Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Der Evangelische Oberkirchenrat. 
Kirchenregierung übergehen solle, 
G. 82.) 453 
und im Abs. 2 des Art. 21 wurde bestimmt, 
daß der Zeitpunkt und die Ausführung des Überganges königlicher Verordnung vor- 
behalten bleibe. 
jetzt die Mitwirkung der Staatsbehörden, 
gelegenheiten, 
Diese Verordnung v. 5. Sept. 18771 hat sodann (im Art. I) den Zeit- 
punkt des Überganges auf den 1. Okt. 187 
7 festgesetzt.' Demzufolge beschränkt sich 
instesenberr des Ministers der geistlichen An- 
bezüglich der Angelegenheiten der evangelischen Landeskirche der älteren 
Provinzen der Monarchie auf die in den Art. 22 und 23 des Gesetzes v. 3. Juni 1876 
dieser Mitwirkung ausdrücklich vorbehaltenen Gegenstände und auf die Ausübung des der 
Staatsbehörde im Art. 27 a. a. O. vorbehaltenen Ausfsichtsrechtes.? 
Durch Rirchengesetz v. 19. Sept. 1898 mit Staatsgesetz v. 21. Sept. 1398 (G. S., 
S. 312 ff.) wurden auch die Hohenzollernschen Lande dem System dieser Gesesgebun ein- 
gefügt:; 
vorher schon waren durch die Verordnung v. 25. Sept. 1897 (G. 
406 ff.) 
  
Gesetzmäßigkeit dieser Behörde wiederholt in Zweifel 
gezogen worden war. Der Bericht der II. Kammer 
v. 13. Febr. 18352 (Drucks. 1851—52, Bd. III, 
Nr. 112, S. 5) hatte ausgeführt, daß die Not- 
wendigkeit der Errichtung einer selbständigen 
cvangelischen Oberkirchenbehörde mit Rücksicht 
auf Art. 15 der Verf. Urk. ebensowenig zweifel- 
haft sein könne, als die Verpflichtung des Staates, 
zur Errichtung und Erhaltung dieser Behörde 
die erforderlichen Staatezuschüsse zu leisten. Die 
Deduktion des Berichts geht dahin: „Durch die 
reichsgesetzlichen Bestimmungen des Augsburger 
Religionofriedens vom Jahre 1555, §. 20, in 
Verbindung mit Art. V, §F. 48 des Osnabrücker 
Friedens vom Jahre 1643, sei die vormalige geist- 
liche Juriodiktion der Bischöfe der römisch-katho- 
lischen Kirche über die Bekenner der Augoburger 
Konfession reichsgesetzlich eingestellt und fuspen- 
diert worden und die Oberleitung des evangeli- 
schen Kirchenwesens auf die evangelischen Landes- 
herren übergegangen. Diesem Rechte habe die 
Verpflichtung entsprochen, die in Ausübung des- 
selben notwendig gewordenen neuen evangelischen 
Kirchenbehörden mit den zur Verrichtung ihrer 
Funktionen erforderlichen Mitteln zu versehen. 
Diese Mittel hätten sich reichlich in den durch 
das Eingehen der alten Bistümer zu Staats- 
domänen eingezogenen geistlichen Gütern gefunden. 
Seit der Reformation sei daher in allen deutschen 
Staaten die Erfüllung dieser Verbindlichkeit un- 
weigerlich geleistet worden. Preußen insbesondere 
habe durch die Verordnungen v. 16. und 26. Dez. 
1808 die bis dahin bestandenen selbständigen 
cvangelischen Kirchenbehörden ausgelöst und die 
Verwaltung der evangelischen Kirche an die Staats- 
behörden übergeben, hiernächst aber im Jahre 
1817 aufs neue Konsistorien in den Provinzen 
wieder errichtet. Daraus folge, daß der Staat, 
selbst abgesehen davon, daß er durch Art. 15 der 
Verf. Urk. die Notwendigkeit der Herstellung 
selbständiger evangelischer Kirchenbehörden an- 
erkannt habe, auch die Mittel zu deren Ausstat- 
tung hergeben müsse. Dies garantierte auch der 
S. 6 des Ediktae v. 30. Okt. 1810 über die Ein- 
ziehung der geistlichen Güter (G. S. 1810, S. 
781. Die Einrichtung des Evangelischen Ober- 
kircheurates aber sei in Ausübung des dem Rönige 
als evangelischen Landesherrn in der evangelischen 
Kirche zustehenden Rechtes erfolgt" (vgl. auch den 
Bericht der Budgeikommission der II. Kammer v. 
1. Mai 1853 in den Druckiachen 18052—53, Ad. 
  
