662 Die Staatsbehörden. (8. 101.)
Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln empfangen oder in den drei letzten Jahren
empfangen haben; welche wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen zu dem Amte nicht
geeignet sind; Dienstboten; — ferner bestimmte Beamte, Religionsdiener, Volksschullehrer,
dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Militärpersonen 1; Mitwirkung
solcher Personen ist keine die Revision begründende Gesetzesverletzung. Noch andere
Personen dürfen die Berufung zum Amt eines Schöffen ablehnen, nämlich Mitglieder
einer deutschen gesetzgebenden Versammlung, Personen, welche im letzten Geschäfts-
jahre die Verpflichtung eines Geschworenen oder an wenigstens fünf Sitzungstagen die
Verpflichtung eines Schöffen erfüllt haben, Arzte, Apotheker ohne Gehilfen, Personen
über 65 Jahre, Personen, welche glaubhaft machen, daß sie den mit der Ausübung des
Amtes verbundenen Aufwand nicht zu tragen vermögen. Die Auswahl der Schöffen
geschieht in folgender Weise: Der Gemeindevorsteher stellt die Urliste (das Verzeichnis
der Personen, welche zu dem Schöffenamte berufen werden können) auf, und sendet die-
selbe, nachdem die öffentliche Auslegung stattgefunden hat, nebst den etwa gegen ihre
Richtigkeit und Vollständigkeit erhobenen Einsprachen an den Amtsrichter. Bei dem Amts-
gerichte tritt alljährlich ein Ausschuß zusammen, welcher aus dem Amtsrichter als Vor-
sitzenden, einem von dem Regierungspräsidenten bestellten Verwaltungsbeamten und sieben
durch die Kreis-(Amts-Vertretungen gewählten Vertrauensmännern als Beisitzern be-
steht.“ Der Ausschuß entscheidet über die gegen die Urlisten erhobenen Einsprachen und
wählt aus der berichtigten Liste für das nächste Geschäftsjahr die von dem Landgerichts-
präsidenten zu bestimmende? Zahl von Hauptschöffen und Hilfsschöffen (für Vertretungs-
fälle), welche in gesonderte Jahreslisten aufgenommen werden. Die Tage der ordent-
lichen Sitzungen des Schöffengerichts werden für das ganze Jahr im voraus festgestellt;
die Reihenfolge, in welcher die Hauptschöffen # an den einzelnen Sitzungen teilzunehmen
haben, wird seitens des Amtsrichters durch Auslosung in öffentlicher Sitzung bestimmt.“
Die Schöffen werden bei ihrer ersten Dienstleistung in öffentlicher Sitzung für die Dauer
des Geschäftsjahres beeidigt.¾. Schöffen, welche ohne genügende Entschuldigung sich zu
den Sitzungen nicht rechtzeitig einfinden oder ihren Obliegenheiten in anderer Weise sich
entziehen, sind zu einer Ordnungsstrafe von fünf bis zu eintausend Mark, sowie in die
verursachten Kosten zu verurteilen.? — Ohne Zuziehung von Schöffen verhandeln und
entscheiden die Amtsgerichte in Strafsachen: a) im Falle der Vorführung des Be-
schuldigten, wenn derselbe nur wegen Ubertretung verfolgt wird und die ihm zur Last
gelegte Tat eingesteht, auch die Staatsanwaltschaft zustimmt 10; b) in einfachen Forstdieb-
stahlssachen. 11
4. Die Zuständigkeit der Amtögerichte umfaßt:
a) in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten 1: aa) Streitigkeiten über vermögensrechtliche
Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von dreihundert Mark
nicht übersteigt; bb) ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes: Streitigkeiten
1 8§8. 33, 34 des D. Gerichtsverf. Ges., §. 33 * Hilfsschöffen werden nach der Reihenfolge
des Ausführ. Ges. v. 24. April 1878; s. La-
band III, S. 442, N. 8.
* §. 35 des D. Gerichtsverf. Ges.
2 In den einem Amtsverbande nicht angehören-
den Städten der Provinz Hannover durch die zu
einem Kollegium vereinigten Magistrate und
Bürgervorsteher.
* Wenn der Bezirk des Amtskreises sich über
mehrere wahlberechtigte Verbände erstreckt, so ist
die von jedem einzelnen Verbande zu wählende
Anzahl der Vertrauensmänner unter Berüctssich-
tigung der Einwohnerzahl durch den Amtsrichter
zu bestimmen.
5 Die Bestimmung der Zahl der Hauptschöffen
erfolgt in der Art, daß voraussichtlich jeder höch-
stens zu fünf ordentlichen Sinungstagen im Jahre
herangezogen wird.
der Jahredsliste einberufen.
ö7 §§, 36—50 des D. Gerichtsverf. Ges., 88. 34,
35 des Ausführ. Ges. v. 24. April 1878, Zirk.
Reskr. des Just. Min. v. 22. Juli 1879 (Just.
Min. Bl. 1879, S. 195).
s §. 51 des D. Gerichtsverf. Ges.
. 56 a. a. O.
10 §g. 211, Abs. 2 der D. Strafprozeß O.
11 §. 3, Abs. 3 des Einführ. Ges. zur D. Swaf-
prozeß-O., §. 19, Abs. 1 des G. v. 15. April
1878, betr. den Forstdiebstahl (G. S. 1878, S.
222). Außerdem, insoweit die Amtsgerichte als
Rheinschiffahrts- oder Elbzollgerichte fungieren.
1# Insoweit dieselben nicht ohne Rücksicht auf
den Wert des Streitgegenstandes den Landgerich-
ten zugewiesen sind (§. 28, Abs. 1 des D. Ge-
richtsverf. Ges.).