474 Die Staatsbehörden. (S. 8.)
IX. Unter der Aufsicht des Oberpräsidenten stehen ferner die Arztekammern,
die als ärztliche Standesvertretung errichtet wurden durch königliche Verordnung
v. 25. Mai 1887 1, zu der ergänzend die Verordnung v. 6. Januar 1896 über den
Arztekammer- „Ausschußs hinzutrat.
1. Eine Arztekammer besteht für jede Provinz am Sitze des Oberpräsidenten unter
dessen allgemeiner Aufsicht; die Arztekammer für Brandenburg erstreckt sich auch auf
Verlin und hat hier ihren Sitz; die Kammer der Rheinprovinz umfaßt auch die Hohen-
bollernschen Lande (§§. 1, 13 der Verordnung v. 25. Mai 1887); der Arztekammer
! Hessen-Nassau unterstehen auch die Arzte in Schaumburg Lippe (Staatsvertrag v.
3. Febr. 1905, G. S., S. 2221. Das Verhältnis der Arztekammern zu den bestehenden
Vehördenorganisationen des Medizinalwesens ist dahin geordnet, daß sowohl in der dem
Minister beigegebenen wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen? als in den
provinziellen Medizinalkollegien die Ar ztekammern vertreten sind, und zwar hat zu ersterer
ede Kammer ein Mitglied und Stellvertreter, zu letzterem zwei Mitglieder und Stellvertreter
zu wählen, die als außerordentliche Mitglieder mit voller Stimme" jenen Kollegien hinzu—
treten, wenn sie vom Minister bezw. Iberpräsident einberufen werden; dies hat zu geschehen,
wenn a# allgemeine Fragen, b besonders wichtige Gegenstände der öffentlichen Gesundbeits
pflege, c# Anträge der Arztekammern zur Veratung und Beschlußfassung stehen S. 3..
2. Die Aufgabe der Arztekammern ist: „Erörterung aller Fragen und Angelegen-
heiten, welche den ärttlichen Veruf oder das Interesse der öffentlichen Gesundheitspflage
betreffen oder auf die Wahrnehmung und Vertretung der ärztlichen Standesinteressen ge-
richtet sind.“ Die Arztekammern können hierülber Anträge an die Staatsbehörden richten
und diese sollen den Arztekammern Gelegenheit geben, sich über die unter jene Gesichts-
punkte fallenden Fragen gutachtlich zu äusern (S. 2).
3. Die Arztekammern werden gewählt?; Wahlbezirke sind die Regierungsbe zirke.
sowie die Stadt Berlin. Wahlberechtigt und wählbar sind a) Arzte, welche b) im Wahl-
bezirk ihren Wohnsitz haben, () Deutsche im Sinne des Gesetzes v. 1. Juni 1870 sind,
die bürgerlichen Ehrenrechte haben; ausgenommen jedoch Militär= und Marincärte,
auch des Beurlaubtenstandes, solange sie im Dienste sind. Verlust einer der angegebenen
Voraussetzungen hat den Verlust von Wahlrecht und Wählbarkeit zur Folge; bei Konkurs,
gerichtlichen Untersuchungen sowie während des Schwebens eines Verfahrens auf Entziehung
der Approbations ruhen Wahlrecht und Wählbarkeit; Arzten, „welche die Pflichten ihres
Verufs in erheblicher Weise oder wiederholt verletzt oder sich durch ihr Verhalten der
Achtung, welche ihr Beruf erfordert, unwürdig gezeigt haben“, kann durch Spruch des
Ehrengerichts (s. unten Ziff. 8. Wahlrecht und Wählbarkeit dauernd oder auf Zeit ab-
erkannt werden. Die Wahlperiode ist dreijährig. Vor jeder Wahl ist eine Liste der
Wahlberechtigten vom Vorstand herzustellen und zu veröffentlichen; Beschwerden gegen die
Nichtigkeit entscheidet der Vorstand mit weiterer Beschwerde an den Oberpräsidenten. Die
ammer besteht aus mindestend zwolf Mitgliedern, im übrigen soll auf 50 Wahler ein
Vertreter entfallen. Die Wahl erfolgt schriftlich durch Einsendung des Stimmzetteld
mit Namensunterschrift des Wählers: Stimmenmehrheit entscheidet; der Oberpräsident
macht die Wahlen bekannt. Die Wahl wird hinfällig durch den Verlust einer der
Voraussekungen in der Person des Gewählten (§§. 4—7).7
4. Die Kammer wählt sich unter Leitung des Oberpräsidenten für die Wahlveriode
beziehungsweise bis zur Wahl eines neuen Vorstandee' ihren Vorstand, bestehend aus dem
Vorsitzenden und mindestens vier Mitgliedern; zugleich sind Stellvertreter zu wählen; die
Vorstandewahl ist geheim durch Stimmzettel in besonderen Wahlgängen; beschlußfähig ist
die Kammer bei Teilnahme von iwei Dritteln der Mitglieder. In gleicher Weise wie
1 G. S., -. 160. 5 S. der Verordn. ist abgeändert durch V.
: G. S. z. 1 23. Jan. 1890 (G. S., S. 17.
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Abänderung erfolgte durch V. v. 21. Juli 1°92 Stimmzetiel S. 7, Abf#. 2 U. 3.
(G. S., S. 222. V. v. 6. Jan. 1896 (G. S., S. 1), Art. II.