Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

56 Das Staatsbürgerrecht. (F§. 51.) 
§. 162 der Verordnung v. 3. Jan. 1849 und §. 17 des Gesetzes über die Polizeiver= 
waltung erfolgte Überweisung der Polizeistrafgerichtsbarkeit an die Polizeirichter. Auch 
durch das Gesetz v. 10. Juni 1854 und die Verordnung v. 12. Nov. 1855, beziehungs- 
weise die Rezesse, erfolgte keine Wiederherstellung der standesherrlichen Gerichtsbarkeit; 
es wurden vielmehr nur Präsentationsrechte für gewisse Richterstellen eingeräumt. Durch 
das Reichsgerichtsverfassungsgesetz §. 15 sind auch diese aufgehoben und verboten, die ganze 
Frage somit reichsrechtlich abgeschlossen in dem ausnahmslosen Prinzip: „die Gerichte 
sind Staatsgerichte“. Jeder Rest der standesherrlichen Gerichtsbarkeit ist 
heute aus der deutschen Gerichtsverfassung verschwunden, auch für die frei- 
willige Gerichtsbarkeit.1 
2. Die niedere Polizei im ganzen Umfange der standesherrlichen Besitzung verblieb 
den Standesherren bis zur Grenze, wie solche von den Provinzialregierungen durch die 
Landräte verwaltet wird, nach näherer Vorschrift der §S§. 45—51 der Instruktion. Diese 
Vorschriften wurden zwar durch den ursprünglichen Art. 42 der Verfassungsurkunde beseitigt, 
indem dieser die gutsherrliche Polizei und obrigkeitliche Gewalt für aufgehoben erklärt und 
festgestellt hatte, daß fortan die gesamte Polizeigewalt im Namen des Königs auszuüben 
sei; diese Bestimmung der Verfassung ist auch, was die hier in Betracht kommenden west- 
lichen Provinzen betrifft, durch die nach dem Gesetze v. 11. März 1850 über die Polizei- 
verwaltung und infolge der dort vollständig zur Einführung gelangten (erst im Jahre 
1856 wieder außer Wirksamkeit gesetzten) Gemeindeordnung v. 11. März 1850, an die 
Polizeirichter erfolgte Uberweisung der Polizeistrafsachen zur Ausführung gekommen; 
allein der ursprüngliche Art. 42 der Verfassungsurkunde ist durch das Verfassungsänderungs- 
gesetz v. 14. April 1856 wieder außer Kraft gesetzt worden. Seitdem bestand aus der 
Verfassungsurkunde kein Hindernis mehr, die Verwaltung der Polizei wieder an die 
früheren Inhaber derselben zurückgelangen zu lassen. Unter diesen Umständen, und da 
die Ausübung der Ortspolizei den vormals Reichsunmittelbaren im Art. XIV der Deutschen 
Bundesakte ausdrücklich garantiert worden ist, bestand rechtlich kein Hindernis, die 
standesherrliche Polizeiverwaltung, insoweit nicht seitens der Standesherren durch rechts- 
beständige Verträge darauf Verzicht geleistet worden war, 
auf Grund des Gesetzes v. 
10. Juni 1854 durch königliche Verordnung wiederherzustellen.“ 
  
willigte Recht der Bezeichnung der betr. Gerichte 
als „fürstliche“ und des Gebrauchs fürstl. Wappen 
in Verbindung mit dem königlichen, dem Gesetze 
nicht entspricht. 
1 Diesen letzten Schritt tat das preuß. Aus- 
führ. G., vgl. Stenogr. Ber. d. Abg. H., 1877 
—78, Anl. I, S. 538. 
* Die §Ss. 45—51 a. a. O. bestimmen: a) 
über die Beamten, durch welche die Standes- 
herren die ihnen zustehende Polizei ausüben (§. 45); 
b) daß die Standesherren berechtigt sein sollen, 
die in der Standesherrschaft für Heilkunde und 
Geburtshilfe nötigen Beamten, bei vorher nach- 
gewiesener Qualifikation, anzustellen (s. 46); c) 
daß die standesherrl. Polizeibehörden in gleichem 
Maße, als es im Amte der denselben korrespon- 
dierenden. königlichen Beamten liegt, befugt und 
verpflichtet sind, die zur Ausführung der Polizeige- 
setze und der Polizeiverordnungen der königl. 
Oberbehörden nötigen Anstalten zu treffen und 
Befehle zu erlassen, auch Polizeivergehen zu ahnden 
(5. 47); c) daß die Standesherren Polizeistrafen, 
zu deren Festsetzung beziehungsweise Erhebung 
ihre Behörden befugt sind, mildern oder erlassen 
können (. 48); e) daß ihnen die Handhabung 
der niederen Forstpolizei, auch außer den ihnen 
ausschließlich zugehörigen Waldungen, im ganzen 
standesherrlichen Gebiete zusteht, und daß sie solche 
  
durch Forstbeamte ausüben, deren Qualifikation 
der Prov.-Regierung nachzuweisen ist (s. 49); s) 
über das Verhältnis der Standesherrschaft und 
der standesherrl. Behörden zum Landrate, und des 
standesherrl. Oberbeamten zur Prov.-Regierung 
(§§. 50 u. 51). 
3 §S. 17 des G. v. 11. März 1850, über die 
Polizeiverwaltung. 
* Dies ist denn auch in betreff der Fürsten zu 
Wied und Solms-Braunfels in den mit diesen 
errichteten, bereits oben erwähnten Verträgen ver- 
einbart worden. In dem Rezeß v. 22. Juli 
1862 mit dem Fürsten zu Solms-Hohensolms- 
Lich (Amtsbl. der Regier, zu Koblenz für 1863) 
ist dagegen (im S. 6, Lit. C) von dem Fürsten 
auf das Recht der Polizeiverwaltung Verzicht ge- 
leistet und dieses Recht auf den Landrat des 
Kreises Wetzlar unwiderruflich übertragen worden, 
unter dem Vorbehalte jedoch, daß dieser sich in 
allen das fürstl. Gebiet betr. Polizeiverwaltungs- 
angelegenheiten als „Königl. Preuß. Landrat und 
fürstl. Solms-Hohensolms-Lich'scher Oberbeamter“ 
unterzeichnet. Nach Maßgabe der Instr. v. 30. 
Mai 1820 erstreckt sich die fürstliche Polizeiver= 
waltung bis zu den Funktionen der Kreisland- 
räte hinauf, und es ist festgestellt worden, daß in 
der Regel die Funktionen der fürstlichen Polizei 
in oberer Instanz dem königl. Landrate, in
	        
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