Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Bezirksregierungen. (§. 92.) 537 
Angelegenheiten der evangelischen Landeskirche, soweit solche bisher von 
dem Minister der geistlichen Angelegenheiten und von den Regierungen ge- 
übt worden ist, auf den evangelischen Oberkirchenrat und die Konsistorien 
als Organe der Kirchenregierung übergeht, und daß der Zeitpunkt und die 
Ausführung des Überganges königlicher Verordnung vorbehalten bleibt. Durch Art. I 
der Verordnung v. 5. Sept. 18772 ist demnächst dieser Zeitpunkt auf den 1. Okt. 1877 
festgesetzt worden und demgemäß ist den Regierungen in den älteren Provinzen der 
Monarchie (also in den Provinzen Ost= und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, 
Posen, Schlesien, Sachsen, Westfalen und der Rheinprovinz) von dem gedachten Zeit- 
punkte ab in Beziehung auf die Angelegenheiten der evangelischen Landeskirche nur die 
ihnen bisher zugestandene Wahrnehmung der staatlichen Aufsichtsrechte, wie solche durch 
das Gesetz v. 3. Juni 1876 näher präzisiert sind und soweit dessen Auslübung nicht 
durch die Verordnung v. 9. Sept. 1876 über die Ausübung der Rechte des Staates 
gegenüber der evangelischen Landeskirche der älteren Provinzen der Monarchies ande- 
ren Behörden des Staates übertragen ist, das jus circa sacra der älteren Theorie, ver- 
blieben, wogegen auf die Konsistorien die Ausübung der bisher von den Regierungen 
wahrgenommenen kirchenregimentlichen Befugnisse, des jus in Sacra der älteren 
Theorie, übergegangen ist.“ Diese staatlichen Aufsichtsrechte sind aber, soweit sie bei den 
Regierungen verblieben sind, den Regierungspräsidenten übertragen, die Abteilungen 
für Kirchen= und Schulwesen dagegen sind nach dieser Richtung heute jeder Zuständigkeit 
entkleidet. Keinerlei Veränderung ist dagegen, wie der Art. 22 des Gesetzes v. 3. Juni 
1876 bestimmt, in den Zuständigkeiten der Behörden bezüglich der Patronatsverhält= 
nisse, und zwar sowohl rücksichtlich des landesherrlichen, als auch rücksichtlich des Privat- 
patronats5, sowie bezüglich der kirchlichen Angelegenheiten bei dem Militär und öffentlichen 
Anstalten eingetreten. Der Art. 23 des Gesetzes v. 3. Juni 1876 führt diejenigen kirchlichen 
Angelegenheiten auf, welche den Staatsbehörden verbleiben 2, und der Art. 24 a. a. O. 
enthält die Bestimmungen darüber, in welchen Fällen die Beschlüsse der kirchlichen Organe 
zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde bedürfen, der Art. 27 
a. a. O. aber hat die Bestimmungen über das staatliche Aufsichtsrecht bezüglich der kirch- 
lichen Vermögensverwaltung getroffen.“ Der Art. 28 a. a. O. hat vorgeschrieben, daß 
durch königliche Verordnung diejenigen Staatsbehörden bestimmt werden sollen, welche die 
Rechte des Staates gegenüber der evangelischen Landeskirche in den acht älteren Pro- 
vinzen der Monarchie auszuüben haben. Die auf Grund dieser Bestimmung erlassene 
Verordnung v. 9. Sept. 1876 hat im Art. I die Fälle festgestellt, in welchen die staat- 
lichen Rechte von dem Minister der geistlichen Angelegenheiten", und im Art. II die Fälle, 
in welchen diese Rechte durch den Oberpräsidenten 10 auszuüben sind; der Art. III aber 
bestimmt, daß die in Rede stehenden Rechte des Staates durch den Regierungspräsidenten, 
in der Haupt= und Residenzstadt Berlin durch den Polizeipräsidenten, ausgeübt werden: 
  
rungen ausscheidet und auf die Konsistorien über- 
geht: die kirchenregimentliche Aufsicht über das 
Vermögen der Kirchen, kirchlichen Stiftungen und 
Institute, und zwar sowohl derjenigen, welche 
landedherrlichen Patronatd sind, als auch der- 
Vgl. oben, S. 452 f. 
G. S. 1877, S. 215. 
G. S. 1876, S. 395. 
Zirk. Reskr. des Min. der geistl., Unterr.= 
und Mediz. Ang. v. 10. Sept. 1877 (M. Al. 
tee 8 
d. i. Verw. 1877, S. 244, Nr. 167 und Kirchl. 
Gesetz= und Verordn. Bl. 1876 N7. S. 1710. 
5 Besondere Bestimmungen über die Patro- 
natsverhältnisse enthält der Art. III, Nr. 3 der 
Verordnung v. 9. Sept. 1876 (G. S. 1876. 
S. 395) im Oinblicke auf den Art. 8 des G. 
v. 25. Mai 1874, betr. die evangel. Kirchenge- 
meinde= und Synodal-O. v. 10. Sept. 1873 für 
die Provinzen Preußen, BVrandenburg, Bommern, 
Posen, Schlesien und Sachsen (G. S. 1871, 
S. 147 ff.). 
6 Das Zirk. Reskr. des Min. der geistl. usw. 
Ang. v. 10. Sept. 1877 hebt in dieser Beziehung 
hervor, daß aus dem Geschäftekreue der Regie= 
  
jenigen, welche dem landesberrlichen Patronate 
nicht unterworfen sind, jedoch unbeschadet der 
Bestimmungen in Art. 23, 21 und 27 des G. 
v. 3. Juni 1876 und ohne Anderung der Zu- 
ständigkeiten in den Patronatdverhältnissen selbst, 
so daß insbesondere den Regierungen die Aus- 
übung aller die Vermögensverwaltung berühren- 
den Befugnisse des landesherrlichen Patronats 
verbleibt. 
Bal. die betreff. Vorschriften der Art. 23—27 
des (G. v. 3. Juni 1876. 
8 G. S. 1876, S. 395 ff. 
Val. hierüber oben, S. 426. 
Vgl. hierüber oben, S. 471. 
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