Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Behörden für die Ausübung der ordentlichen Gerichtsbarkeit. (8. 101.) 659 
Verwaltungsgerichten begründet ist oder reichsgesetzlich besondere Gerichte bestellt oder 
zugelassen sind. „Die Gerichte sind Verwalter der staatlichen Herrschermacht 
und ihre Urteile sind Betätigungen der Staatsgewalt“ (Laband). 
I. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit wird durch Amtsgerichte und Land- 
gerichte, durch Oberlandesgerichte und durch das Reichsgericht ausgeübt.¾ Die 
Ausübung erfolgt in der Weise, daß bei den genannten Behörden das erkennende Ge- 
richt für den zu entscheidenden Rechtsstreit gebildet wird." Zu den Gerichten, welche 
die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit ausüben, gehören auch die Konulargerichte, 
welche indes auch dann, wenn sie in Angelegenheiten preußischer Staatsbürger verhandeln, 
nicht eine Gerichtsbarkeit Preußens, sondern des Deutschen Reiches ausüben.“ Ebenso 
sind die Kolonialgerichte Reichsgerichte.* Beide Gruppen von Gerichten aber sind 
besondere Gerichte im Sinne des Gesetzes. Besondere Gerichte im Sinne des Ge- 
setzes sind ferner noch die Militärgerichte, die Standgerichte im Falle des Be- 
lagerungszustandes, die Prisengerichte; ferner die Rheinschiffahrts= und Elb- 
zollgerichte, die landwirtschaftlichen, die Gewerbe= und die Kaufmannsgerichte 
(s. unten, §. 104 ff.). Den Amts-, Land= und Oberlandesgerichten ist auch die Gerichts- 
barkeit der früher bestandenen Gerichte in den Angelegenheiten, welche zu der ordentlichen 
streitigen Gerichtsbarkeit nicht gehören, in dem Umfange, in welchem sie in den einzelnen 
Landesteilen bisher bestanden hat, übertragen. — Bei den Amtsgerichten werden für die 
Verhandlung und Entscheidung von Strafsachen Schöffengerichte gebildet ; bei den 
Landgerichten treten für die Verhandlung und Entscheidung von Strafsachen periodisch 
Schwurgerichte zusammen.' Bei den Landgerichten können ferner, soweit die Landes- 
justizverwaltung ein Bedürfnis als vorhanden annimmt, für deren Bezirke oder für ört- 
lich abgegrenzte Teile derselben Kammern für Handelssachen gebildet werden, und 
es können solche Kammern ihren Sitz innerhalb des Landgerichtsbezirks auch an anderen 
Orten haben, als das Landgericht selbst.5 
Das Reichsgericht hat seinen Sitz in Leipzig." Die Sitze und Bezirke 
der Oberlandesgerichte und Landgerichte werden durch Gesetz, die der Amtsgerichte durch 
königliche Verordnung bestimmt; die letzteren können indes nach dem 1. Okt. 1882 nur 
durch Gesetz verändert werden. 10 Die Sitze und Bezirke der Oberlandesgerichte und Land- 
gerichte sind durch das Gesetz v. 4. März 187811, die Sitze der Amtsgerichte durch Ver- 
ordnung v. 26. Juli 1878 12 und deren Bezirke durch Verordnung v. 5. Juli 187912 
  
1 §. 13 des D. Gerichtsverf.-Gesetzes. Uber : Sehr treffend hierüber Laband III, S. 404. 
die hier bezeichneten Grenzen des „Rechtsweges“ 
und die oft überaus schwierigen Fragen dieser 
Grenzziehung s. Laband III, S. 359 ff.; Wach, 
Zivilprozeß I, S. 111 ff. Zahlreiche positive 
Vorschriften der Reichs= und Landesgesetzgebung 
bestimmen einerseits, daß der Rechtsweg nicht 
ausgeschlossen werden darf, andrerseits, daß der 
Rechtsweg ausgeschlossen ist. Über den Einfluß, 
der dadurch dem Landesrecht auf das Reichsrecht 
gegeben ist und die darin Z. liegen- 
den Gefahren Laband III, S. 360; Hänel, 
St. R. I, S. 735 ff. 
28. 12 des D. erichererk Ges. Einführ. 
Ges. z. Jiuitprozeb.. 3, Einführ. Ges. z. 
Strafprozeß.-O., §. 3; . inn die gedankenreichen 
Erörterungen über die staatsrechtlichen Gesichts- 
punkte der „streitigen“ Gerichtsbarkeit bei La- 
band III, S. 348 ff., besonders über die Klage 
als Antrag auf Gewährung des staatlichen Rechts- 
schutzes und über die Strafgewalt des Staates 
als einfache Anwendung der Staatsgewalt (S. 
355, N. 2) und über den die Zivil= und Straf- 
gerichtsbarkeit gemeinsam beherrschenden Gedanken 
des „Urteilsbefehls“; s. auch die bei Laband 
zitierte Literatur. 
  
* Die Verfassung der Konsulargerichte war 
durch das Reichsgesetz v. 10. Juli 1879 über die 
Konsulargerichtsbarkeit (R. G. Bl. 1879, S. 197) 
geordnet worden, an dessen Stelle jetz das Reichs- 
*51r v. 7. April 1900 (R. G. Bl., S. 213) getreten 
ist; s. über das System der deutschen Konsular- 
gerichtsbarkeit Laband III, S. 387; Zorn II, 
S. 486 ff. sowie die dort angegebene Spezial- 
literatur. 
5 S. über sie G. v. 10. Sept. 1900 (R. G. 
Bl., S. 812), ferner Laband II, S. 286; III, 
S. 360; Zorn I, S. 602 ff. und die dort an- 
gegebene Spezialliteratur. 
* §F. 25 des Gerichtsverf. Ges. 
7 §. 79 a. a. O. 
* S. 100 a. a. O. 
9 Neichsgese v. 11. April 1877 (R. G. Bl. 
1877, S. 415). 
10 g8. u 37, 47 des Ausführ. Ges. v. 24. April 
1578 (G. S. 1878. S. 230 ff.). 
1 G. S. 1878, S. 109. 
12 G. S. 1878, S. 275. 
18 G. S. 1879, S. 393. 
rm 
12
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.