Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Oberpräsidenten. (§. 84.) 475 
der Vorstand werden die Mitglieder für die wissenschaftliche Deputation und die Medizi— 
nalkollegien gewählt (§. 8#; ebenso die Mitglieder des Arztekammerausschusses.!7 
5. Der Vorstand vertritt die Kammer den Staatsbehörden gegenüber, wie auch sonst 
in jeder Hinsicht; er ist beschlußfähig bei Anwesenheit der Mehrzahl seiner Mitglieder 
und beschließt mit Mehrheit. Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen und führt die 
Beschlüsse der Kammer wie des Vorstandes aus. Die Beschlüsse des Vorstandes können 
auch schriftlich gefaßt werden, außer wenn a) ein Mitglied widerspricht, b über Ent- 
ziehung des Wahlrechtes zu beschließen ist. Die Berufung von Vorstand wie Kammer 
erfolgt durch den Vorsitzenden, der hierzu verpflichtet ist, wenn vom Vorstand zwei, von 
der Kammer die Hälfte der Mitglieder dies schriftlich unter Angabe des Gegenstandes 
verlangt; nur über Gegenstände, die als Tagesordnung mitgeteilt sind, darf beschlossen 
werden. Im übrigen stellt die Kammer ihre Geschäftsordnung selbst fest (§§. 9, 10). 
6. Die Kammermitgliedschaft ist Ehrenamt (§F. 7, Abs. 8). Die zur wissenschaft- 
lichen Deputation wie in die Medizinalkollegien gewählten Mitglieder erhalten Diäten 
und Reisekosten aus der Staatskasse nach Masigabe des Gesetzes (S. 110.2 Im übrigen 
haben die Kammern die Mittel zur Deckung ihrer Kosten selbst bereitzustellen (§. 12; 
s. hierzu unten Ziff. 9J. » 
7. Über den von den Arztekammern zu wählenden Arztekammerausschuß, der als 
Beirat des Ministers für den Zuständigkeitskreis der Arztekammern dient, s. oben S. 432, 
Ziff. 4. 
8. Durch Gesetz v. 25. Nov. 18993 sind sodann den Arztekammern ärztliche 
Chrengerichte beigegeben worden, über denen als Berufungsinstanz der ärztliche Ehren- 
gerichtshof steht (§. 11; s. oben S. 432, Ziff. 5. Diesen Ehrengerichten unterstehen alle 
approbierten Arzte, ausgenommen die Militär= und Marine sowie diejenigen Arzte, 
für welche ein anderweit geordnetes staatliches Dis ziplinarverfahren besteht (§. 20. Das 
Ehrengericht hat zu wachen über die gewissenhafte Auslübung der Berufstätigkeit durch die 
Arzte sowie darüber, daß diese in Ausübung des Berufs sowie außerhalb desselben sich der 
Achtung würdig erweisen, die ihr Beruf erfordert. Auf Grund dieser Vorschrift können die 
Ehrengerichte gegen Arzte einschreiten und sie müssen einen Spruch fällen, wenn ein Arzt 
einen solchen über sein Verhalten beantragt (§. 3. Zugleich dient das Ehrengericht als 
Ehrenrat in bezug auf Streitigkeiten unter Arzten wie mit dritten Personen in bezug auf das 
ärztliche Berufsverhältnis (§. 4). Das Ehrengericht besteht aus dem Vorsitzenden sowie 
drei von der Arztekammer aus ihrer Mitte gewählten Mitgliedern, endlich einem vom Vor- 
stand der Arztekammer gewählten Mitglied eines ordentlichen Gerichts (§. 77; es beschließt 
in der Regel nach absoluter Stimmenmehrheit in der Besetzung von flinf Mitgliedern, jedoch 
für Bejahung der Schuldfrage nur mit vier Fünftel der Stimmen (§. 81. Die Staats- 
aufsicht führt der Oberpräsident, der in jedem ehrengerichtlichen Verfahren durch einen Kom- 
missar, welcher als Ankläger zu fungieren hat §. 22,, vertreten sein muß (§. 12, und 
an den durch den Vorsitzenden alljährlich ein schriftlicher Bericht über die Tätigkeit des 
Ehrengerichts zu erstatten ist (§. 141. Die Strafen sind Warnung, Verweis, Geld- 
strafe bis 3000 Mark und Entziehung des aktiven und passiven Wahlrechts (§. 15; 
durch die auf letzteren Punkt bezüglichen Vorschriften sind die entsprechenden Vorschriften 
in §. 5 der Verordnung v. 25. Mai 1887 beseitigt. 
Die nähere Betrachtung s. Bd. III., Medizinalverwaltung; die Vorschriften sind ein 
hochbedeutsamer Versuch, den ärztlichen Stand vor den Gefahren einer 
schrankenlosen Gewerbefreiheit zu bewahren und zu einer, wenn auch nur 
losen Organisation des ärztlichen Standes von Staats wegen zurücke u- 
kehren. » 
9. Bei jeder Arztekammer ist eine Kasse zu bilden, die die Kammer in allen ver- 
mögensrechtlichen Angelegenheiten vertritt und als juristische Person gilt; in die Kasse 
fließen Geldstrafen und Nosten, die Beiträge der zur Kammer gehörigen Arzte, sowie etwaige 
  
1 M. v. 6. Jan. 1896 (G. S., S. 1), K. 3. * G. S.. S. 65, abgeändert in den S. 16, 
2 Abgeändert durch V. v. 20. Mai 1898 G. 40 durch G. v. 27. Juli 100.14 %G. S., S. 152. 
S., S. 115) durch Erhöhung der Sate.
	        
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