Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Ortsverwaltung. 651 
(§. 98.) 
auch diese die Bestätigung nicht erhält, erfolgt die Ernennung eines Stellvertreters 
durch den Landrat auf den Vorschlag des Amtsvorstehers unter Zustimmung des Kreis- 
ausschusses auf solange, bis eine erneuerte Wahl die Bestätigung erlangt hat, was 
auch alsdann stattfindet, wenn keine Wahl zustande kommt. Der Gemeindevorsteher und 
die Schöffen werden vor ihrem Amtsantritte von dem Landrate oder in seinem Auftrage 
von dem Amtsvorsteher vereidigt.! Die Gemeindevorsteher haben Anspruch auf Ersatz 
ihrer baren Auslagen und auf die Gewährung einer mit ihren amtlichen Mühewaltungen 
im billigen Verhältnisse stehenden Entschädigung, deren Aufbringung der Gemeinde ob- 
liegt, wogegen alle fortlaufenden Geld= und Naturalbeiträge des Gutsherrn zur Remune- 
ration des Gemeindevorstehers fortfallen.? Dagegen haben die Schöffen ihr Amt in der 
Regel unentgeltlich zu verwalten und nur auf den Ersatz barer Auslagen Anspruch. 
über die Festsetzung der Dienstunkostenentschädigung der Gemeindevorsteher und der baren 
Auslagen der Schöffen beschließt der Kreisausschuß.? 
Das Allgemeine Landrecht hat im §. 48, Tl. II, Tit. 7 bestimmt, daß, wenn das 
Amt des Schulzen mit dem Besitze eines bestimmten Gutes verbunden ist, der neue Be- 
sitzer eines solchen Gutes, vor Antritt seines Amtes, der Gerichtsobrigkeit zur Prüfung 
und Bestätigung vorgestellt werden muß, und in §§. 49 und 50 a. a. O. vorgeschrieben, 
daß, wenn es dem Erbschulzen an den erforderlichen Eigenschaften und Fähigkeiten fehlt, 
die Herrschaft berechtigt ist, ihm auf seine Kosten einen besoldeten Stellvertreter aus den 
angesessenen Gemeindegliedern zu bestellen. Die Kreisordnung v. 13. Dez. 1872 (19. März 
1881) hat indes im §. 36 die mit dem Besitze gewisser Grundstücke verbundene Berechtigung 
und Verpflichtung zur Verwaltung des Schulzen-(Richter-Amtes für aufgehoben erklärt.“ 
Abgesehen von den Obliegenheiten in Gemeindeangelegenheiten 3 haben der Schulze bezw. die 
Dorfgerichte, gewisse andere amtliche Funktionen in Verwaltungs= und Justizsachen und müssen 
Aufträge in lokalen Angelegenheiten von dem Landrate, sowie von den Gerichtsbehörden? 
  
1 Über die Ernennung, Bestätigung und Ver- 
eidigung der Schulzen in der Provinz Posen, für 
welche die Kreis-O. v. 13. Dez. 1872 keine Gel- 
tung hat, vgl. die 88. 21 und 22 des G. v. 
14. April 1856, betr. die ländlichen Ortsobrig- 
keiten in den sechs östlichen Provinzen der Mon- 
archie (G. S. 1856, S. 354) und die Art. 11 
und 12 der Jnfr- v. 30. Juli 1856 zu diesem 
Gesetze (M. Bl. d. i. Verw. 1856, S. 184). 
: Über das Fortbestehen solcher Landdotationen, 
welche für die Verwaltung des Schulzenamtes 
ausgewiesen sind, vgl. §. 28, Abs. 4—6 der 
Kreis-O. 
* Für diejenigen Landesteile des Rechtsgebietes 
des A. L. R., in welchen die Kreis-O. v. 13. Dez. 
1872 keine Geltung hat (Provinz Posen), vgl. 
bezüglich der Remuneration der Schulzen und der 
Verpflichtung dazu die Erläuterung zum §. 72 
A. L. R., II, 7 in v. Rönnes Ergänzungen und 
Erläuterungen des A. L. R., 6. Ausg., Bd. III, 
S. 105—406. 
4 Bereits die Gemeinde O. v. 11. März 1850 
hatte (S. 7) die mit den Lehn= und Erbschulzen- 
ämtern verbundenen Rechte und Pflichten in Be- 
ziehung auf die Verwaltung des Schulzenamtes 
für aufgehoben erklärt. Nachdem durch das G. 
v. 24. Juni 1853 die Gemeinde O. v. 11. März 
1850 wieder ausfgehoben und mit den früheren 
Gesetzen über die Landgemeindeverfassungen der 
sechs östlichen Provinzen auch das frühere Ver- 
hältnis der Lehn= und Erbschulzen wiederherge- 
stellt worden war, waren zahlreiche Petitionen um 
definitive Beseitigung des gedachten Verhältnisses 
eingebracht worden, und dae Abg. H. forderte in- 
folgedessen (durch Beschluß v. 11. Febr. 1861) 
die Staatsregierung zur Vorlegung einese Gesenzes 
  
über die anderweitige gesetzliche Regelung der guts- 
obrigkeitklichen Gewalt und der Gemeindevorstände 
auf. Aus dieser Veranlassung brachte die Staats- 
regierung in der Sit. Per. von 1862 zunächst 
den Entwurf eines Gesetzes, betr. die Ablösung 
der mit dem Besitze gewisser Grundstücke ver- 
bundenen Berechtigung und Verpflichtung zur 
Verwaltung des Schulzenamtes ein (vgl. Stenogr. 
Ber. des Abg. H. 1862, Anl. Bd., II, Aktenst. 
Nr. 4, S. 14 ff.), welcher indes (wegen Auf- 
lösung des Hauses,) unerledigt blieb. Die Kreis-O. 
v. 13. Dez. 1872 hat indes statt der „Ablösung“ 
die Aufhebung der in Rede stehenden Berechtigung 
angeordnet #vgl. die Motive zum Abschn. III der 
Kreis O. in den Stenogr. Ber. des Abg. H. 1871 
—72, Anl. Bd. I, Aktenst. Nr. 89, S. 421 ff.). 
Uber die Ausführung dieser Bestimmung bezw. 
die erforderliche Auseinandersetzung zwischen der 
Gemeinde und dem Schulzengutsbesitzer vgl. die 
88. 37—45 der Kreis O. 
5 Vgl. darüber A. L. R., II, 7, 88. 52, 56, 
57 und Kreis O. v. 13. Dez. 1872 (19. März 
1881|, §. 21, Abs. 3, §. 29. 
6 à. Die Schulzen und Schöppen der im Ge- 
biete des A. L. R. bestehenden Dorfgerichte sind 
zwar Gemeindebeamte, insoweit sie aber in Ge- 
mäßheit der S§. 82, 85 und 86 A. L. R., II, 
7 und anderer gesetzlicher Bestimmungen gericht- 
liche Geschäfte auszuführen haben, stehen sie unter 
der Aufsicht der Gerichtsbehörden. Aus diesem 
Aufsichtsrechte sfolgt auch das Recht der Gerichts- 
behörden, sie zur Erledigung der ihnen aufsge- 
tragenen oder ihnen ressortmäßig obliegenden ge- 
richtlichen Geschäfte anzuhalten, und zu diesem 
Zwecke nötigenfalls Ordnungestrafen gegen sie 
festausenen und von ihnen einzuziehen §. 100
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.