Der Landrat. (8. 96.) 627
sich zu Landratsstellen meldenden Kandidaten einem Examen bei der Oberexaminations-=
kommission in Berlin oder bei den Präsidien unterworfen werden müssen, behalte Ich
Mir zu bestimmen noch vor.“ Abgesehen von den allgemeinen, für alle Staatsbeamte erforder-
lichen Qualifikationsbedingungen 1 muß jeder Landratsamtskandidat seine Geschäftsfähig-
keit nachweisen. Das durch die Kabinettsorder v. 10. Juli 1838 genehmigte Regulativ
des Staatsministeriums v. 13. Mai 1838 über die Prüfung der Landratsamtskandidaten?
hatte vorgeschrieben, daß sich der durch dasselbe angeordneten Prlifung vor der bei der
Regierung ihres Bezirkes bestellten Prüfungskommission alle diejenigen Kandidaten des
Landratsamtes zu unterwerfen haben, welche weder durch den König von der Prüfung
entbunden werden, noch durch eine bei einer der beiden Oberexaminationskommissionen
bestandene Prüfung die Reife zu der Stelle eines Mitgliedes einer Regierung oder eines
Obergerichtes nachgewiesen, noch endlich sich nach vollendetem Regierungsreferendariate
das Zeugnis der vollständigen Vorbereitung zu der Prüfung bei der Oberexaminations-
kommission für die Beamten der höheren Verwaltung erworben haben. Diese Bestim-
mungen sind durch den §. 19 des durch die Kabinettsorder v. 27. Febr. 1846 genehmigten
Regulativs des Staatsministeriums v. 14. Febr. 1846 über die Befähigung zu den
höheren Amtern der Verwaltung s ausdrücklich aufrecht erhalten worden. Dieses Regu-
lativ ist indes durch den §. 17 des Gesetzes v. 11. März 187)9, betreffend die Be-
fähigung für den höheren Verwaltungsdienst“, aufgehoben worden, und der §. 16 dieses
Gesetzes hat in Abs. 1 und 2 bestimmt, daß über die Besetzung der Stellen der Land-
räte (Kreis= und Amtshauptmänner) und Oberamtmänner in den Hohenzollernschen Landen
und über die für diese Stellen erforderliche Befähigung ein besonderes Gesetz ergehen
soll, bis zu dessen Erlaß die bestehenden Bestimmungen in Kraft bleiben sollen; sofern
jedoch dieses Gesetz nicht bis zum 1. Jan. 1884 erlassen sein sollte, sollten gemäß Abs. 3
des §. 16 von diesem Zeitpunkte ab nur solche Personen berufen werden, welche die nach
§. 1 a. a. O. erforderliche Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst oder für den
höheren Justizdienst erlangt haben. Das in Aussicht genommene besondere Gesetz ist
zwar bis jetzt nicht ergangen, aber der §. 74 der Kreisordnung v. 13. Dez. 1872 für die
Provinzen OÖst= und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen, in
der Fassung des Gesetzes v. 19. März 1881, hat bestimmt, daß zur Bekleidung der
Stelle eines Landrats diejenigen Personen befähigt sind, welche 1. die Befähigung zum
höheren Verwaltungs= oder Justizdienste erlangt haben, oder 2. dem Kreise seit mindestens
einem Jahre durch Grundbesitz oder Wohnsitz angehören und zugleich mindestens während
eines vierjährigen Zeitraums entweder a) als Referendare im Vorbereitungsdienste bei
den Gerichten und Verwaltungsbehörden, oder b) in Selbstverwaltungsämtern des be-
treffenden Kreises, des Bezirks oder der Provinz — jedoch nicht lediglich als Stell-
vertreter oder als Mitglieder von Kreiskommissionen — tätig gewesen sind, auf welchen
Zeitraum von vier Jahren den zu 2b bezeichneten Personen eine Beschäftigung bei
höheren Verwaltungsbehörden bis zur Dauer von zwei Jahren in Anrechnung gebracht
werden kann.
Diese Bestimmungen über die Befähigung der Landräte galten formell zunächst nur
in denjenigen Provinzen, für welche die Kreisordnung v. 13. Dez. 1872 (19. März 1881)
in Kraft getreten war, wogegen zufolge §. 16 des Gesetzes v. 11. März 1869 in den
Provinzen Posen? und Westfalen und in der Rheinprovinz bis längstens zum 1. Jan.
1884 die Vorschriften des Regulativs v. 13. Mai 1838 maßgebend blieben." Inzwischen
sind durch die besonderen Kreisordnungen für die übrigen Provinzen — s. deren Auf-
1 Der §. 1 der Instr. für die Landräte v. Ann., Bd. XII. S. 477) hatte bestimmt, daß in
31. Dez. 1816 erfordert zur Qualifikation der der Provinz Posen zur Qnalifikation eines Land-
Landräte im allgemeinen, daß sie Männer von . ratsamtskandidaten unerläßlich eine vollständige
reifer Lebensbildung, erprobter Rechtschaffenheit Kennim's der deutschen und mindestens so viel
und Ansehen unter ihren Miteingesessenen sind. Bekanntschaft mit der polnischen Sprache gehört,
* G. S. 1838, S. 423 ff. daß er solche geläufig sprechen und schreiben kann.
* G. S. 1846, S. 199 ff. Diese Vorschrift gilt heute nicht mehr.
* G. S. 1870, S. 160 ff. * Der Minister des Innern hatte sich dahin
5 Das Regl. v. 29. April 1829, S. 7v. Kampt, ausgesprochen, daß die Frage der technischen O-uali
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