Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Provinzen. (8. 62.) 303 
I. Was die Provinzialeinteilung des Staates betrifft, so ist dieselbe in ihrer 
gegenwärtigen Gestalt modern.! Sie beruht für die vor dem Jahre 1866 den Preußischen 
Staat bildenden Landesteile auf der Verordnung vom 30. April 1815 wegen verbesserter 
Einrichtung der Provinzialbehörden?, welche in §. 1 bestimmt, daß der Preußische Staat 
in zehn Provinzen geteilt werde, daß eine oder mehrere Provinzen zusammengenommen 
eine Militärabteilung bilden, deren überhaupt fünf sein sollen 7, und daß jede Provinz 
in zwei oder mehr Regierungsbezirke geteilt werde, deren überhaupt fünfundzwanzig sein 
sollen. Die nach dieser Verordnung festgesetzten zehn Provinzen sind indes später auf 
acht zurückgeführt worden, indem die beiden Provinzen Preußen und Westpreußen zu 
einer Provinz Preußen, und die beiden Provinzen Cleve-Berg und Niederrhein zu einer 
Rheinprovinz vereinigt wurden. Somit bestanden bis zum Jahre 1866 acht Provinzen, 
nämlich die sechs östlichen (Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien, Posen 
und Sachsen) und die beiden westlichen (Westfalen und die Rheinprovinz). Zu 
diesen sind seit dem Jahre 1866 die aus den infolge des Krieges neuerworbenen Ge- 
bieten und Gebietsteilen gebildeten Provinzen Schleswig-Holstein, Hannover und 
Hessen = Nassau getreten. Durch das Gesetz v. 19. März 1877“ ist hiernächst die 
Teilung der Provinz Preußen in die beiden Provinzen Ostpreußen und Westpreußen 
angeordnet worden, und es bestehen also gegenwärtig zwölf Provinzen. Dazu kommen 
dann ferner noch die Hohenzollernschen Lande, welche keiner der zwölf Provinzen 
  
BVerbande zusammengefügt seien". Die beiden 
Kammern beschlossen die unveränderte Beibehaltung 
des erwähnten Satzes des Art. 104; allein nun- 
mehr verlangte die Krone (in der Botschaft v. 
7. Jan. 1850, Proposition XII), daß statt jenes 
Eingangssatzes nur gesetzt werden möge: „Die 
Vertretung und Verwaltung der Gemeinden, 
Kreise, Bezirke und Provinzen des Preußischen 
Staates wird durch besondere Gesetze näher be- 
stimmt.“ Die Motive hierzu bemerken: „Durch 
diese Veränderung soll auch in der Fassung an- 
gedeutet werden, daß die hier genannten Ver- 
bände mit ihrem räumlichen Bereiche nicht zu- 
nächst und nicht lediglich als Einteilungen des 
Staatsgebietes oder administrative Verwaltungs- 
bezirke und wiederum letztere nicht lediglich in 
dieser Eigenschaft als Korporationen zu betrachten 
find.“ Die Kammern traten sodann dieser Pro- 
pofition bei und infolgedessen ging der in Rede 
stehende Satz in der von der Staatsregierung 
vorgeschlagenen veränderten Fassung als Ein- 
gangssatz in den Art. 105 der revidierten Ver- 
fassungsurkunde v. 31. Jan. 1850 über (ogl. 
hierüber v. Rönne, Bearbeitung der Verfassungs- 
urkunde, S. 196—205). Durch das G. v. 24. Mai 
1853 (G. S. 1853, S. 228) ist indes der Art. 
105 der Verfassungsurkunde v. 31. Jan. 1850 
außer Kraft gesetzt, und in jenem an dessen Stelle 
getretenen Gesetze nur ausgesprochen, „daß die 
Vertretung und Verwaltung der Gemeinden, Kreise 
und Provinzen des Staates durch besondere Gesetze 
näher bestimmt werde“. Die Einteilung des 
Staatsgebietes in Provinzen, Rreise und Ge- 
meinden wird also in diesem Gesetze nur als 
bestehend anerkannt und vorauegesetzt. — DTer 
#§. 1 des G. v. 26. Juli 1880 über die Organi- 
sation der allgemeinen Landesverwaltung (G. S. 
1880, S. 291) bestimmt: „Die Verwaltungs- 
einteilung des Staatsgebietes in Provinzen, Re- 
gierungsbezirke und Kreise bleibt mit der Maß- 
gabe bestehen, daß die Stadt Berlin aus der 
Provinz Brandenburg ausscheidet und einen Ver- 
  
waltungsbezirk für sich bildet.“ Wörtlich ebenso 
jetzt das Gesetz über die allgemeine Landesver- 
waltung — im folgenden zitiert L. V. G. — 
v. 30. Juli 1883 (G. S., S. 195), §. 1, s. dazu 
Stier Somko, Kommentar (Berlin, 1902), 
1 Die im Jahre 1815 geschaffenen zehn Pro- 
vinzen haben in Beziehung auf ihre Einteilung 
nur zum Teil eine geschichtliche Basis. Es war 
insbesondere kein historischer Grund vorhanden, 
eine Rheinprovinz zu schaffen, da die einige und 
achtzig früher und zum großen Teil bis 1803 
und 1808 selbständigen Territorien, aus welchen 
dieselbe zusammengesetzt ist, die verschiedenartigsten 
Verfassungen und Gesetzgebungen hatten. Es 
war dies also eine politisch-administrative Maß- 
regel. Dasselbe gilt von den Provinzen West- 
falen, Sachsen; denn die einzelnen Territorien, 
aus welchen dieselben zusammengesetzt wurden, 
hatten vielfach ganz verschiedene historische Tra- 
ditionen. Dasselbe gilt bezüglich der im Jahre 
1866 neuerworbenen Provinz Hessen-Nassau. Auch 
für das durch den Wiener Kongreß geschaffene 
Königreich Hannover muß das gleiche behauptet 
werden. Dagegen sind die einheitlichen Tradi- 
tionen der altpreussischen Provinzen und der 
Provinz Schleswig-Holstein starke und machtvoll 
fortwirkende Faktoren des heutigen öffentlichen 
Lebens, die zu zerstören Stein mit Recht die 
schwersten Bedenken trug: s. dazu E. Meier, 
Reform, S. 197 ff. 
* G. S. 1815, S. 85. 
5 Nach der Anlage zur Verordnung v. 30. April 
1815 (G. S. 1815, S. 93) sollen die Provinzen 
Ost= und Westpreußen die erste, die Provinzen 
Brandenburg und Pommern die zweite, die Pro- 
vinzen Schlesien und Posen die dritte, die Pro- 
vinz Sachsen die vierte, und die Provinz West- 
falen und die jetzige Rheinprovinz (Provinzen 
Cleve-Berg und Großherzogtum Niederrhein) die 
fünfte Militärabteilung bilden. 
14 G. S. 1877, S. 107.
	        
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