sich
auf die Bildung jener Einrichtungen, sowie auf die Bestellung und Instruktion jener
Organe beziehen, also der Inbegriff der Normen über die zur Ausübung der Staats-
gewalt und der einzelnen Hoheitsrechte innerhalb der Grenzen der Verfassung berufenen
Organe, der Behörden, bilden die formelle Grundlage für das materielle Verwaltungs-
recht und gehören demgemäß als Vorschriften organisatorischer Natur dem Verfassungs-
recht, als Grundlage für das Leben des Staates, insoweit es sich in der Verwaltung
darstellt, dem Verwaltungsrechte an. In der Staatsverwaltung zeigt sich das stets be-
wegliche Leben der Staatsorgane, und es steht die Verwaltung zur Verfassung in dem
Verhältnisse, wie das Mittel zum Zwecke. Was jene beabsichtigt und wofür sie die
Organe schafft, soll diese zur Ausführung bringen. Daher muß die Ausübung der Re-
gierung den Bestimmungen der Verfassung gemäß erfolgen und die Verwaltung ist an
diese gebunden; sie findet ihre bestimmten Schranken einerseits schon in dem Wesen und
Zwecke des Staates selbst, andererseits aber in dem für sie unabänderlichen Staats-
verfassungsrechte. Daraus ergibt sich von selbst, daß die Staatsverwaltung keineswegs
berechtigt ist, ihr Ziel nach freiem Belieben zu verfolgen, sondern daß es ihre Pflicht
ist, sich nur der verfassungsmäßigen Mittel zu bedienen. Aber nicht bloß die in der
Verfassung festgesetzten äußeren Formen und Schranken müssen bei der Ausübung der
Regierung innegehalten werden, sondern die Verwaltung muß auch im Sinne und Geiste
der Verfassung erfolgen. Daher bedarf es der Feststellung eines dementsprechenden
Verwaltungsrechtes, welches überall die Grundsätze der Verfassung, sowohl formell, als
materiell, zur Grundlage haben muß und diese niemals verletzen darf. Die Ausbildung
dieses Teiles des öffentlichen Rechtes, die nähere Bestimmung der in der Verfassung
nur in den Grundzügen niedergelegten Prinzipien und Einrichtungen, ist für die Ver-
wirklichung der Zwecke des konstitutionellen Staates von ebensogroßer Bedeutung, als
die Verfassung selbst. Denn diese würde ein toter Buchstabe bleiben, wenn nicht ihre
allgemeinen Gedanken auf die verschiedenen im Staatsleben vorkommenden Verhältnisse
und Gegenstünde im Sinne und Geiste der Verfassung angewendet werden.? — Der
Preußische Staat hat in der Zeitperiode seit dem Jahre 1806 den Weg der Reform
1 Die Bezeichnung: „Verwaltung“ wird in
Theorie und Praxis auch in einer engeren Be-
deutung verstanden, nämlich in dem Sinne, daß
man darunter nur diejenigen Angelegenheiten be-
greift, welche keine Justizsachen sind, sondern von
den Administrativbehörden, wenn auch nach Rechts-
grundsätzen, so doch mit Berücksichtigung der
Grundsätze der Zweckmäßigkeit oder Nützlichkeit
und der faktischen Notwendigkeit, behandelt und
entschieden werden. Es gehört dahin also
namentlich die Ausübung der Polizei= und Finanz-
hoheit. In diesem Sinne werden die Verwal-
tungssachen den Justizsachen gegenübergestellt und
hierauf bezieht sich die Trennung der Justiz und
Verwaltung. — Uber die verschiedenen Ansichten
von dem Begriffe, dem Umfange und den Teilen
des Verwaltungsrechtes vgl. Hoffmann in der
Tübinger Zeitschr. für die gesamte Staatswissen-
schaft, Jahrg. 1844, H. 1, S. 190 f.; ferner die oben
N. bhau S.300 zitierte Literatur; ferner v. Sarwey,
Allgem. St. R., S. 14, und Ulbrich, Der Rechts-
begriff der Verwaltung in Grünhuts Zeitschrift,
Bd. IX (1882), S. 1 ff., und desselben Oster-
reichisches Staatsrecht, 3. Aufl. (1904), S. 136;
v. Stengel, Begriff, Umfang und System des
Verwaltungsrechts, Zeitschr. f. St., Bd. XXXVIII,
S. 218 ff.; Stier-Somlo, Einwirkung des
bürgerlichen Rechts auf das Verwaltungerecht,
S. 52—57.
* Sonst würden die Formen der Verfassung
nur dazu dienen, um unter freisinniger Maske
absolutistische und selbstsüchtige Tendenzen zu
verbergen. Der große König, indem er die nach-
teiligen Folgen des Wechsels der Charaktere der
aufeinanderfolgenden Fürsten und der absoluten
Gewalt schildert, knüpft hieran Worte, welche
speziell für die Monarchie die hohe Wichtigkeit
der Verwaltungseinrichtungen hervorheben: „II
fant donc, que dans les monarchies les éta-
blissements, qui doivent braver la vicissitude
des siechles, ayent des racines si profondes,
qu'on ne puisse les arracher, sans ébranler
en meme temps les plus solides fondements
du tröne“ (Oeuvres bistoriques de Frédéric
le Grand, nouvelle édition 1830, Tom. I, p. 339).
— Von solchem Sinne waren auch die her-
vorragenden preußischen Staatsmänner der Stein-
Hardenbergschen Periode durchdrungen. So äußert
Niebuhr in der Vorrede zu der Schrift des Ober-
präsidenten Freiherrn v. Vincke (Darstellung der
inneren Verfassung Großbritanniens, S. 1) von
diesem: „Er war von dem Sinne beseelt, der
unsere Gesetngebung damals (1808) wenigstens
nach schönen und edlen Zügen leitete, — von
der Erkenntnis, daß die Freiheit ungleich mehr
auf der Verwaltung, als auf der Verfassung be-
ruhe, aus welcher die Städteordnung hervorging,
und eine vollendete Neihe gleicher Einrichtungen
sich neben dieser erhoben haben würde, wenn das
Schicksal nicht störend dazwischengetreten wäre.“