Die Kreise. (8. 64.) 331
Motive bemerkten hierzu, daß „das Recht des Landesherrn zur Veränderung bestehender
Kreisgrenzen oder zur Bildung neuer Kreise ein Ausfluß der Organisationsgewalt der
Krone, und als ein solches auch bisher geübt worden sei“, und es wurde dann weiter
ausgeführt, „daß die Bildung neuer Kreise erst dann zur Ausführung gelangen könne,
wenn die Mittel dazu im Staatshaushalt bewilligt worden sind, und daß somit die
Bildung neuer Kreise mittelbar an die Zustimmung der Landesvertretung geknüpft sei,
daß es aber eines besonderen Gesetzes dazu nicht bedürfe, ausgenommen in dem Falle,
wenn die Wahlbezirksbildung davon berührt wird“. Hiermit erklärte sich indes das Haus
der Abgeordneten nicht einverstanden, sondern beschloß, den 8. 3 des Entwurfs dahin
abzuändern, „daß es in allen Fällen der Veränderung bestehender Kreisgrenzen, der
Bildung neuer, sowie der Zusammenlegung mehrerer Kreise eines Gesetzes bedürfen solle,
welches auch die etwa in Betracht kommenden Grundsätze der Auseinandersetzung zu regeln
habe“.1 Es wurde insbesondere hervorgehoben?, „daß die Veränderung von Kreisgrenzen
oder die Bildung neuer Kreise keineswegs eine bloße Organisationsfrage sei, sondern eine
sehr wesentliche Veränderung in den gesamten privatrechtlichen und öffentlichen Rechts-
verhältnissen der Kreiseingesessenen, eine Veränderung der Grundlagen der Staatsver-
waltung, die niemals unter den Begriff einer bloßen Behördenorganisation fallen, sondern
stets nur durch ein Gesetz geregelt werden könne"“." Dementsprechend hat hiernächst
13. De 1872 die Frage entschieden. Dieselbe hat nämlich
auch die Kreisordnung vom #
im §. 3 bestimmt, 1. daß die Veränderung bestehender Kreisgrenzen und die Bildung
neuer, sowie die Zusammenlegung mehrerer Kreise durch Gesetz erfolgt"; 2. daß der
Bezirksausschuß über die infolge einer solchen Veränderung notwendig werdende Ausein-
andersetzung zwischen den beteiligten Kreisen beschließt, jedoch vorbehaltlich der den letzteren
gegeneinander zustehenden Klage bei dem Bezirksausschuß, und 3. daß Veränderungen
solcher Gemeinde= oder Gutsbezirksgrenzen, welche zugleich Kreisgrenzen sind, sowie die
Vereinigung eines Grundstückes, welches bisher einem Gemeinde= oder
angehörte, mit einem in einem anderen Kreise belegenen Gemeinde-
die Veränderung der betreffenden Kreisgrenzen? und, wo die Kreis-
Gutsbezirke nicht
oder Gutsbezirke
und Wahlbezirks-
1 Vgl. Sitzung v. 2. Nov. 1869 in den Stenogr.
Ber. des Abg. H. 1869—70, Bd. I, S. 242—252.
* Vgl. insbesondere die Erörterungen des Ab-
geordneten Miquel, a. a. O., S. 242; ferner
v. Rönnes Erörterung in der Sitzung des Abg.
H. v. 21. Dez. 1871 (gegen die Ausführungen
des Regierungskommissars) in den Stenogr. Ber.
des Abg. H. 1871—72, Bd. I, S. 237 und 239.
* Vgl. auch die Erklärungen des Regierungs-
kommissars Persius in den Stenogr. Ber. des
Abg. H. 1869—70, Bd. I, S. 243—244, und
des M. d. Inn., a. a. O., S. 248, welche das
Verordnungsrecht des Königs für den hier in
Rede stehenden Fall lediglich aus denjenigen Grün-
den gefolgert haben, deren die (oben erwähnten)
Motive des §. 3 des Entwurfs der Kreisordnung
von 1869 gedenken, indem sie die Bestimmungen
der Gemeindegesetze lediglich als unterstützendes
Argument de lege ferenda in bezug nehmen.
4 Auf Grund dieser Bestimmung sind Ver-
änderungen der bestehenden Kreis= und bezw. Pro-
vinzialgrenzen seitdem durch Gesetze vielfach erfolgt,
vgl. z. B. G. v. 17. Juni 1875, betreffend die
Veränderung der Grenzen einiger Kreise in den
Provinzen Preußen, Brandenburg, Schlesien und
Sachsen (G. S. 1875, S. 305); G. v. 5. Juli
1876, betreffend die Veränderung der Grenzen
einiger Kreise in den Provinzen Preußen, Pom-
mern, Schlesien und Sachsen (G. S. 1876,
S. 286); G. v. 8. Febr. 1878, betreffend Ver-
änderungen der Grenzen der Provinzen Preußen
und Pommern, sowie einiger Kreise in den
Provinzen Preußen, Pommern und Sachsen
(G. S. 1878, S. 93; G. S., S. 71) und andere
mehr.
5 Ein Reskr. des Min. d. Inn. v. 24. Nov.
1873 (M. Bl. d. i. Verw. 1874, S. 2) spricht
in dieser Beziehung aus, daß, wenngleich die
Veränderung an Gemeinde= oder Gutsbezirks-
grenzen eintretendenfalles die Veränderung der
Kreiegrenzen ohne weiteres nach sich zieht, doch
zur Anderung von Grenzen der Regierungsbezirke
nach wie vor die landesherrliche Genehmigung
erforderlich ist. Ein Restr. desselben Min. v.
14. Juli 1878 (M. Bl. d. i. Verw. 1879, S. 3) spricht
jedoch aus, daß, wenn durch Veränderungen der
Kreis= resp. Provinzialgrenzen, welche auf Grund
der Vorschriften in §F. 3, Abs. 4 der Kreisordnung
v. 13. Dez. 1872, bezw. S. 4, Abs. 3 der Provinzial-
ordnung v. 29. Juni 1875 als Folge der Ver-
änderung der bezüglichen Gemeinde oder Guts-
bezirksgrenzen ohne weiteres eintreten, auch eine
Veränderung der Grenzen der Regierungsbezirke
stattfindet, es zu der letzteren der Einholung einer
besonderen Genehmigung nicht bedarf, sondern
genügt, wenn bei der vorgeschriebenen Bekannt-
machung der bezüglichen Grenzveränderungen
durch die Amtsblätter der gleichzeitig erfolgten
Veränderung der Grenzen der Negierungsbezirke
Erwähnung geschieht.