Gesetzlich bevorzugte Staatsbürger. (§. 51.) 39
der Grafschaft Wernigerode im Art. 23 der Wiener Kongreßakte v. 9. Juni 1815 1
irgend eine völkerrechtliche Garantie hergelcitet werden. Hier sind nämlich die im Frieden
von Tilsit von Preußen abgetretenen Landesteile aufgeführt, welche an Preußen zurück-
fielen, und es ist dabei bemerkt, daß der König von Preußen, seine Erben und Nach-
folger, solche wieder wie früher (romme auparavant) zu voller Souveränität und Eigen-
tum besitzen sollen, und am Schlusse des Artikels heißt es dann, daß diese Bestimmung
sich auch auf die Rechte der Souveränität und Suzeränität über die Grafschaft Werni-
gerode beziehe. Aus dem „comme auparavant“ hat man herleiten wollen, daß damit
der frühere Rechtszustand der Grafschaft Wernigerode völkerrechtlich garantiert sei und
deshalb nicht einseitig verändert werden könne. Allein es leuchtet ein, daß die Worte
„Comme auparavant“ nur den Umfang des früheren Besitzstandes, welcher an Preußen
zurückfiel, bezeichnen und ebensowenig in der Grafschaft Wernigerode, wie in den wieder-
gewonnenen polnischen oder westfälischen Landesteilen irgendwelche Rechtsverhältnisse
festlegen oder der künftigen Gesetzgebung entziehen sollten. Daher hat denn auch die
Instr. v. 30. Mai 1820 bei Aufzählung der ehemals reichsständischen Häuser und Terri-
torien im Preußischen Staate die Grafen zu Stolberg nicht erwähnt. Die Staatsregierung
hat auch ausdrücklich anerkannt, daß die Häupter der gräflich Stolbergschen Häuser
nicht zu denjenigen in Preußen wohnenden reichsständisch begüterten Mediatisierten ge-
hören, welche eine völkerrechtliche Garantie für sich anrufen können. Sie hat vielmehr
bei ihren infolge des Gesetzes v. 10. Juni 1854 getroffenen Maßregeln lediglich aus dem
Grunde dieses Gesetz auch auf die gräflich Stolbergschen Häuser für anwendbar er-
achtet, weil diese nach den schon früher mit ihnen errichteten Verträgen den seit dem
Jahre 1806 mediatisierten Reichsständen im wesentlichen gleichgestellt und demgemäß be-
rechtigt waren, sich auf diese speziellen Staatsverträge zu berufen.? Mit dem Grafen zu
Stolberg-Wernigerode waren unterm 13. Aug. (17. Sept.) 1822 3 und mit den Grafen
zu Stolberg-Stolberg und Stolberg-Roßla unterm 28. März 1836 Rezesse errichtet
worden, welche sie in allen wesentlichen Punkten auf gleichem Fuße mit den in der
Instr. v. 30. Mai 1820 aufgeführten Standesherren behandeln, und infolgedessen hat die
Staatsregierung angenommen, daß auch betreffs dieser gräflichen Häuser die Wieder-
herstellung ihrer Rechte auf Grund des Gesetzes v. 10. Juni 1854 gerechtfertigt sei.
Hiervon ausgehend hat die Staatsregierung mit dem Grafen zu Stolberg-Wernigerode
unterm 8. Jan. 1862 einen durch Allerh. Order v. 25. Aug. 1862 bestätigten Rezeß
abgeschlossen, welcher auf die früheren Rezesse v. 19. Mai 1714 und v. 13. Aug.
(17. Sept.) 1822 Bezug nehmend, diese abgeändert und erläutert hat, und mit den
Grafen zu Stolberg-Stolberg und Stolberg-Roßla haben gleichfalls Verhandlungen, be-
treffend die Wiederherstellung ihrer Rechte, stattgefunden, infolge deren diese Wieder-
1 Vgpl. v. Meyer, Corpus Juris Confuuder. Auch bei den späteren Beratungen (i. J. 1865)
German., 3. Aufl., Bd. I, S. 258—259. hat die Staatsregierung ihren bisherigen Stand-
* Der Kommissarius der Staatsregierung er= punkt beibehalten und ausgeführt, daß die gräfl.
klärte bei der Beratung des G. vom 10. Juni Stolbergschen Häuser sich keineswegs auf die D.
1854 in der Kommission ausdrücklich, daß die Bundesakte, wohl aber auf ihre staatsrechtlichen
Besitzungen der gräfl. Stolberg-Stolbergschen und Verträge berufen könnten und lediglich auf Grund
Stolberg-Roßlaschen Häuser, welche durch den dieser letzteren zu restituieren seien. (Vgl. die
Art. XV. der Wiener Kongreßakte von Sachsen Erklär, der Reg. Kommissarien in der Sitz. des
an Preußen gefallen seien, nur so hätten einver= Abg. H. v. 9. Mai 1865, Stenogr. Ber. 1865,
leibt werden können, wie Sachsen dieselben be= ZRd. II, S. 1410 u. 1413).
sessen habe, und daß diesen beiden Häusern dem- * Vgl. v. Kamptz, Ann., Bd. VII, S. 512,
gemäß auch rezeßmäßig im wesentlichen die und Magdeburger Amtsbl. 1823.
Rechte der vormals Reichsunmittelbaren beigelegnt Der Rezeß v. 8. Jan. 1862 und die Allerh.
worden seien (vgl. Drucks. der II. K. 1853—54, Order v. 25. Aug. 1862 sind mittelst Verfüg.
Bd. IV, Nr. 235, S. 13—140. Von seiten des Oberpräsid. der Provinz Sachsen v. 1. Nov.
mehrerer Mitglieder des Abg. H. (v. Patow, 1862 in dem Amtsbl. der Regier. zu Magdeburg
Reichensperger, v. Bethmann-Hollweg) für das J. 1862, Nr. 46, außerordentl. Beilage 2,
wurde ausgeführt, daß die gräfl. Stolbergschen S. 30)9, zur öffentlichen Kenntnis gebracht worden.
Häuser sich nicht auf die D. Bundesakte, sondern (Vgl. den Abdruck in den Drucks. des Abg. H. 1864,
nur auf ihre Staatsverträge berufen könnten, Nr. 101, und in den Stenogr. Ber. desselben,
#ogl. Stenogr. Ber. 1853—54, S. 758— 762. 18364, Bd. IV, Aktenst. Nr. 94, S. 602—603.)