Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

608 Die Staatsbehörden. (8. 94.) 
großen Gedanken der kirchlichen Selbständigkeit unter Wahrung des landesherrlichen 
Kirchenregiments. 
Demgemäß bestimmt sich das Ressort der Konsistorien für die neun alten Provinzen 
heute folgendermaßen: 1. Die Sorge für Einrichtung der evangelischen Synoden, die Aufsicht 
über die bereits bestehenden; die Prüfung und nach Befinden die Berichtigung oder Be- 
stätigung der Synodalbeschlüsse, auch die Berichterstattung über solche, wo sie erforderlich ist.2 
Diese Vorschrift ist durch die neue große Gesetzgebung über die Synodalverfassung der evan- 
gelischen Landeskirche in den neun alten Provinzen der Monarchie gegenstandslos geworden; 
die einschlägigen Gesetze sind: Kirchengemeinde= und Synodalordnung v. 10. Sept. 
1873 für die sieben östlichen Provinzen (G. S., S. 417), für Hohenzollern in Kraft gesetzt 
durch die Allerhöchsten Erlasse v. 1. März 1897 und 2. Juli 1898, dazu die rheinisch- 
Z . 5. März 1835. .. . * 
westfälische Kirchenordnung v. 25. Nov. 18531 ferner für die neun alten Provinzen 
die Generalsynodalordnung v. 20. Jan. 1876 (G. S., S. 7); zu dieser Kirchen- 
gesetzgebung gehören die Staatsgesetze v. 25. Mai 1874 (G. S., S. 147) und v. 
3. Juni 1876 (G. S., S. 125), sowie die hierzu weiter erlassenen Vollzugsverordnungen. 
2. Die Aufsicht über den Gottesdienst im allgemeinen, insbesondere in dogmatischer und 
liturgischer Beziehung, zur Aufrechthaltung desselben in seiner Reinheit und Würde?, 
wohin insbesondere auch die Aufsicht über den kirchlichen Religionsunterricht, über den 
Gebrauch von Katechismen und Lehrbüchern für denselben, über den Kirchengesang, über 
die Bildung liturgischer Chöre, über Gesangbücher gehört.“ 3. Die Aufsicht und Vor- 
sorge für die Bildung des geistlichen Standes auf allen vorbereitenden Stufen, soweit 
dieselben nicht den öffentlichen Unterrichts= und Lehranstalten selbständig anvertraut ist; 
die Prüfung der Kandidaten, sowohl pro facultate concionandi als auch pro mi- 
nisterio, und die Abhaltung der Colloquia pro munere; die Aufsicht über die Fomt- 
bildung und sittliche Haltung der Kandidaten und die Disziplin über dieselben, sowie die 
Verwendung der RKandidaten zu geistlicher Aushilfe.5 4. Die „Bestätigung“ der von 
Patronen und wahlberechtigten Gemeinden berufenen Geistlichen"“, welche juristisch als die 
Ernennung zu betrachten ist. Bei der Bestätigung eines vom Auslande berufenen Kandi- 
daten oder Geistlichen bedarf es jedoch zuvor einer Erklärung der zuständigen Regierung, 
daß der Berufung in allgemeiner landespolizeilicher Hinsicht nichts entgegenstehe. Wenn 
über das Präsentationsrecht eines Patrons oder über das Wahlrecht einer Gemeinde 
Streit entsteht, so hat das Konsistorium die Gültigkeit der Präsentation oder der Wahl 
im einzelnen Besetzungsfalle nach Maßgabe der bestehenden Rechtsvorschriften zu prüfen 
und darüber zu befinden.' 5. Die Berufung zu denjenigen geistlichen Stellen, über 
welche dem Landesherrn das Patronatsrecht zusteht.¾ Bei denjenigen geistlichen Stellen, 
deren Patronat einer besonderen, von einer landesherrlichen Behörde verwalteten Anstalt 
oder Stiftung angehört, verbleibt der verwaltenden Behörde das Berufungsrecht, unter Zu- 
  
1 Ugl. dazu auch die prinzipiellen und positiv- 
rechtlichen Darlegungen oben, S. 425 ff. (Kultus- 
ministerium), S. 199 ff. (Oberkirchenrat), S. 471 
(Oberpräsident), S. 536 ff. (Regierungen!). Eine 
sehr verdienstliche Zusammenstellung der neueren 
Kirchen= und Staatsgesetzgebung von Lilge 
(6. Aufl., 1900). Die rhein.-westfäl. Kirchen- 
ordnung, 5. Aufl., von Kahl (1891). Die streng 
wissenschaftliche Darlegung des bisher arg vernach- 
lässigten Rechtsstoffes gibt Schön, Evangelisches 
Kirchenrecht in Preußen, Bd. 1 (1903) in aus- 
gezeichneter Weise, dazu die Arbeiten von Niedner, 
Grundzüge der Verwaltungsorganisation der alt- 
preuß. Landeskirche (1901) und die Ausgaben des 
Preußischen Staates für die evangelische Landes- 
kirche (Abhandl. von Stutz, 1904). 
* §. 2, Nr. 1 der Dienstinstr. v. 23. Okt. 
1817; s. dazu jetzt unten, S. 616, V. 
2 Ebendas., §. 2, Nr. 2. 
  
“ S. hierzu jetzt Generalsynodalordnung. S. 7, 
Ziff. 3, wodurch die ganze Materie als Gegen- 
stand der autonomen Kirchengesetzgebung erklärt ist. 
5 Ebendas., §. 2, Nr. 3 und 6; dazu jert 
Generalsynodalordnung, §. 7, Ziff. 2 und 7, und 
Kirchenges. v. 15. Aug. 1898 mit Instr. v. 1. Juli 
1899 (K. G. u. V. Bl. 1898, S. 137; 1899, 
S. 48). 
* Instr. v. 23. Okt. 1817, §. 2, Nr. 4, Kab. 
O. v. 31. Dez. 1825, sub B, Nr. 3, Verordn. 
v. 27. Juni 1845, §. 1, Nr. 1; dazu jent die 
oben S. 607, N. 1, angegebenen Vorschriiten. 
: Uber die Frage, inwieweit den Beteiligten 
der Rechtsweg offen bleibt, vgl. A. L. R., II. 11, 
Ss. 361—64 jetzt gelten hierüber die Vorschriften, 
die enthalten sind in den in der Note 1, S. 60.7 
angegebenen Materialien. 
* Verordnung v. 27. Zuni 1845, §. 2.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.