Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

650 Die Staatsbehörden. (§. 98.) 
in der Provinz Westfalen und in der Rheinprovinz gar nicht. In Hessen-Nassau finden 
sich ähnliche Einrichtungen, in Nassau und Homburg das „Feldgericht“, in den ehemaligen 
hessischen Gebietsteilen das Ortsgericht und die Feldgeschworenen. 
Das Allgemeine Landrecht bestimmt im Tl. II, Tit. 7, §. 46, daß der Schulze 
oder Dorfrichter der Vorsteher der Gemeinde ist, und im §. 73 a. a. O., daß demselben 
wenigstens zwei Schöppen oder Gerichtsmänner beigeordnet werden müssen, welche ihm 
in seinen Amtsverrichtungen beistehen (F. 76 a. a. O.) und in Abwesenheits= oder Be- 
hinderungsfällen seine Stelle vertreten (§. 77 a. a. O.). Schulze und Schöppen machen 
zusammen die Dorfgerichte aus (§. 79 a. a. O.); in der Regel ist bei denselben auch 
ein vereideter Gerichtsschreiber angestellt (§. 82 a. a. O.).: Schulzen und Gerichts- 
männer sollen soviel als möglich aus den angesessenen Wirten der Gemeinde entnommen 
werden, und von unbescholtenem Rufe und untadelhaften Sitten, auch muß der Schuljze 
des Lesens und Schreibens notdürftig kundig sein (§§. 47, 51, 74 a. a. O.).5 
Die von den Schulzen oder Dorfrichtern und von den Schöppen oder Gerichts- 
männern handelnden Vorschriften der §§. 46 bis 79 des Allgemeinen Landrechts, Tl. II, 
Tit. 7 sind in denjenigen Provinzen, in welchen die Kreisordnung v. 13. Dez. 1872 
(19. März 1881) Geltung hat, also in den Provinzen Ost= und Westpreußen, Branden- 
burg, Pommern, Schlesien und Sachsen, durch die Bestimmungen der 88§. 21 bis 45 
der Kreisordnung und der zu dieser erlassenen Instruktion des Ministers des Innern v. 
20. Sept. 1873" in wesentlichen Punkten abgeändert, beziehungsweise ergänzt worden. 
An Stelle dieser Vorschriften sind jetzt die Vorschriften der Landgemeindeordnung v. 3. Juli 
1891, §. 74 ff. getreten (s. oben III). Danach steht der Gemeindevorsteher an der 
Spitze der Verwaltung der Gemeinde. Für den Bereich eines selbständigen Gutsbezirks 
führt der Gutsvorsteher die dem Gemeindevorsteher obliegende Verwaltung. Dem Gemeinde- 
vorsteher (Schulze, Scholze, Richter, Dorfrichter) stehen zwei5 Schöffen (Schöppen, Ge- 
richtsmänner, Gerichts= oder Dorfgeschworene) zur Seite, welche ihn in den ihm obliegenden 
Amtsgeschäften zu unterstützen und in Behinderungsfällen zu vertreten haben. — Der Ge- 
meindevorsteher und die Schöffen werden von der Gemeindeversammlung, beziehungsweise der 
Gemeindevertretung aus der Zahl der stimmberechtigten Gemeindemitglieder durch absolute 
Stimmenmehrheit gewählt "; die Wahl erfolgt auf sechs Jahre.' Die gewählten Gemeinde- 
vorsteher und Schöffen bedürfen der Bestätigung durch den Landrat, vor deren Erteilung der 
Amtsvorsteher mit seinem Gutachten zu hören ist, und welche unter Zustimmung des Kreis- 
ausschusses versagt werden kann, in welchem Falle eine Neuwahl anzuordnen, ist wenn 
  
1 Städte-O. v. 4. Aug. 1897 (G. S., S.1 #und 24. April 1871 a. a. O. 1871, S. 118 
276), §. 68; Städte-O. für den arurerr und S. 153). Das Zirk. Reskr. des Min. des 
zirk Wiesbaden v. 8. Juni 1891 (G. S., S. Inn. v. 17. März 1874 (M. Bl. d. i. Verw. 
107), §. 64; Landgemeinde O. v. 4. Aug. 1897/ 1874, S. 114) hat in den Provinzen, für welche 
(G. S., S. 301), §. 65. die Kreis-O. v. 13. Dez. 1872 Geltung hat, die 
: In der Provinz Brandenburg ist dies früher betr. Dispensationsbefugnis auf die Kreislandräte 
nicht der Fall gewesen; die Instr. für die Dorf= übertragen. Wer wegen wiederholten Holzdieb-= 
gerichte im Departement des Kammergerichts v. stahls bestraft ist, ist nicht von untadelhaften Su- 
9. März 1842 (Just. Min. Bl. 1842, S. 115 ff.) ten und kann nicht Schulze oder Schöppe sein 
setzt indes auch hier die Anstellung eines Gerichtss (Reskr. des Min. des Inn. v. 20. Juni 1840. 
schreibers voraus. Es ist durch das preuß. Ges. M. Bl. d. i. Verw. 1840, S. 217). 
über die freiw. Gerichtsbarkeit das im K. 79, * M. Bl. d. i. Verw. 1873, S. 259 ff. 
II. 7, A. L. N. gegebene Dorfgericht ale Einrich- 5 Wo die Zahl der Schöffen nach den bestehen- 
tung der freiw. Gerichtsbarkeit beibehalten und den Bestimmungen eine größere ist, verbleibt ce 
seine Verfassung und Zuständigkeit geregelt (Art. bei derselben. Auch kann auf Antrag der GEer- 
104 ff.). Die gleichfalls hiervon handelnden meinde die Zahl der Schöffen durch Beschluß des 
88. X0 85, II, 7 müssen als aufgehoben gelten. Kreisausschusses nach Anhörung des Kreisvor- 
* Neu einzusetzende Schulzen sollen in der stehers vermehrt werden. 
Regel keine Erlaubnis zur Haltung eines Schanks * Die ss. 47 und 73 des A. L. R., TlI. II. 
erhalten: die Regierungen können jedoch Ansnah-- Tit. 7 hatten dagegen bestimmt, daß der Schulze 
men hiervon bewilligen (vgl. die Zirk. Restr. des und die Schöppen oder Gerichtsmänner von 
Min. des Inn. v. 16. Dez. 1834, v. Kampt, der Gutsherrschaft (Gerichtsobrigkeit) zu ernennen 
Ann., Bd. XVIII, S. 1052, v. 5. Dez. 1840, seien. 
M. Bl. d. i Verw. 1540. S. 485, v. 10. März liber die Verpflichtung der Gewählten zur 
1847, a. a. ĩ. S. 64, v. 14. und 27. Mai libernahme des Amtes, bez. die Folgen der Weiget 
185½ a. u. . 1859, S. 150, v. 15. März rung zur Übernahme vgl. §. 25 der Kreis-O. 
 
	        
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