Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

634 Die Staatsbehörden. 
(8. 96.) 
V. In betreff der Stellvertretung des Landrats in Behinderungsfällen hat die 
Kreisordnung v. 13. Dez. 1872 (19. März 1881) im 8. 75 vorgeschrieben, daß zu diesem 
Behufe von dem Kreistage aus der Zahl der Kreisangehörigen zwei Kreisdeputierte 
auf je sechs Jahre gewählt werden1, welche der Bestätigung des Oberpräsidenten be- 
dürfen und von dem Landrate zu vereidigen sind", und daß für kürzere Behinderungs- 
fälle der Kreissekretär als Stellvertreter eintreten kann. Diese Vorschriften gelten jetzt 
in vollkommen übereinstimmender Weise auch in allen übrigen Provinzen der Monarchie 
kraft der für diese erlassenen besonderen Kreisordnungen. In der Provinz Posen tritt 
bei Behinderung des Landrats im Vorsitz des Kreisausschusses dessen Stellvertreter ein; 
ist dies der Kreissekretär, so hat der Kreisausschuß aus seiner Mitte einen stellvertreten- 
den Vorsitzenden zu wählen (Art. IV, §. 4 des Gesetzes v. 19. Mai 1889). 
Die Kreisdeputierten sind kraft ihres Amtes berufen zur zeitweisen Vertretung 
abwesender oder durch Krankheit oder andere Zufälle von ihren Amtsverrichtungen abge- 
haltener Landräte 3, indes begründet dieser regelmäßige Beruf der Kreisdeputierten keinen 
Anspruch derselben auf die interimistische Verwaltung erledigter Landratsämter bis zu 
deren Wiederbesetzung; vielmehr sind die mit einer längeren Verwaltung zu beauftragen- 
den Personen in jedem einzelnen Falle von den Regierungen nach ihrer pflichtmäßigen 
Uberzeugung auszuwählen 5 und, bevor die einstweilige Ubertragung des Amtes an sie 
erfolgt, dem Minister des Innern zur Genehmigung in Vorschlag zu bringen.“* Wenn 
ein Landrat vorübergehend durch Abwesenheit oder aus anderen Ursachen verhindert ist, 
seine Amtsgeschäfte zu verwalten, so soll seine Stellvertretung allemal dann einem der 
beiden Kreisdeputierten, welchen die Regierung auszuwählen hat, aufgetragen werden, 
wenn die Behinderung über vierzehn Tage hinaus dauert, ausgenommen, wenn der Land- 
rat sich nicht außerhalb seines Kreises befindet und imstande ist, die obere Leitung der 
Geschäfte beizubehalten.“ Wo aber die Landräte nicht von den Kreistagen erwöählt, 
sondern von der Regierung ernannt sind, gebührt auch deren Stellvertretung in Be- 
hinderungsfällen nicht den Kreisdeputierten, sondern muß von der Regierung angeordnet 
werden. 5 
Der Kreisdeputierte vertritt den Landrat in allen seinen Amtsgeschäften; insbesondere 
hat er auch den Vorsitz in Kreistag und Kreisausschuß; von mehreren Kreisdeputierten 
hat der dienstälteste, bei gleichem Dienstalter der an Lebensjahren älteste den Vorrang.? 
Eine anderweite Vertretung des Landrats im Vorsitz des Kreistages, insbesondere durch 
  
v. 3. Sept. 1879, M. Bl. d. i. Verw. 18/1, 
S. 30). 
1 Über die Wahl der Kreisdeputierten vgl. 
das Zirk. Reskr. des Min. des Inn. v. 7. Sept. 
1873, welches empfiehlt, die Wahl auf solche 
Kreisangehörige zu lenken, welche dem Kreis- 
ausschusse als Mitglieder angehören und in dieser 
Eigenschaft in der Lage sind, sich mit dessen Ge- 
schäften vertraut zu machen. Die für ausge- 
schiedene Kreisdeputierte zu wählenden Kreis- 
deputierten sind ohne Rücksicht auf die Amtsdauer 
ihrer Vorgänger auf die im Gesetze bestimmte 
Anzahl von sechs Jahren zu wählen bezw. 
zu bestätigen (Reskr. des Min. des Inn. v. 
5. März 1876, M. Bl. d. i. Verw. 1876, 
S. 110). Uber die Gewährung von Entschädi- 
gung, bezw. Diäten und Reisekosten an Kreis- 
deputierte für die Aufwendungen bei Vertretung 
des Landrats vgl. die Reskr. des Min. des Inn. 
v. 14. Juli 1874 M. Bl. d. i. Verw. 1874, S. 
226) und v. 29. Okt. 1874 (a. a. O. 1875, 
S. 65). 
2 Keine Kreisdeputierten hat Hohenzollern: s. 
Schön, Recht d. Komm. Verb., S. 406, N. 5. 
* Die JZuständigkeit des Kreissekretärs zur 
Unterzeichnung der Ausfertigung einer polizei- 
lichen Strafverfügung hat der Richter nicht zu 
prüfen Erk. des Sen. für Staff. des Ob. Trib. 
  
* Uber die Remunerierung der Kreisdeputierten 
für die Vertretung abwesender oder sonst behin- 
derter Landräte: Zirk. Reskr. des Min. des Inn. 
u. d. P. v. 15. Dez. 1841 (M. Bl. d. i. Verw. 
1842, S. 177. 
5 Kab. O. v. 13. März 1830 (v. Kampt, 
Ann., Bd. XIV, S. 11, Bergius, Gesetzsamml.. 
S. 343)0. 
* Reskr. des Min. des Inn. v. 25. Nov. 1836 
(v. Kampt, Ann., Bd. XX, S. 306). 
Westfäl. Landtags-Absch. v. 22. Juli 1832 
(v. Kamptz, Ann., Bd. XVI. S. 741,, Zirk. 
Reskr. des Min. des Inn. v. 10. Mai 1811 
(M. Bl. d. i. Verw. 1841, S. 314). 
* Kab. O. v. 13. Nov. 1839 (Rauer, d. a. 
O., S. 274, §. 1074). Dies gilt in der Pro- 
vinz Posen, solange daselbst das Recht der Kreis- 
stände zu den Wahlen der Landräte suspendiert 
ist (Reskr. des Min. des Inn. v. 30. März 1843. 
Rauer, a. a. O., S. 275, Zus. 1708). 
° Östl. Kr. O., §. 118, westf. u. rhein., §. 12, 
hannöv., §. 74, hefs.-nass., S. 75, schlesw. holst., 
§5. 105. Vgl. dazu Schön, Recht der Komm. 
Verb., S. 4006.
	        
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