Gemischte VBerwaltungsbehörden. (G. 95.) 623
wie in Sachsen für die Städte, ferner in Hannover, wo die Landschaften kommunale
Organisationen sind; in neun der zwölf preußischen Provinzen ist somit der Übergang
dieser Feuerversicherungsanstalten, in Sachsen allerdings nur für die Städte, in das
Sffentliche Recht der Selbstverwaltung bereits abgeschlossen; für Hohen-
zollern wird die Verwaltung des analogen Instituts sogar im Rahmen der Staats-
verwaltung geführt. Dagegen für Ost= und Westpreußen, für Brandenburg und das
platte Land in Sachsen bestehen noch die alten selbständigen Einrichtungen 1, die der
öffentlichen Verwaltung nur durch die Staatsaufsicht eingegliedert sind, im übrigen aber
noch ihre traditionell hergebrachte Selbständigkeit besitzen. Der weitere Entwicklungs-
gang dieser Institute darf auf Grund der bisherigen Erfahrung bereits als klar vor-
gezeichnet angesehen werden, zumal sich dieser Entwicklungsgang in einem Teil auch der
alten Provinzen — Pommern, Schlesien und teilweise in Sachsen und Posen — schon
bis zum Ende vollzogen hat: diese „Sozietäten“ müssen allenthalben Bestand-
teil der provinziellen Selbstverwaltung werden; der dermalige zersplitterte Zu-
stand entbehrt jeder Berechtigung.
Ob in der weiteren Entwicklung der Gesetzgeber Veranlassung hat, dem Gedanken
näher zu treten, die Immobiliarfeuerversicherung überhaupt der Privatindustrie zu entziehen
oder wenigstens für Gebäude, die öffentlichen Zwecken dienen, eine Versicherungspflicht
bei öffentlichrechtlichen Instituten vorzuschreiben, ist hier nicht zu erörtern. Ein inter-
essantes Vorbild dieser Art bietet die staatliche Brandversicherung in Bayern (seit 1799).2
Die Versicherung beweglicher Sachen wäre jedenfalls auszuschließen.
Unter allen Umständen aber trägt der „Versicherungsvertrag“, der bei den unter
direkter Staats= bezw. Selbstverwaltung stehenden oder von Staats wegen scharf beauf-
sichtigten Anstalten öffentlichen Rechtes abgeschlossen wird, einen grundsätzlich anderen
Charakter als der gewöhnliche Versicherungsvertrag des Privatrechtes "; die Staats-
kontrolle, die für Privatunternehmungen dieser Art sich dermalen auch als gesetzgeberische
Notwendigkeit“ ergeben hat, ist für ersteren bereits in viel größerem Umfange vorhanden
und es würde jeder ratio legis entbehren, derartige Aufsichtsvorschriften für das private
Versicherungsgewerbe auch auf die Anstalten des öffentlichen Rechtes zu übertragen, über-
dies wahrscheinlich auch einen bereits weit vorgeschrittenen und notwendigen Entwicklungs-
prozeß dieser letzteren unheilbar schädigen. Das gleiche aber muß auch gelten von der
reichsrechtlich in Aussicht genommenen einheitlichen Regelung des Versicherungsvertrages;
eine solche wird gleichfalls den bei öffentlichrechtlichen Anstalten abgeschlossenen Versiche-
rungsvertrag außer Betracht zu lassen haben, da die Garantien der Rechtssicherheit hier
auf anderem Wege in vollkommener Weise gegeben sind und eine schablonenmäßige Be-
handlung jener Anstalten in dieser Frage wahrscheinlich den höheren Gesichtspunkt der
sozialen Fürsorge schädigen, vielleicht völlig zerstören würde. Ein privatrechtliches Ver-
sicherungsgeschäft und eine öffentlichrechtliche Versicherungsanstalt sind grundsätzlich völlig
verschiedene rechtliche Gestaltungen.
1 Die Posensche Feuersozietät — Staatshandb. Recht: „Es ist daran festzuhalten, daß die Vor-
S. 394 — steht unter Provinzialselbstverwaltung,! rechte der Immobiliarversicherung sich nicht auf
die Sozietätsdirektionen in Bromberg und Schneide= die Mobiliarversicherung erstrecken dürfen.“
mühl unter der Westpreußischen Landschaft. SEhbenso der Regierungsvertreter Gruner im
2 In den Mittelstaaten besteht in der RegelF Reichstag Stenogr. Ber. 1901, S. 2413, dagegen
Beitrittszwang, s. Löning, Verw. R., S. 678, Entsch. d. R. Ger. i. Zivils., Bd. XXXXVIII,. Nr. 72.
und die meisten deutschen Staaten haben reine Die Gründe für den öffentlichrechtlichen Charak-
Staatsanstalten für Immobiliarversicherung f. ter dieser Versicherung sind im einzelnen später
G. Meyer, Verw. R., Bd. I, S. 604, N. 7. in Bd. III darzulegen; besonders kommt in Be-
Uber den Versicherungszwang, der noch in Preußen tracht die Anerkennung der Versicherungeleistung
besteht, s. Elster bei Stengel, Wörterb., Bd. I, des Versicherten als „öffentliche Abgabe“, demgemäß
S. 400, und ebenda über die vorbildliche bayerische eventuell Zwangseintreibung wie bei Steuern.
Gesetzgebung Ges. v. 3. April 1875), dazu v. Haag,, „ R. Ges. v. 12. Mai 1901 (R. G. B. 139),
Die Immob.-Brandversicherung (1903). . 64 ff.; die Anstalten öffentlichen Rechtes stehen
3 Die Ostpreuß. Feuersozietät z. B. hat die (§§. 1, 119) nicht unter dem Gesetz; Stenogr.
Mischung. Ein Min. Reskr. v. 4. Mai 1861 / Ber. d. Reichstags 1901, S. 2411, 2416; s.
(Löning, Verw. R., S. 677, N. 2 sagt mit oben, S. 6109.