652 Die Staatsbehörden. (§. 98.)
annehmen. — Über die Amtsverwaltung der Dorfgerichte bestehen besondere Dienst-
instruktionen.
des G. v. 21. Juli 1852). Die übrige Dis-
ziplinargewalt über die Dorfgerichte steht dagegen
nach §. 78 a. a. O. den Verwaltungsbehörden
zu (Zirk. Reskr. des Just. Min. v. 16. Juni
1857, Just. Min. Bl. 1857, S. 230, M. Bl.
d. i. Verw. 1857, S. 122). Unter Bezugnahme
hierauf hat das Zirk. Reskr. des Just. Min. v.
12. Nov. 1881 (Just. Min. Bl. 1881, S. 266,
M. Bl. d. i. Verw. 1881, S. 228) folgende
Grundsätze ausgesprochen: a) die Dorfgerichte,
soweit sie gerichtliche Geschäfte, sei es im Auf-
trage der Gerichtsbehörden, sei es ohne Auftrag
derselben, auszuführen haben, stehen nach den
Bestimmungen in §. 78, Nr. 3 und §. 79 des
Ausführ. Ges. v. 24. April 1878 nicht unter der
Aussicht des Amtsrichters, sondern des Landge-
richtspräsidenten; die in dem Rechte dieser Auf-
sicht liegenden Befugnisse bestimmen sich nach den
Vorschriften in §. 80, Abs. 1 a. a. O.; 8) die
eigentlichen Disziplinarbefugnisse über die Dorf-
gerichte nach Maßgabe des G. v. 21. Juli 1852
gebühren dagegen nach wie vor ausschließlich den
Verwaltungsbehörden; Dienstvergehen der Mit-
glieder der Dorfgerichte, welche der Disziplinar-
bestrafung unterliegen, sind seitens der Zustizbe-
hörden zur Kenntnis des Landrats zu bringen;
y) die Befugnis der Gerichte, gegen die Mitglieder
der Dorfgerichte Stempelstrafen festzusetzen, ist
zufolge S. 28 des G. v. 9. April 1879 (G. S.,
S. 345) auf die Präsidenten der Landgerichte
übergegangen. — Das Restr. des Min. des Inn.
v. 26. Nov. 1881 (M. Bl. d. i. Verw. 1882,
S. 4) macht zugleich darauf aufmerksam, daß
nach §. 80, Abs. 1 des Ausführ. Ges. v. 24. April
1878 die Aufsichtsbefugnisse des Landgerichtsprä-
sidenten (S. 78, Nr. 3 ebendas.) gegenüber den
Dorfgerichten dahin bestimmt worden sind, daß
die den letzteren zur Last fallende ordnungswid-
rige Ausführung eines Amtsgeschäftes gerügt und
die Erledigung eines Amtsgeschäftes durch Ord-
nungsstrafen bis zum Gesamtbetrage von 100
Mark erzwungen werden kann. Die Anwendung
von Disziplinarstrafen auf Dienstvergehen der
Mitglieder der Dorfgerichte liegt ausschließlich den
zuständigen Verwaltungdbehörden ob.
b) Uber die Maßgaben, mit welchen das Dis-
ziplinar-Ges. v. 21. Juli 1852 in denjenigen
Provinzen, in welchen die Kreis-O. v. 13. Dez.
1872 Geltung hat, auf die Dienstvergehen der
Gemeindevorsteher Anwendung findet, vgl. §. 68
ö. Kr. O.
1 a) Uber die Rechte und Pflichten des Ge-
meindevorstehers in betreff der Polizeiverwaltung
in denjenigen Provinzen, in welchen die Kreis-O.
v. 13. Dez. 1872 Geltung hat, vgl. §§. 29 und
30 derselben.
b! Das A. L. R. erteilt über die Rechte und
Pflichten des Schulien folgende Bestimmungen:
Der Schulze muß der Gemeinde die landesherr-
lichen und obrigkeitlichen Verfügungen bekannt
machen und für deren Befolgung sorgen (A. L.
