Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

(S. 77.) 421 
waltungsangelegenheiten. Es sind aber, hiervon abgesehen, dem Justizminister auch eine 
Reihe von Zuständigkeiten in einzelnen Rechtsangelegenheiten teils in der Art übertragen, 
daß er die einzige Instanz für die betreffenden Angelegenheiten bildet, teils in der Art, 
daß ihm die Entscheidung auf Beschwerden gegen Anordnungen der Justizbehörden zusteht. 
A. Unter die erste Kategorie fallen insbesondere: 
1. auf dem Gebiete der Strafrechtspflege die Vorbereitung der dem Könige vorzu- 
legenden Begnadigungssachen?, sowie die Entscheidung über die vorläufige Entlassung von 
Strafgefangenen?; 
2. auf dem Gebiete der nicht streitigen Gerichtsbarkeit die Erledigung von Gesuchen 
um Legitimation außerehelich erzeugter Kinder, sofern es sich nicht um die Annahme 
eines adligen Namens handelt", und um Dispensation von dem zur Annahme an Kindes- 
statt vorgeschriebenen Alter: 
3.die Erteilung der Dispensation vom gesetzlichen Alter der Ehemündigkeit, sowie 
vom Verbote der Ehe zwischen einem wegen Ehebruches Geschiedenen und seinem Mit- 
schuldigen; 
4. in Angelegenheiten, welche nicht zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit gehbren, 
die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts, wenn Streit oder Ungewißheit Üüber 
die örtliche Zuständigkeit mehrerer Gerichte obwaltet, oder wenn nach den bestehenden 
Vorschriften ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand zu bestellen ist, vorausgesetzt, daß die 
mehreren Gerichte den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte angehören, oder daß es 
sich um Angelegenheiten handelt, für welche die Oberlandesgerichte in erster Instanz zu- 
ständig sind', was auch hinsichtlich der durch die Hinterlegungsordnung den Amts- 
gerichten zugewiesenen Angelegenheiten gilts; 
5. in Vormundschaftssachen die Bestimmung des für die Vormundschaft zuständigen 
Gerichts, falls es an einem der in der Vormundschaftsordnung angeordneten Gerichts- 
stände überhaupt mangelt?; 
6. die Beauftragung des Landgerichtes oder Oberlandesgerichtes mit der Verwaltung 
oder Beaufsichtigung einer Stiftung, wenn die gesetzliche Zuständigkeit des Amtsgerichtes 
für dieselbe ausgeschlossen werden soll!0; endlich 
Das Justizministerium. 
  
1 Uber die Zuständigkeit der Instizbehörden in 
Ansehung verschiedener Justizverwaltungsange- 
legenheiten vgl. das Zirk. Reskr. des Zustiz- 
ministeriums v. 26. März 1874 (J. M. Bl. 
1874, S. 109) und über die Zuständigkeit der- 
selben in Ansehung der Grundstücke und Lokalien 
der Justizverwaltung das Zirk. Restr. des Justiz- 
ministeriums v. 1. April 1874 . a. O., S. 101). 
: Vgl. Bd. I. S. 258. liber die Fälle, in 
welchen dem Justizminister die selbständige Be- 
fugnis zum Erlaß von Geldstrafen zusteht, vgl. 
die Allerhöchsten Erlasse v. 19. Dez. 1806 (J. M. Bl. 
1867, S. 6) und vom 16. Febr. 1867 (a. a. O., 
S. 67), desgleichen die Allerhöchste Order v. 15. Dez. 
1880 J. M. Bl. 1881, S. 31, M. Bl. d. i. Verw. 
1881, S. 27, Nr. 30). Hierher gehören auch 
die Verordnungen über die bedingte Begnadigung, 
vgl. die „Ubersichtliche Zusammenstellung“ derselben 
von Engelmann, 2. Aufl., 1905, sowie der 
Allerh. Erl. v. 23. Okt. 1395 (J. M. — S. 348), 
der sich auf Aufschub der Strafvollstreckung mit 
Rücksicht auf mögliche Begnadigung bezieht. 
2 Reichsstrafgesetzbuch §. 25, Zirk. Reskr. der 
M. d. Inn. und der Justiz v. 21. Jon. 1871 
(J. M. Bl. 1871, S. 35 ff. und Zirk. Restkr. 
des Justizministeriums v. 14. Aug. 1379, sub 
IV 3. M. Bl. 1879, S. 237), v. 25. Okt. 1882 
(J. M. Bl., S. 325). 
Allerhöchster Erlaß v. 25. 
M. Bl. 1870, S. 1201. Val. 
April 1870 3 
lett auch SS. 1723, 
  
1729, B. G. B., §. 53, Abs. 1, 55 des R. G. ül. d. 
freiw. Gerichtsb. 
* Vgl. die Zusammenstellung der betr. für die 
einzelnen Landesteile erlassenen Vorschriften im 
J. M. Bl. 1878, S. 97 ff., 106 ff., und für die 
Hohenzollernschen Lande die Allerhöchste Order v. 
8. Dez. 1851 (J. M. Bl. 1852, S. 2). Vgl. 
auch §§. 1744 u. 1745, Abs. 2, B. G. B., sowie 
88. 65 ff., d. R. G. ü. d. freiw. Gerichtsb. 
6 Verordnung v. 24. Febr. 1875 (G. S. 1875, 
S. 97). — Für die in dieser Verordnung dem 
Iustizminister auch noch zugewiesene Dispen- 
sation von dem Verbote, nach welchem Frauen 
vor Ablauf des zehnten Monats seit Beendigung 
ihrer früheren Ehe eine weitere Ehe nicht schließen 
dürfen, sind jetzt die Amtsgerichte zuständig (Ver- 
ordnung v. 17. Jaon. 1877, G. S. 1877, S. 4, 
und Allerhöchster Erlaß v. 7. Sept. 1879, J. 
M. Bl. 1879, S. 366). Vgl. jetzt B. G. B. . 1322. 
7 §. 20 des Ausführungsgesetzs v. 24. April 
18½8 zum deutschen Gerichtsverfassungsgesetz (G. 
S. 1878, S. 2340. Abgeändert durch Art. 130 
des A. G. z. Ges. ü. d. freiw. Gerichtsb. 
* §. 00 der Hinterlegungsordnung v. 24. März 
1879 G. S. 1879, S. 249). 
5 S. 5 der Vormundschaftsordnung v. 5. Juli 
1875 „G. S. 1875, S. 431. Zetzt S. 36, Abf. 2 
des R. G. u. d. freiw. Gerichtsb. 
4% F. 29 des Ausführungsgesetzes v. 24. April 
1878 zum deutichen Gerichtsverfassungsgesen
	        
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