426 Die Staatsbehörden. (8. 78.)
völlige Neugestaltung erfahren hatte, bestimmte das Gesetz v. 3. Juni 1876, betreffend
die evangelische Kirchenverfassung in den älteren Provinzen der Monarchie 1 in Art. 21,
Abs. 1, daß die Verwaltung der Angelegenheiten der evangelischen Landes-
kirche, soweit solche bisher von dem Minister der geistlichen Angelegen-
heiten und von den Regierungen geübt worden ist, auf den Evangelischen
Oberkirchenrat und die Konsistorien als Organe der Kirchenregierung über-
gehen solle. Durch königliche Verordnung v. 5. Sept. 18772 wurde dann der Zeit-
punkt dieses überganges gemäß dem Vorbehalt in Art. 21, Abs. 2 des Gesetzes auf den
1. Okt. 1877 festgesetzt, und seitdem beschränkt sich die Mitwirkung der Staatsbehörden,
insbesondere also des Ministers der geistlichen Angelegenheiten, bezüglich der Verwaltung
der Angelegenheiten der evangelischen Landeskirche der älteren Provinzen der Monarchie?
auf die in den Art. 22 und 23 des Gesetzes v. 3. Juni 1876 dieser Mitwirkung
ausdrücklich vorbehaltenen Gegenstände und auf die Ausübung des der Staatsbe-
hörde in Art. 27 a. a. O. vorbehaltenen Aufsichtsrechtes.“ Auf Grund der in
Art. 28 a. a. O. erteilten Ermächtigung ist dann weiter die Verordnung v. 9. Sept.
18765 ergangen, deren Art. I bestimmte, daß die Rechte des Staates von dem Minister
der geistlichen Angelegenheiten auszuüben sind: 1. bei Feststellung des Regulativs für die
vereinigten Kreissynoden der Haupt= und Residenzstadt Berlin (G. v. 3. Juni 1876,
Art. 8)5; 2. bei dem Erwerbe, der Veräußerung oder der dinglichen Belastung von
Grundeigentum, wenn der Wert des zu erwerbenden oder des zu veräußernden Gegen-
standes, oder wenn der Betrag der Belastung die Summe von 100000 Mark übersteigt
(Art. 24, Nr. 107; 3. bei der Veräußerung von Gegenständen, welche einen geschicht-
lichen, wissenschaftlichen oder Kunstwert haben (Art. 24, Nr. 2); 4. bei der Errichtung
neuer, für den Gottesdienst bestimmter Gebäude (Art. 24, Nr. 5)8; 5. bei der Be-
willigung von Sammlungen außerhalb der Kirchengebäude, wenn die Sammlung in mehr
als einer Provinz stattfinden soll (Art. 24, Nr. 7, und zwar in diesem Falle in Ge-
meinschaft mit dem Minister des Innern; 6. in allen Fällen der Art. 24 und 27,
Abs. 1 des Gesetzes v. 3. Juni 1876 — Aufsicht über die Vermögensverwaltung —
wenn die Rechte des Staates gegenüber dem Evangelischen Oberkirchenrate geltend zu
machen sind. In dieser Weise sind dermalen die Sphären von Staat und evangelischer
Kirche abgegrenzt und durch die dem Evangelischen Oberkirchenrat übertragenc oberste Ber-
waltung der evangelischen Kirchenangelegenheiten der verfassungsmäßige Grundsatz der
Selbständigkeit der Kirche unter Beibehaltung des landesherrlichen Kirchenregimentes ver-
wirklicht worden, allerdings nur für die neun alten Provinzen der Monarchie. Über den
Evangelischen Oberkirchenrat s. unten §. 81, S. 449 ff.
Die Zuständigkeit des Evangelischen Oberkirchenrates erstreckt sich jedoch nicht auf
die im Jahre 1866 neuerworbenen Landesteile; für diese ist vielmehr die Verwaltung der
Angelegenheiten der evangelischen Kirche in oberster Instanz dem Minister der geistlichen usw.
Angelegenheiten übertragen." Die Rechte des Staates sind den Landeskirchen der neuen
Provinzen gegenüber durch besondere Verordnungen in analoger Weise wie durch obige
Verordnung für die alten Provinzen geordnet worden. Das Jadegebiet wurde durch
1 (G. S. 1876, S. 125 ff. gesetz v. 18. Mai 1895 (G. S., S. 175,, dazu
: G. S. 1877, S. 215. königliche Verordnung v. 20. Okt. 1896 (G. S.
2 Ebenso für Hohenzollern, Verordnung v. S. 203) Art. II.
25. Sept. 1897 (G. S., S. 10|/#1: s. auch Ursprünglich 10000 Mark, jetnzt gemäß Ver-
unten Bd. III. ordnung v. 30. Jan. 1893 (K. G. u. B. B.,
"* Vgal. näheres hierüber bei Zorn, Kirchen= S. 15), 100000 Mark, bis zu dieser Summe
rcht, S. 202 fi. Durch K. G. v. 15. Juli 1892 ,bestätigt der Regierungspräfident.
G. S. 1893, S. 25) m. K. V. v. J. März * Das Bestätigungsrecht bei Anlegung von
1893 . S., S. 21) ist auch dae kirchliche Begräbnisplätzen, das ursprünglich auch dem
Aussichterecht über die Vermögeneverwaltung Minister vorbehalten war, ist durch Verordnung
grundsaulich und erschopfend geordnet worden: v. 30. Jan. 1893 (G. S., S. 10), Art. 1I, 3.2
diese Seite des Aufsichterechtes gehört aueschließ, für die ganze Monarchie den Regierungspräsi-
lich dem Kirchenrecht an. denten übertragen worden.
* G. S. 1876, S. 3. * Verordnung v. 13. Mai 1867 (G. S. 1867,
* . dazu jetzt Kirchengesetz v. 17. und Staats- S. 667. — Mgl. oben S. 424, N. 10.