Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

50 Das Staatsbürgerrecht. (§. 51.) 
bei Erlaß des Gerichtsverfassungsgesetzes landesrechtlich vorhanden war, derart, daß die 
Standesherren verlangen können, nur von Standesgenossen gerichtet zu werden 1; da- 
gegen stehen die Austräge in Zivilsachen unter den allgemeinen Grundsätzen der Schieds- 
gerichtsbarkeit. Die Entscheidungen der Austrägalgerichte bedürfen königlicher Bestätigung 
und sind endgültig. — Da übrigens, zufolge des §. 2 des Einführungsgesetzes zum 
deutschen Gerichtsverfassungsgesetze, die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes nur 
auf die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit und deren Ausübung Anwendung finden, so 
werden durch dasselbe auch die Bestimmungen des §. 4 der Verordnung v. 12. Nov. 
1855 und des §. 19 der Instr. v. 30. Mai 1820 über die Gerichtsbarkeit in nicht 
streitigen Rechtsangelegenheiten der Standesherren und der Mitglieder ihrer Familien 
nicht berührt. 
11. In Polizeisachen sind die Standesherren und die Mitglieder ihrer Familien 
nach §. 20 der Instr. verpflichtet, während ihres Aufenthaltes innerhalb ihres standes- 
herrlichen Bezirks nur nach den Anordnungen der Provinzialregierung, bei einem Auf- 
enthalte außerhalb desselben auch nach den Anordnungen der Polizeibehörde des Ortes 
sich zu richten. Diese Vorschrift ist nach der Neuordnung der Polizeigewalt durch die 
Kreisordnungen als dahingefallen zu betrachten, da ein besonderer Vorbehalt nach dieser 
Richtung in der neueren Gesetzgebung nirgends gemacht ist. 
12. Nach den Grundsätzen der früheren deutschen Verfassung sollen nicht nur die 
noch bestehenden Familienverträge der standesherrlichen Häuser aufrecht erhalten werden, 
sondern es soll diesen auch die Befugnis zustehen, fernerhin Verfügungen über ihre Fa- 
milienverhältnisse und Güter zu treffen. Jene Familienverträge und diese Ver- 
fügungen bedürfen jedoch, ehe sie eine vor den Gerichten verbindliche Kraft erhalten, der 
königlichen Genehmigung" (§. 21 der Instr.). Auch durch das B. G. B. ist diese 
Autonomie der standesherrlichen Familien? grundsätzlich aufrecht erhalten worden 
(Einf. Ges. Art. 58), jedoch nur im Rahmen der Landesgesetze. Die letzteren bilden 
somit die Schranke jener Autonomie; soweit landesrechtliche Beschränkungen nicht bestehen, 
  
1 Vgl. über diese noch bestehende Austrägal= 2. Jan. 1849 und in den Bezirken der Appell.= 
gerichtsbarkeit Schwartz, Pr. Verf. Urk., S. Gerichte Kiel, Kassel und Wiesbaden bestimmt 
260; Laband, St. R. III, S. 371; G. Meyer, sich der Umfang der betr. Vorrechte nach den 
St. R., 5. Aufl., S. 752. Vorschriften des §. 19, lit. a bis c der Instr. 
* Vgl. die von Laband III, S. 371 ff. ge-v. 30. Mai 1820. Zuständig sind die Appellations- 
gebene Feststellung auf Grund der Rheinbunds= gerichte, in den Hohenzollernschen Landen hin- 
akte „droit d’austregues c'’est-à-dire: d'’etre sichtlich des fürstl. Hauses Thurn und Teaxis 
juges par leurs pairs“) und der Bayr. Deklara= das Kreisgericht in Hechingen. Die Beschwerde- 
tion v. 1807, bezw. Bundesakte, Art. XIV. instanz bildet der Justizminister. In der Pro- 
3 Der §. 4 der V. v. 12. Nov. 1855 be= vinz Hannover sind die Obergerichte zuständig. 
stimmt, daß hinsichtlich des Gerichtsstandes in Der Entwurf beläßt es bei den bestehenden Vor- 
nicht streitigen Rechtsangelegenheiten der Stan= schriften mit der aus der neuen Gerichtsorgani- 
desherren die Vorschriften des s. 19, Lit. a bis sation sich von selbst ergebenden Modifikation, daß 
der Instr. v. 30. Mai 1820 maßgebend sein an Stelle der Appellationsgerichte die Oberlandes- 
sollen und daß der Justizminister die Aufsichts= gerichte und an Stelle der Kollegialgerichte erster 
und Beschwerdeinstanz bildet. Die Bestimmungen Instanz die Landgerichte treten.“ Vgl. Stenogr. 
des §S. 19, Lit. a bis c der Instr. v. 30. Mai Ber. des Abg. H. 1877—f78, Anl.-Bd. I, Aktenst. 
1320 aber erteilen spezielle Anordnungen über Nr. 60, S. 540—541. Einen auesdrücklichen 
Vormundschaften, Erbverteilungen unter Mit= Vorbehalt zugunsten der Standesherren macht 
gliedern der standesherrl. Familie und Gegen= auch die preuß. Vormundsch.-Ord. v. 5. Juli 
stände der freiwilligen Gerichtsbarkeit. — Das1875, (G. S., S. 431) S. 101. 
Ausführungegesetz v. 24. April 1878 zum d. * Dies Recht der Familienautonomie garan- 
Gerichteverfassungsgesetze hat hiernächst im S. 27/tert der Art. XIV d. Bundesakte ausdrücklich. Vgl. 
bestimmt, „daß der den Häuptern und Mitgliedern darüber Zachariä, D. St. u. B. R., 3. Aufl., 
der früher reichsständischen Familien eingeräumteBd.], S. 522 ff. und die dort angeführte Literatur 
Gerichtostand in Angelegenheiten der nichtstreitigen über die Frage der Gültigkeit der früher er- 
Gerichtabarkeit durch die Bestimmungen des §. 26, ichteten Familienverträge. 
a. a. O., über die Zuständigkeit der Amtsgerichte 5 Gierke, D. Priv. R. 1, §. 19, u. die 
nicht berührt wird“ (G. S. 1878. S. 235). In dort zit. Lit.;: Scholly, Das Autonomierecht 
dieser Beziehung bemerken die Motive zu den §8. des hohen Adels (Diss. 18941; Rehm, Fürsten- 
18—21 des Entw. des Ausführungsges. v. 24. recht, S. 69 ff. 
April 1878: „Im Geltungobereiche der V. v. 
 
	        
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