  
  
VII, Nr. 312, S. 15 ff.). Gegen diese Ausführung 
vgl. indes diekenige des Abgeordneten v. Vincke 
in der 28. Sitzung der II. Kammer v. 24. Febr. 
1852 (Stenogr. Ber. 1851—52, Bd. I, S. 479 ff.) 
und die Gegenausführung des Ministers der 
geistlichen Angelegenheiten (ebendas. S. 483—485 
Wiederholt ist die Frage ausführlich zur Sprache 
gekommen in der 65. Sitzung der II. Kammer 
v. 6. Mai 1853 (Stenogr. Ber. 1852—53, Bd. III, 
S. 1365 ff.). Vgl. jetzt auch Niedner, Die Aus- 
gaben des Preuß. Staates für die evang. Landeskirche 
1904, insbes. S. 199 ff. Von der Auffassung aus- 
gehend, daß der durch den Allerhöchsten Erlaß v. 
29. Juni 1850 angeordnete Evangelische Ober- 
kirchenrat vorläufig nur als eine provisorisch be- 
stehende Institution zu erachten sei, hat auch das 
Abg. H. in den Sitzungsperioden der Jahre 1861 
und folgende mehrfach den Beschluß gefaßt, „die 
Staatsregierung Jur baldigen Beendigung des 
durch die Kab. O. 26. Jan. 1849 und v. 
29. Juni 1850 hinstchrlich der Angelegenheiten 
der evangelischen Kirche herbeigeführten Interi- 
mistikums aufzufordern“ (vgl. Bericht der Budget- 
kommission v. 4. Mai 1361 und die Verhand- 
lungen darüber in der Sitzung v. 14. Mai 1861 
ln den Stenogr. Ber. des Abg. g 1861, Bd. VI, 
1253—54, und Bd. II, 1199—1 1206)). 
Eunch die Bestimmungen * Art. 21 des G. 
v. 3. Juni 1876 haben jetzt die Bedenken gegen 
die Verfassungsmäßigkeit und Gesetzlichkeit der 
Institution ihre Erledigung gefunden. Vgl. auch 
den Bericht der Kommission zur Vorberatung 
des Entwurfs des G. v. 3. Juni 1876 in den 
Stenogr. Ber. des Abg. H. 1876, Anl. Bd. II, 
Aktenst. Nr. 153, S. 1078—79 (zu den Art. 19 
und 20 des Gesetzentwurfs). 
1 G. S. 1877, S. 215. 
* Der Art. II der Verordnung v. 5. Sept. 
1877 bestimmt, daß es in betreff des kurmärki- 
schen und neumärkischen Amterkirchenfonds bis 
zum Erlasse anderweitiger Bestimmungen über 
diese Fonds bei der bioherigen Verwaltung be- 
wenden soll. Unter Aufhebung der Reglements 
v. 1. Febr. 1723 und 18. Sept. 1739, sowie der 
Deklarationen v. 13. Febr. 1787 und v. 25. Okt. 
1828 ist hierüber dan G. v. 16. März 1882, 
betreffend die Umgestaltung des kurmärkischen und 
des neumärkischen Amtertirchenfonds G. S. 1882, 
S. 122, ergangen. 
2 Val. das Nähere hierüber oben S. 125 fl.
	        
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