N., II. 7. S§. 53). Er muß die Steuern und
andere öffentliche Abgaben auf Verlangen der
Gemeinde einsammeln und gehörigen Orts ab-
liefern (§. 54 a. a. O., wovon indes das Restr.
des Min. des Inn. v. 9. Okt. 1848, M. Bl. d.
i. Verw. 1848, S. 343, ohne gesetzliche Unter-
lage das Gegenteil bestimmt). Bei öffentlichen
Arbeiten und Diensten der Gemeinde an den
Staat, sowie bei Verteilung der Einquartierungen
führt er die Aufsicht (S. 55 a. a. O.). Er muß
dafür sorgen, daß die Grenzen des Dorfs und der
Feldmarken nicht verrückt oder verdunkelt werden
(§. 58 a. a. O.). Ihm liegt ob, auf Befolgung
der Dorf= und Landespolizeiordnungen (auch der
Feldpolizeiordnung) zu halten (S. 59 a. a. O.).
Wegen der veterinär= und sicherheits-- und ord-
nungspolizeilichen Funktionen der Schulzen vgl.
A. L. R. a. a. O., §§. 60—71. In Entschei-
dung streitiger Rechtshändel sollen sich die Dorf-
gerichte nicht mischen (S. 80 a. a. O.); sie können
indes mit Zuziehung eines vereideten Gerichts-
schreibers gerichtliche Handlungen, wobei es auf
bloße Beglaubigung ankommt, gültig vornehmen,
die sie indes sofort dem Gerichte vorlegen müssen
(§6. 82—84 a. a. O.). Auch können sie unter
Direktion des Richters die Stelle des ermangeln-
den Gerichtsschreibers oder Protokollführers er-
setzen (§. 85 a. a. O.), desgl. mit Aufnahme
von Znventarien und Taxen unter gerichtlicher
Kontrolle beauftragt, sowie zur Vollstreckung der
Exekutionen gebraucht werden (§S. 86 a. a. O.)1.
— Die Befugnis der Dorfgerichte zur Aufnahme
von Testamenten, §. 93, I, 12 A. L. R. ist durch
das B. G. B. aufgehoben worden. Wohl aber
kann ein Testament vor Gemeindevorsteber
und zwei Zeugen errichtet werden (§F. 2245
B. G. B.) — Verfahren und Gebühren der Dorf-
gerichte sind geordnet in der Verf. des Just. Min.
v. 20. Dez. 1899 (Just. Min. Bl., S. 896). —
Vgl. auch über Angelegenheiten der freiw. Ge-
richtsbarkeit oben S. 650, N. 1, am Ende.
VWV gl. Instr. für die Dorfschulzen in Neu-
Ostpreußen v. 29. Mai 1799 (Mylius, N. C. C.
von 1799, p. 2495), Instr. für die Schulzen in
der Provinz Posen v. 18. Okt. 1333 (v. Kampt,
Ann., Bd. XVII, S. 983), Reskr. des Just. Min.
v. 8. Juli 1815 und Publik. des O. L. G. zu
Insterburg v. 15. Aug. 1815, betr. die Instr.
für die Schulzen im Regierungsbezirk Gumbinnen
(Amtsbl. der Regierung zu Gumbinnen, Jahrg.
1815, S. 448), revid. Instr. v. 11. Mai 1854
für die Dorfgerichte in den Bezirken der Appel-
lationsgerichte zu Naumburg und Halberstadt
und des Kammergerichts (Just. Min. Bl. 1854.
S. 206) nebst Zirk. Reskr. v. 19. Aug. 1854
(a. a. O., S. 334). — Uber die Befugnis der
Dorsfschulzen in den Provinzen Brandenburg,
Preußen, Posen, Pommern und Sachsen zum
Tragen von Amtszeichen: Kab. O. v. 1. Mai 1843
und 27. Nov. 1854 nebst Reskr. des Min. des
Inn. v. 26. März 1843 und 6. Febr. 1855 M. Bl.
d. i. Verw. 1855, S. 134 und 136). Verbot
der Anlegung von Polizeiuniform: Restr. des
Min. des Inn. v. 25. Okt. 1833 (v. Kampp,
Ann., Bd. XVII. S. 988).