538 Die Staatsbehörden. (8. 92.)
a) in betreff der Vollstreckbarkeit der Beschlüsse über Gemeindeumlagen (Art. 3 des Ges.
v. 25. Mai 1874, betreffend die evangelische Kirchengemeinde= und Synodalordnung v.
10. Sept. 1873), b) bei Feststellung der Gemeindestatuten (Art. 5 des Ges. v. 25. Mai
1874), c) bei Widerspruch des Patrons gegen Beschlüsse des Gemeindekirchenrates in
Sachen der Vermögensverwaltung, insoweit das geltende Recht die Genehmigung des
Patrons verlangt, hat der Gemeindekirchenrat das Recht des Rekurses an den Regie-
rungspräsidenten, der dann die Genehmigung des Patrons ergänzen kann (§. 23 der
Kirchengemeinde= und Synodalordnung v. 10. Sept. 1873 und Art. 8 des Gesetzes v.
25. Mai 1874), d) in den Fällen der Art. 3, 4, 7, 17, Abs. 6, der Art. 24 und 27
des Gesetzes v. 3. Juni 1876, soweit nicht in den Art. 1 und II der Verordnung v.
9. Sept. 1876 die Ausübung der Rechte dem Minister der geistlichen Angelegenheiten oder
dem Oberpräsidenten übertragen ist. Endlich aber hat Art. IV der gedachten Verord-
nung bestimmt, daß es einer besonderen Verordnung vorbehalten bleibe, Anordnungen
darüber zu treffen, ob und welche Anderung in der Zuständigkeit der Staatsbehörden für
die im Art. 23 des Gesetzes v. 3. Juni 1876 bezeichneten Rechte einzutreten habe, und
auf Grund dieses Vorbehalts hat demnächst die Verordnung v. 5. Sept. 1877: im
Art. III vorgeschrieben, daß die Rechte des Staates in den Fällen des Art. 23, Nr. 1
bis einschließlich 6 des Gesetzes v. 3. Juni 1876 in Berlin, soweit sie bisher von dem
Konsistorium der Provinz Brandenburg geübt sind, durch den Polizeipräsidenten ausgeübt
werden, und im Art. IV, daß die Ausübung der landesherrlichen Patronatsrechte in
Berlin, soweit solche bisher von dem Konsistorium geübt sind, auf die Ministerial-, Mili-
tär= und Baukommission übergeht, daß jedoch dem Konsistorium die Ausübung der auf
dem landesherrlichen Patronate beruhenden Ernennungs= und Berufungsrechte nach Maß-
gabe des §. 2 der Verordnung v. 27. Juni 1845, der §§. 21 und 32, Nr. 2 der
Kirchengemeinde= und Synodalordnung v. 10. Sept. 1873 und der Verordnung v. 2. Dez.
1874 verbleibt. Im übrigen wird die Verwaltung der landesherrlichen Patronatsrechte
von den Regierungen geführt; die Konsistorien aber üben, wie bei Privatpatronaten, die
kirchenregimentliche Aufsicht, und der Regierungspräsident, beziehungsweise in Berlin der
Polizeipräsident, hat nur die staatlichen Rechte im Falle des §F. 23 der Kirchengemeinde-
und Synodalordnung v. 10. Sept. 1873 wahrzunehmen.
In der Provinz Schleswig-Holstein, einschließlich des Kreises Herzogtum Lauenburg,
und in dem Amtsbezirke des Konsistoriums zu Wiesbaden ist das Ausfsichtsrecht des
Staates über die evangelisch-lutherische, beziehungsweise die evangelische Kirche, durch die
in dem dritten Abschnitte des Gesetzes v. 6. April 1878“ zusammengefaßten Bestim-
mungen über die Zuständigkeitsverhältnisse der staatlichen und kirchlichen Organe in gleicher
Weise geordnet worden, wie für die neun älteren Provinzen des Staates durch das Ge-
setz v. 3. Juli 1876, und der Art. 29, Abs. 1 des Gesetzes v. 6. April 1878 hat
bestimmt, daß die Verwaltung der evangelisch-kirchlichen Angelegenheiten, soweit dieselbe
bisher von den Regierungen zu Schleswig und zu Wiesbaden geführt ist, auf das Kon-
sistorium zu Kiel und das Konsistorium zu Wiesbaden, als Organe der Kirchenregierung,
übergeht.5 Der Art. 37 des gedachten Gesetzes aber hat angeordnet, daß durch könig-
liche Verordnung diejenigen Staatsbehörden zu bestimmen sind, welche die Rechte des
Staates gegenüber der evangelisch-lutherischen Kirche in der Provinz Schleswig-Holstein,
beziehungsweise der evangelischen Kirche im Amtsbezirke des Konsistoriums zu Wiesbaden
auszuüben haben. Die auf Grund dieser Bestimmung erlassene Verordnung v. 19. Aug.
1878 hat analog dem altländischen Recht (Verordnung v. 9. Sept. 1876) im Art. 1
die Fälle festgestellt, in welchen die staatlichen Rechte von dem Minister der geistlichen
Angelegenheiten?, und im Art. II die Fälle, in welchen diese Rechte durch den Ober-
1 Gegen die Verfügungen des Regierungs-
präsidenten geht, sofern nicht die Klage bei dem 1878 (Kirchl. Gesetz= und Verordn. Bl. 1878,
Oberverwaltungsgerichte nach Art. 27, Abs. 3 des S. 36).
G. v. 3. Juni 1876 stattfindet, die Beschwerde an 4 G. S. 1878, S. 145 ff.
Reskr. des Min. der geistl. Ang. v. 29. Jan.
den Oberpräsidenten, welcher endgültig entscheidet 5 Vgl. unten, F. 93.
(Art. 1II, Abs. 2 der Verordnung v. 9. Sept. 1876). * G. S. 1878, S. 287.
* G. S. 1877, S. 215. * Vgl. hierüber oben, S. 426, 427.