Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

30 Das Staatsbürgerrecht. (F. 51.) 
die Bevorzugungen grundsätzlich beseitigt worden, welche den Mediatisierten bis dahin 
zugestanden hatten 1; der Art. 34 hatte, mit dem darin ausgesprochenen Grundsatze der 
allgemeinen Wehrpflicht aller Preußen, keine Befreiung der Standesherren von dieser 
Last ausgesprochen; ferner der Art. 42 die Beseitigung ihrer obrigkeitlichen Rechte und 
Attribute; der Art. 101, in Verbindung mit den Gesetzen v. 7. Dez. 1849 und v. 
24. Febr. 1850, die Abschaffung ihrer Steuerprivilegien. Die Verordnung v. 2. Jannar 
1849 hatte dann den eximierten Gerichtsstand und, wie alle private, so auch die standes- 
herrliche Gerichtsbarkeit aufgehoben; das Jagdgesetz v. 31. Okt. 1848 hatte ihnen das 
Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden ohne Entschädigung entzogen; das Ablösungs- 
gesetz v. 2. März 1850 einen großen Teil ihrer bisherigen Rechte gegenüber den Guts- 
angehörigen beseitigt. Mit der eintretenden rückläufigen Strömung gegenüber dem Uber- 
maß der Bewegung von 1848 begannen jedoch alsbald die Versuche, jene Verfassungs- 
bestimmungen und Gesetze wieder zu beseitigen und auf diesem Gebiete eine vollständige 
Restauration herbeizuführen. Die Staatsregierung bot hierzu bereitwillig die Hand in 
der Uberzeugung, daß es nicht gerechtfertigt gewesen sei, wenn zur Zeit der Emanation 
der Verfassungsurkunde v. 5. Dez. 1848 und auch bei der Revision derselben keine Rück- 
sicht auf die durch die Bundesgesetzgebung und durch spezielle Verträge begründeten Rechte 
der mittelbar gewordenen ehemaligen Reichsstände genommen worden sei. ? Hiervon aus- 
gehend brachte die Staatsregierung unter dem Namen einer „Deklaration“ der Ver- 
fassungsurkunde bei den Kammern einen Gesetzentwurf ein, nach welchem erklärt werden 
sollte, daß die Bestimmungen der Verfassung einer Wiederherstellung der verletzten Rechte 
der Mediatisierten nicht entgegenstehen sollten." 
Infolgedessen erging das Verfassungs- 
  
1 Die Stellung der sogen. Mediatisierten ist 
bei der Beratung des Art. 4 der Verf. Urk. in 
der Nat. Vers. speziell zur Sprache gekommen. 
Der Ber. der Zentralabt. derselben (Stenogr. Ber. 
der Nat. Vers., Bd. III, S. 1817—20) führt aus, 
„daß kein Grund vorhanden sei, in die Verf. 
Urk. einen Vorbehalt der Rechte der Mediatisierten 
aufzunehmen, indem vielmehr diese Rechte unver- 
einbar mit der neu zu begründenden Verfassung 
seien; und daß insbesondere diejenigen dieser Rechte, 
welche auf Vertragsbestimmungen beruhen, inso- 
weit als sie die staatsrechtliche Stellung der 
Mediatisierten betreffen, vor der Gewalt der neuen 
Zeit keinen Bestand haben könnten, wogegen die 
vereinbarten privatrechtlichen Verhältnisse nicht 
in Frage gestellt würden.“ Auch ergeben die Ver- 
handlungen darüber im Plenum der Nat. Vers. 
(Sitz. v. 30. Okt. 1848, s. Stenogr. Ber. a. a. 
O., S. 1877 ff.) daß ausdrücklich beabsichtigt 
worden ist, durch den Art. 4 auch die bisherigen 
politischen Vorrechte der vormals Reichsunmittel- 
baren zu beseitigen. Bei der Revision der Verf. 
Urk. ist der Gegenstand nicht speziell zur Erörte- 
rung gelangt; die einzige Erwähnung desselben 
findet sich im Art. 39 der Verf. Urk. v. 5. Dez. 
1848 (jetzt Art. 41) in bezug auf die Lehns- 
verhältnisse der ehemals reichsunmittelbaren Be- 
sitzungen und Fideikommisse. Man ging da- 
mals von der Annahme aus, daß die exzeptio- 
nellen Rechte der Standesherren mit den An- 
forderungen der neueren Zeit schlechthin unvereinbar 
seien, und daß die Beteiligten selbst hiervon über- 
zeugt sein und keinen Versuch machen würden, 
jene Rechte wieder zu fordern, zumal da ein 
Teil der Berechtigten im Jahre 1848 selbst darauf 
Verzicht geleistet und die Regierung dringend ge- 
beten hatte, sie so bald als möglich von den von 
ihnen selbst als unhaltbar erkannten Vorrechten 
  
zu befreien (vgl. die Mitteilungen der Abg. v. 
Patow und Kühne in den Stenogr. Ber. der 
II. K. 1853—54, Bd. II, S. 757 u. 764); vgl. 
auch den Ber. der XIV. Komm. des Abg. H. v. 
16. Jan. 1864 in den Stenogr. Ber. 1864, Bd. 
IV, Aktenst. Nr. 94, S. 578. 
2 Von der Staatsregierung wurde die Berück- 
sichtigung der völkerrechtlichen und bundesgesetz- 
lichen Verpflichtungen in den Vordergrund ge- 
stellt; als ein Nebenmotiv wurde geltend gemacht, 
das die definitive Konstituierung der Ersten 
Kammer davon abhängig sei und daß den Stan- 
desherren der Eintritt in dieselbe durch Beseitigung 
ihrer Beschwerden ermöglicht werden müsse (Ber. 
der XIV. Komm. des Abg. H. v. 16. Jan. 1864 
in den Stenogr. Ber. 1864, Anl. Bd. IV, Aktenst. 
Nr. 94, S. 578). 
3 Vgl. den Ber. der Komm. der II. K. v. 
29. März 1854 in deren Drucks. 1853—54, Nr. 
235, S. 5. 
* Nachdem der Gegenstand zuvor schon in der 
I. K. durch den Abg. Stahl angeregt worden 
war, welcher den Antrag gestellt hatte, „die 
Staatsregierung aufzufordern, die Initiative zur 
Wiederherstellung der in Rede stehenden Rechte 
zu ergreifen“ (Drucks. der I. K. 1853—54, Bd. 1, 
Nr. 18 und Bericht darüber, a. a. O., Nr. 61), 
legte das Staatsmin. auf Grund königl. Er- 
mächtigung (v. 17. Febr. 1854) den Kammern 
den Entwurf einer Deklaration der Verf. Urk. zu 
dem erwähnten Zwecke vor. Drucks. der I. K., a. 
a. O., Bd. II, Nr. 132; desgl. der II. K., Bd. 
III, Nr. 166; vgl. die Komm. Ber. darüber in 
den Drucks. der 1. K. 1853—54, Bd. III, Nr. 
157 u. 158, und der II. K., Bd. IV, Nr. 235; 
desgl. die Verhandlungen über den Gegenstand 
in den Stenogr. Ber. der I. K. 1853—54, Bd. 1, 
S. 95, 339 ff., 479 ff., und Bd. III, S. 220,
	        
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