Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Gesetzlich bevorzugte Staatsbürger. (§. 51.) 31 
änderungsgesetz v. 10. Juni 1854, betreffend die Deklaration der Verfassungsurkunde in 
bezug auf die Rechte der mittelbar gewordenen deutschen Reichsfürsten und Grafeni, 
welches aussprach, „daß die Bestimmungen der Verfassungsurkunde einer Wiederher- 
stellung derjenigen durch die Gesetzgebung seit dem 1. Januar 1848 verletzten Rechte 
und Vorzüge nicht entgegenstehen, welche den mittelbar gewordenen deutschen Reichs- 
fürsten und Grafen, deren Besitzungen in den Jahren 1815 und 1850 der preußischen 
Monarchie einverleibt oder wieder einverleibt worden, auf Grund ihrer früheren staats- 
rechtlichen Stellung im Reiche und der von ihnen besessenen Landeshoheit zustehen, und 
namentlich durch den Art. XIV der Deutschen Bundesakte v. 8. Juni 1815 und durch 
die Art. 23 und 43 der Wiener Kongreßakte v. 9. Juni 18152, sowie durch die spätere 
Bundesgesetzgebung? zugesichert worden sind, sofern die Beteiligten sie nicht ausdrücklich 
und der II. K. 1853—54, Bd. II, S. 757 ff., 
941 ff. 
1 G. S. 1854, S. 363. — Die (von der 
Staateregierung ausgegangene) Bezeichnung dieses 
Gesetzes als einer „Deklaration"“ der Ver- 
fassung ist mit Recht als unzutreffend bezeichnet 
worden; denn nicht um Berichtigung eines Miß- 
verständnisses der Verfassung, sondern um eine 
wirkliche Abänderung derselben handelte es sich 
dabei, nämlich um die Wiederherstellung entzogener 
Rechte. Dem gegenüber hat indes die Staats- 
regierung den Begriff und Namen einer Dekla- 
ration oder authentischen Interpretation als gerecht- 
fertigt darzustellen gesucht, indem sie sich auf den 
Standpunkt stellte, daß die in Frage kommenden 
Rechte keineswegs durch die Staatsverfassung von 
selbst aufgehoben seien, oder materiell hätten ge- 
mindert, aufgehoben oder verändert werden können, 
daß vielmehr jene Rechte, ungeachtet der Verf. 
Urk., fortbestanden hätten und deshalb nicht erst 
wieder neu geschaffen zu werden brauchten. Da- 
raus ergebe sich folgerecht, daß der falsche Schein, 
welcher bewandten Umständen nach auf die gegen- 
teilige Annahme führen könnte, durch eine Dekla- 
ration zerstreut und beseitigt werden müsse (vol. 
den Ber. der Komm. der II. K. in den Drucks. 
1853—54, Bd. IV, Nr. 235, S. 3, 6 u. 8 ff.; 
desgl. die Stenogr. Ber. der II. K. 1853—54, 
Bd. II, S. 758, 763, 768). Es ist indes nicht 
zu bestreiten, daß die Verf. Urk. ihrem Wortlaute 
nach in der Tat die den vormals Reichsunmittel- 
baren bundesrechtlich und anderweitig zugestandenen 
Rechte aufgehoben hat und daß man sich bei Ab- 
fassung der Verf. Urk. vollkommen klar darüber 
gewesen ist, daß verschiedene Bestimmungen der- 
selben im diametralen Widerspruche stehen mit den 
früheren Rechten der Mediatisierten. Das Gesetz 
v. 10. Juni 1854 besagt auch selbst, daß die 
Rechte und Vorzüge der gedachten Personen durch 
die Verf. Urk. „verletzt" seien und daß des- 
halb eine „Wiederherstellung“ derselben erfolgen 
müsse und solle. Hieraus folgt aber von selbst, 
daß das Gesetz keineswegs eine „Deklaration“ 
ist, sondern ein wirkliches Verfassungsänderungs- 
gesetz. « 
* Vgl. den Art. XIV der D. Bundesakte v. 
8. Juni 1815 in der G. S. 1818, Anh., S. 
143 und in v. Meyers (orpus Juris Con- 
feder. German., 3. Aufl., Bd. II, S. 5, und 
die Art. 23 u. 43 der Wiener Kongreßakte v. 
9. Juni 1815 in der G. S. 1318, Anh., S. 1 ff., 
und in v. Meyer, a. a. O., Bd. II, S. 259 
  
  
  
u. 264. Auch finden sich die betr. Artikel abge- 
druckt in den Drucks. der I. K. 1853—54, Bd. 
III, Nr. 158. — Der Art. 23 der Wiener Kon- 
greßakte enthält die Aufzählung derjenigen Pro- 
vinzen und Landesgebiete (provinces et terri- 
toires), welche Preußen im Tilsiter Frieden ab- 
getreten hatte, und bestimmt, daß Preußen in 
deren Besitz „de nouveau, comme auparavant. 
en toute souveraineté et propriété“ zurück- 
gelange. Am Schlusse des kre. heißt es noch, 
daß diese Bestimmung sich auch erstrecke „aux 
droits de souveraineté et de suzeraineté sur 
le comté de Wernigerode, à celui de haute 
protection sur le comté de Hohen-Limbourg, 
et à tous les autres droits ou prétentions 
duelconques, que S. M. Prussienne a possé- 
dés et exercés avant la paix de Tilsit, et 
auxquelles Elle n'’a point renoncé par d'au- 
tres traités, actes ou conventions.“ Der Art. 
43 a. a. O. führt die mediatisierten Länder 
(districts médiatisés) auf und fügt sodann hin- 
zu: „ces districts seront placêés dans les re- 
lations avec la monarchie Prussienne, qdue 
la constitution fédérative de I’Allemagne 
reglera pour les territoires médiatisés.“ Die 
speziell aufgeführten mediatisierten Länder (dis- 
tricts) sind folgende: Die Besitzungen, welche 
die Fürsten von Salm-Salm und Salm-Kyr- 
burg und der Herzog von Croy durch den Reichs- 
deput. Hauptschluß v. 25. Febr. 1803 im vor- 
maligen Kreise Westfalen erhalten haben, sowie 
die Herrschaften Anholt und Gehmen, die Be- 
sitzungen des Herzogs von Looz-Corswaren, welche 
sich in demselben Falle befinden (insoweit sie nicht 
der Hoheit von Hannover unterworfen sind), die 
dem Grafen von Bentheim-Bentheim gehörige 
Grasschaft Steinfurth, die dem Herzog von Aren- 
berg gehörige Grafschaft Recklinghausen, die dem 
Grafen von Bentheim-Tecklenburg gehörigen Herr- 
schaften Rheda, Gütersloh und Gronau, die dem 
Fürsten von Kaunitz gehörige Grafsschaft Riet- 
berg, die dem Grafen von Walmoden gehörigen 
Herrschaften Neustadt und Gimborn, und die dem 
Fürsten von Sayn-Wittgenstein-Berleburg gehörige 
Herrschaft Homburg. 
2 Diese Stücke der „späteren Bundesgesetz- 
gebung“ sind folgende: a) der Art. 63 der 
Wiener Schlußakte v. 15. Mai 1820, betr. die 
Bundesgarantie für die Rechte der mittelbar ge- 
wordenen ehemaligen Reichsstände und des ehe- 
maligen unmittelbaren Reichsadels (s. in Weils 
Quellen u. Aktenst. zur d. Verf.-Geschichte,
	        
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