Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Gesetzlich bevorzugte Staatsbürger. (§. 51.) 55 
C. Ausübung bestimmter Regierungsrechte durch die Standesherren. 
Der §. 38 der Instr. v. 30. Mai 1820 hatte bestimmt, daß den Standesherren 
die AuslÜbung gewisser Regierungsrechte nach den Landesgesetzen und nach den für deren 
Ausführung ergehenden Anordnungen der betreffenden Oberbehörden unter deren Aufsicht 
zustehen soll.c! Der Grundsatz gilt auch heute noch, ist aber durch die neuere Rechts- 
entwicklung immer mehr eingeschränkt worden und in Wirklichkeit heute so gut wie ganz 
beseitigt (s. dazu S. 45). 
1. Die Ausübung der bürgerlichen und peinlichen, desgleichen der polizeilichen und 
der Forstgerichtsbarkeit in ihren Standesherrschaften, war den Standesherren zugestanden 
nach näherer Vorschrift der §§. 39—44 der Instruktion. Dies Recht ist indes für den 
Geltungsbereich der Verordnung v. 2. Jan. 1849 über die Aufhebung der Privatgerichts- 
barkeit? bereits durch deren §. 1 aufgehoben worden, wodurch (in Gemäßheit der Art. 42 
und 86 der Verfassungsurkunde) die standesherrliche Gerichtsbarkeit jeder Art 
in Zivil= und Strafsachen völlig beseitigt und bestimmt worden ist, daß die 
Gerichtsbarkeit fortan überall nur durch vom Staate bestellte Gerichts- 
behörden im Namen des Königs ausgeübt werden soll?, und durch die nach 
  
und seinen Nachfolgern in der Regierung in der- 
selben Art, wie die Üübrigen Einwohner der Pro- 
vinz, dic Huldigung zu leisten haben, und daß auch 
das standesherrliche Haupt berechtigt ist, sich von 
ihnen Achtung und Gehorsam geloben zu lassen, 
was indes auf Grund des Art. 42 der Verf. Urk., 
auch in der jetzigen (durch das G. v. 14. April 
1856 abgeänderten) Fassung desselben, für be- 
seitigt zu erachten ist. Vgl. hierüber auch das 
Restr. des M. d. Inn. v. 28. Mai 1823 (v. Kamptz, 
Ann., Bd. VII, S. 240). 
1 Diese Rechte beruhen auf der Zusicherung 
des Art. XIV (sub Nr. 4) der Bundesakte und 
auf den Bestimmungen der §§. 7 u. 8 der V. v. 
21. Juni 1815. — Die v. G. O. für die Pro- 
vinz Westfalen v. 31. Okt. 1841, §. 125 (G. 
S. 1841, S. 321) und die rheinische G. O. 
v. 23. Juli 1845, §S. 118 (G. S. 1845, S. 553) 
bestimmen ausdrücklich, daß in den Gemeinden, 
welche zu den Gebieten der vormals unmittelbaren 
deutschen Reichsstände gehören, den letzteren die 
Ausübung der Regierungsrechte durch ihre Be- 
hörden nach Maßgabe der Instr. v. 30. Mai 
1820 vorbehalten bleibt, sofern nicht durch be- 
sondere Rezesse hierauf Verzicht geleistet oder ein 
anderes bestimmt worden ist. 
2 G. S. 1849, S. 1. 
3: In Ansehung der standesherrl. Gerichtsbar- 
keit, welche ausdrücklich durch den Art. XIV der 
d. Bundesakte garantiert war, hat die Staatsregie- 
rung die Wiederherstellung derselben unter den 
gegenwärtigen Verhältmissen und neben der jetzigen 
Gerichtsorganisation als eine Unmöglichkeit er- 
kannt, wie schon im Jahre 1815 von ihrer Wie- 
dereinführung gegen die französ. Institutionen 
in den Landesteilen des linken Rheinufers Ab- 
stand genommen wurde. Dagegen hat die Staats- 
regierung in den mit den Fürsten zu Wied und 
Solms-Braunfels (infolge des G. v. 10. Juni 
1854) abgeschlossenen Verträgen v. 25. Juni 1860 
u. v. 22. Nov. 1861 (vgl. im Amtebl. der Reg. 
zu Koblenz v. 16. Mai 1861 u. v. 3. Juli 1862) 
und in dem mit dem Grafen zu Stolberg-Wernige- 
rode abgeschlossenen Vertrage v. 8. Juni 1862 ( ogl. 
im Amtsblatte der Regier. zu Magdeburg von 
  
  
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1862) diesen Fürsten und Grafen vergleichsweise 
und gleichsam als einen Teil der aufzugebenden 
Rechte statt jener Gerichtsbarkeit das Recht ein- 
geräumt, daß bei den Kreisgerichten zu Neuwied 
und zu Wetzlar, beziehungsweise bei der Kreis- 
gerichtsdeputation zu Wernigerode, eine Anzahl 
von Richtern, Subalternen und Unterbeamten und 
Rechtsanwälten nur auf die Präsentation der 
Fürsten ernannt werden, und daß sich diese Ge- 
richte in allen aus dem Mediatgebiete anhängig 
werdenden Angelegenheiten der Benennung „Nönig- 
lich Preußisches und Fürstlich Wiedisches (beziehungs- 
weise Fürstlich Solms-Braunfelssches, Kreisgericht, 
beziehungsweise Gräflich Stolbergische Kreisge- 
richtsdeputation", sowie eines aus dem kombi- 
nierten Königlichen und fürstlichen (beziehungs- 
weise gräflichen! Wappen gebildeten Siegels be- 
dienen sollen. Ahnlich ist früher nur dem Fürsten 
von Bentheim-Steinfurth im Jahre 1843 statt 
der aufgegebenen eigenen Jurisdiktion das Recht 
eingeräumt worden, einige Stellen bei dem Königl. 
Gerichte zu besetzen, welches vertragsmäßige Recht 
indes die Staatsregierung selbst als durch die 
Gesetzgebung von 1849 aufgehoben betrachtet. 
Die Fürsten zu Wied und Solms-Braunfels aber 
haben Rechte dieser Art früher niemals besessen. 
Der so geordnete Einfluß von Privaten auf die 
Ernennung von Staatsbeamten und die Kombi- 
nation von königlichen und standesherrlichen 
Titeln und Zeichen stehen im Widerspruch mit 
den Souveränitätsrechten des Staates und mit 
den auedrücklichen Bestimmungen der Art. 86 
und 37 der Verf. Urk., wonach die richterliche 
Gewalt und die Ernennung der Richter allein 
von dem Könige ausgeht. Tuvesten in den d. 
Jahrb., Bd. VIII (1863|), S. 200—201, u. den 
Komm. Ber. v. 16. Jan. 1644, S. 24—25 in 
den Drucks. des Abg. H. 1864, Nr. 101 u. Stenogr. 
Ber. desselben 1864, Bd. IV, Aktenst. Nr. 71, 
S. 588). Der Beschl. des Abg. H. v. 9. Mai 
1865 (Stenogr. Ber. 1865, Bd. II, S. 1406, 
hat angenommen, daß das von der Staats- 
regierung in den auf Grund des G. v. 10. Juni 
1854 errichteten Verträgen mehreren Standesherren 
zugestandene Präsentationsrecht, sowie das be-
	        
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